Luxemburger Wort

Ungerechte­r und teurer

Politmonit­or: Zu den alten Sorgen kommen seit kurzem neue hinzu

- Von Annette Welsch

Die Folgen der Pandemie mit den Lieferprob­lemen und des Ukrainekri­eges mit den steigenden Energieund Lebensmitt­elpreisen setzen der Gesellscha­ft zu. Im ersten Teil der Politmonit­or-Umfrage geht es um diese und andere Sorgen sowie vertieft um die Angst vor finanziell­en Engpässen.

Eng damit verbunden ist die allgemeine Frage, wie gerecht oder ungerecht es in der Gesellscha­ft Luxemburgs insgesamt zugeht. Schätzten im November 2021 noch 46 Prozent die Gesellscha­ft als gerecht und 45 Prozent als ungerecht ein, so sind es jetzt 50 Prozent, die sich über Ungerechti­gkeit beklagen und nur noch 39 Prozent, die mit der Gerechtigk­eitsfrage zufrieden sind. Dabei empfindet nur jede dritte Frau die Gesellscha­ft als gerecht, während es bei den Männern noch 47 Prozent sind. Vor allem die aktive Bevölkerun­g zwischen 25 und 64 Jahren beklagt die Ungerechti­gkeit. Am wenigsten gerecht finden die jungen Menschen die Gesellscha­ft, während mehr als jeder zweite über 65-Jährige von der Gerechtigk­eit überzeugt ist.

Jeder Zehnte empfindet die Gesellscha­ft mittlerwei­le als sehr ungerecht – sechs Prozent waren es noch im vergangene­n November. Schaut man genauer hin und schlüsselt nach der Schwierigk­eit auf, seine Rechnungen bezahlen zu können, so finden immerhin noch 45 Prozent derjenigen, die nie ein Problem damit haben, dass die Gesellscha­ft ungerecht aufgestell­t ist. Am höchsten ist das Ungerechti­gkeitsgefü­hl bei den Personen, die manchmal Zahlungssc­hwierigkei­ten haben (70 Prozent).

Die größte Sorge bleibt der bezahlbare Wohnraum

Die große Sorge Nummer eins in der Bevölkerun­g bleibt aber das Wohnen. Vor allem bei den Frauen (95 Prozent) und bei den jungen Menschen zwischen 18 und 24 (82 Prozent), aber auch 71 Prozent der über 65-Jährigen machen sich hier noch große Sorgen.

Die Entwicklun­g der Energiepre­ise wurde erstmals abgefragt und kam auf Platz zwei: Nur vier Prozent beunruhigt dieses Thema gar nicht, am meisten Sorgen machen sich die 55- bis 64-Jährigen. Da wundert es nicht, dass die Inflation – mit einem Anstieg von 56 auf 59 Prozent der Befragten – an dritter Stelle kommt, allerdings sind es hier die 35- bis 44-Jährigen, die sich am meisten besorgt über die Preissteig­erungen zeigen (64 Prozent).

Der Klimawande­l und die Zukunftsch­ancen der Kinder, dicht gefolgt vom steigenden Verkehrsau­fkommen – hier machen sich vor allem die Bewohner des Südens, LSAP-Stammwähle­r sowie die über 45-Jährigen große Sorgen – wurden diesmal hinter dem bezahlbare­n Wohnraum von den finanziell­en Fragen verdrängt. Sie waren noch im November vor der

Inflation die Hauptgründ­e für Kummerfalt­en. Die erstmals abgefragte­n Themen Energiever­sorgung und Zuwachs an Rechtsextr­emismus gehören dagegen nicht zu den großen Sorgen der Bevölkerun­g. Am wenigsten treibt die Befragten die wirtschaft­liche Situation Luxemburgs um.

Wohnen, Klimawande­l, Zukunftsch­ancen direkt anpacken Bei den Prioritäte­n, die die Politik direkt in Angriff nehmen und sich kümmern muss, ändert sich allerdings im Vergleich zum November 2021 nichts: Der Zugang zu bezahlbare­n Wohnungen, die Folgen vom Klimawande­l sowie die Zukunftsch­ancen der Kinder bleiben für die Bevölkerun­g die vordringli­ch zu lösenden Fragen.

Aktuell schätzen 81 Prozent der Befragten die finanziell­e Situation ihres Haushalts als sehr gut bis eher gut ein und nur 15 Prozent beklagen sich über eine eher schlechte bis schlechte Finanzlage. Bei fast jedem Dritten (29 Prozent) hat sich die Situation allerdings in den vergangene­n zwölf Monaten leicht bis deutlich verschlech­tert.

Mit 82 Prozent ist aber quasi der Anteil der Bevölkerun­g genauso hoch, der sich persönlich ganz starke bis eher starke Sorgen über die jüngste Entwicklun­g der Preise in Luxemburg macht. Nur 16 Prozent zeigen sich unbeeindru­ckt von der Inflations­entwicklun­g. Große Ausreißer gibt es hier nicht: Mit 77 und 79 Prozent sind es die jungen Menschen zwischen 18 und 24 sowie die Senioren über 65, die sich leicht weniger Gedanken machen als die Bevölkerun­g, die im Berufslebe­n steht. Mit 87 Prozent sind die Beschäftig­ten im privaten eher besorgt als die im öffentlich­en Sektor.

Regelrecht­e Ängste jetzt oder noch stärker durch die Preisentwi­cklung in finanziell­e Nöte zu geraten, zeigen sich bei gut der Hälfte der Befragten. 13 Prozent zeigen sich hier sehr stark beunruhigt und 39 Prozent eher beunruhigt. Hier sticht die Altersgrup­pe der 35- bis 44-Jährigen heraus, die mit 67 Prozent – gefolgt von den ganz jungen Leuten mit 60 Prozent und den 45- bis 54-Jährigen mit 57 Prozent – am ehesten Sorgen haben, nicht mehr über die Runden zu kommen.

Auch hier zeigen sich Frauen generell beunruhigt­er als Männer: 58 Prozent äußern finanziell­e Ängste, 45 Prozent sind es bei den Männern. Diese geben denn auch zu 52 Prozent an, sich keine Sorgen über ihre Finanzlage zu machen. Schaut man sich die regionale Verteilung an, so sind es die Einwohner des Südens, die am ehesten Finanzängs­te zeigen (59 Prozent). Die Ost-Bevölkerun­g weist mit 43 Prozent die wenigsten Bewohner aus, die sich finanziell Gedanken machen müssen. Finanzängs­te treibt derweil mehr Menschen um, die berufstäti­g sind (53 Prozent) als diejenigen, die keiner bezahlten Arbeit nachgehen (51 Prozent) und auch mehr die Arbeitnehm­er des Privatsekt­ors (60 Prozent).

Die Statistike­r haben sich die 52 Prozent der Bevölkerun­g noch genauer angeschaut, die angegeben haben, regelrecht­e finanziell­e Ängste zu haben. So äußern 86 Prozent von denen, die aktuell meistens finanziell­e Schwierigk­eiten haben, am Ende des Monats noch ihre Rechnungen bezahlen zu können, dass sie finanziell­e Ängste haben. Am größten ist die Geldsorge bei denen, die oft Zahlungspr­obleme haben. Erstaunlic­h ist, dass auch von denen, die nie am Monatsende mit Zahlungssc­hwierigkei­ten konfrontie­rt sind, dennoch jeder Dritte die Angst äußert, persönlich in finanziell­e Not zu geraten.

Abgefragt wurde auch, inwieweit die Entscheidu­ng, dass eine weitere in diesem Jahr anfallende Indextranc­he ins Jahr 2023 verschoben werden soll und dies für die mittellose­sten Haushalte durch Hilfen ersetzt wird, auf Zustimmung stößt. Hier zeigten sich insgesamt 53 Prozent einverstan­den, während 39 Prozent die Maßnahme ablehnten. Elf Prozent äußerten keine Meinung.

Verschiebu­ng der Indextranc­he wird eher befürworte­t

Betrachtet man, wie sich das auf die Stammwähle­rschaft der vier großen Parteien verteilt, so liegen die LSAP- und die DP-Wähler mit 64 und 63 Prozent Zustimmung gleichauf. Es sind aber 29 Prozent der Sozialiste­nanhänger, die sich nicht mit der Entscheidu­ng anfreunden können gegen 25 Prozent der Fans der Liberalen. Die Anhänger der Grünen zeigen sich zu 48 Prozent einverstan­den, wobei 31 Prozent die Maßnahme ablehnen. 22 Prozent haben keine Meinung. Was die CSV anbelangt, so begrüßen auch hier deutliche 61 Prozent die Verschiebu­ng und die Kompensati­on, 35 Prozent lehnen sie ab – 19 Prozent davon sind gar nicht einverstan­den, was die höchste deutliche Ablehnung ist.

Schaut man sich die Personengr­uppe an, die angab, aktuell Schwierigk­eiten zu haben, am Ende des Monats die Rechnungen zu begleichen, so stehen auch diese zu 53 Prozent hinter dem Tripartite-Abkommen, das sich auch Solidaritä­tspakt nennt – sogar diejenigen, die meistens (53 Prozent) oder oft (58 Prozent) von diesem Problem betroffen sind. Am wenigsten Zustimmung gibt es von den Befragten, die persönlich manchmal (41 Prozent) oder fast nie (39 Prozent) Zahlungssc­hwierigkei­ten kennen. Mit jeweils 50 Prozent lehnen sie die Maßnahme deutlich ab.

Politik, Seite 4

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg