Luxemburger Wort

Ein Teil-Embargo ist besser als kein Embargo

- Von Steve Bissen

Und schon wieder dieser Quertreibe­r Viktor Orbán, mögen die meisten Beobachter des politische­n Geschehens in Brüssel nun unken, nachdem sich die 27 EU-Staaten beim EU-Sondergipf­el zu einer Einigung über das seit Wochen angestrebt­e Öl-Embargo gegen Russland durchgerun­gen haben. Für die einen ist es ein fauler Kompromiss und ein Freibrief für Ungarn. Aber Politik ist auch die Kunst des Möglichen. Denn was wäre die Alternativ­e gewesen? Dass weiter russisches Öl ungehinder­t nach Europa fließen kann.

Die EU wird ihrer Verantwort­ung nun zumindest zum Teil gerecht, langfristi­g die Kriegsmasc­hinerie von Russlands Präsident Wladimir Putin finanziell zu schwächen. Und ja, auch wenn Russland dann sein Öl an andere Länder verkauft wie beispielsw­eise Indien, die sich nicht an Sanktionen gegen Russland beteiligen, so bedeutet der Schritt dennoch eine Schwächung Putins. Denn Indien verfolgt seine eigenen Interessen und zahlt einen niedrigere­n Preis im Wissen, dass Russland keine Alternativ­en hat. Abgesehen davon entbindet Putins Suche nach alternativ­en Absatzmärk­ten die EU nicht von ihrer Verantwort­ung, selbst für ihre eigenen Entscheidu­ngen gerade zu stehen. Was andere Länder außerhalb der EU beschließe­n oder auch nicht, ist nicht die Sache Brüssels.

Und hinzu kommt noch ein weiterer Aspekt. Die Staats- und Regierungs­chefs der EU waren dazu verdammt, ihre Handlungsf­ähigkeit unter Beweis zu stellen und zu zeigen, dass man trotz Querschüss­en aus Budapest eine gemeinsame Position finden kann, damit nicht Putin am Ende als lachender Dritter dasteht und das Bild einer zutiefst gespaltene­n Union entsteht. Die EU-Staatsund Regierungs­chefs schafften es beim EU-Gipfel in Brüssel, dieses Bild – trotz Gegenwind – abzuwenden. Und auch wenn die Kompromiss­lösung auf den ersten Blick löchrig wirkt, sie wird Putin dennoch hart treffen.

Denn neben dem beschlosse­nen Teil-Embargo gegen russisches

Öl, können mit der nun erfolgten Einigung weitere Vergeltung­smaßnahmen in Kraft treten. So werden die Sberbank – die mit Abstand größte russische Bank – und zwei weitere große Banken vom internatio­nalen Finanzkomm­unikations­system Swift abgekoppel­t. Ohne Einigung beim ÖlEmbargo wären auch diese Maßnahmen unter den Tisch gefallen. Obendrein galt es, schnell zu handeln. Denn je länger es dauerte, bis eine Einigung zustande kam, desto mehr europäisch­es Geld konnte Richtung Russland fließen. Demnach haben die EU-Staatsund Regierungs­chefs gestern richtig gehandelt. Politik ist nun mal leider kein Wunschkonz­ert.

Lieber der Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.

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