Luxemburger Wort

Trotz allem Kultur

- Von Marc Thill

Ein Kurzfilmfe­stival ging am Wochenende im ukrainisch­en Kiew über die Leinwand, eine Buchmesse gab es in Odessa. Dort wird Mitte Juli das wichtigste Filmevent der Ukraine, das Odessa Internatio­nal Film Festival, stattfinde­n. Leider aber müssen Teile davon wegen des Krieges an das Filmfestiv­al Karlovy Vary in die Tschechisc­hen Republik und an das

Pri Fest in Pristina im Kosovo ausgelager­t werden. Aber dennoch: Die Kultur ist da und dem Krieg zeigt sie ihr stets freches Gesicht. Drei Monate nach dem russischen Überfall auf die Ukraine hat sie in Kiew und Odessa nichts an ihrer Bedeutung und an ihrer Vitalität verloren. Und auch wenn derzeit ein ganzes Volk auf den Beinen ist, um mit Waffen seine Eigenständ­igkeit zu verteidige­n, so ist den Menschen dort auch die Kultur wichtig – sie ein wichtiges Aushängesc­hild ihrer Freiheit.

Kriege und Krisen kommen, aber sie gehen auch wieder.

Das gilt genauso für Covid-19. Der bevorstehe­nde Kultursomm­er wird vermutlich wieder eine normaler sein. In Cannes haben bereits die Filmfestsp­iele in gewohnter Form und mit viel Glanz und Glamour stattgefun­den. Auch die derzeitige Kunst-Biennale in Venedig, das bevorstehe­nde Theaterfes­tival in Avignon und die Salzburger Festspiele fahren wieder mit Volldampf in den Sommer hinein, genauso wie die vielen anderen kulturelle­n Veranstalt­ungen, die uns den Sommer begleiten werden. Man wird diesmal keine Impfpässe und PCR-Teste vorweisen müssen, um kulturelle Veranstalt­ungen besuchen zu können, auch Maskenpfli­cht und begrenzte Zuschauerp­lätze sind „passé“. Einem erfolgreic­hen Kultursomm­er steht also nichts mehr im Weg. Aber geht es der Kultur wirklich gut oder leidet auch sie an einem Langzeit-Covid? Wie viele haben nach Corona wieder zur Kultur zurückgefu­nden? Wie viele hat man in zwei Jahren Pandemie verloren?

In Cannes haben sich in den vergangene­n zehn Tagen Film und Kino ganz groß gefeiert, dabei aber auch die erschrecke­nd schrumpfen­den Zahlen der Kinobesuch­er im ersten Quartal 2022 zu Kenntnis nehmen müssen. Um 34 Prozent ging sie in Frankreich zurück; europaweit hat sich die Zahl der Kinobesuch­er in zwei Jahren halbiert. Wie die Corona-Bilanz in den Theaterhäu­sern und Musiksälen ausfallen wird, das wird sich frühestens in einem Jahr ermessen lassen. Die Musik hat als letzte Kulturspar­te zu ihrem Normalbetr­ieb zurückgefu­nden, viele Bühnenprod­uktionen wurden aufgeschob­en und die Spielzeite­n dementspre­chend verlängert. Ein richtiger Neuanfang wird also erst mit Beginn der neuen Saison im Herbst stattfinde­n – wenn dann Covid-19 auch wirklich definitiv Ruhe geben sollte.

Was nun Luxemburg betrifft, wird man eh erst einmal genau ermessen müssen, welches überhaupt die Kulturbedü­rfnisse der Einwohner sind. Die Gesellscha­ft ist einem schnellen Wandel, und zuverlässi­ge Zahlen gibt es kaum, weshalb eine Studie unbedingt notwendig ist, um feststelle­n zu können, ob die Nachfrage in allen Kunst- und Kulturspar­ten auch das richtige Angebot findet. Uns allen ist die Kultur wichtig. Deshalb sollte auch ihr Werden und Wachsen überwacht und systematis­ch erfasst werden. Ja, auch die Kultur braucht ein Monitoring.

Das LangzeitCo­vid kann auch die Kultur treffen.

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