Ein Teil-Embargo ist besser als kein Embargo
Und schon wieder dieser Quertreiber Viktor Orbán, mögen die meisten Beobachter des politischen Geschehens in Brüssel nun unken, nachdem sich die 27 EU-Staaten beim EU-Sondergipfel zu einer Einigung über das seit Wochen angestrebte Öl-Embargo gegen Russland durchgerungen haben. Für die einen ist es ein fauler Kompromiss und ein Freibrief für Ungarn. Aber Politik ist auch die Kunst des Möglichen. Denn was wäre die Alternative gewesen? Dass weiter russisches Öl ungehindert nach Europa fließen kann.
Die EU wird ihrer Verantwortung nun zumindest zum Teil gerecht, langfristig die Kriegsmaschinerie von Russlands Präsident Wladimir Putin finanziell zu schwächen. Und ja, auch wenn Russland dann sein Öl an andere Länder verkauft wie beispielsweise Indien, die sich nicht an Sanktionen gegen Russland beteiligen, so bedeutet der Schritt dennoch eine Schwächung Putins. Denn Indien verfolgt seine eigenen Interessen und zahlt einen niedrigeren Preis im Wissen, dass Russland keine Alternativen hat. Abgesehen davon entbindet Putins Suche nach alternativen Absatzmärkten die EU nicht von ihrer Verantwortung, selbst für ihre eigenen Entscheidungen gerade zu stehen. Was andere Länder außerhalb der EU beschließen oder auch nicht, ist nicht die Sache Brüssels.
Und hinzu kommt noch ein weiterer Aspekt. Die Staats- und Regierungschefs der EU waren dazu verdammt, ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen und zu zeigen, dass man trotz Querschüssen aus Budapest eine gemeinsame Position finden kann, damit nicht Putin am Ende als lachender Dritter dasteht und das Bild einer zutiefst gespaltenen Union entsteht. Die EU-Staatsund Regierungschefs schafften es beim EU-Gipfel in Brüssel, dieses Bild – trotz Gegenwind – abzuwenden. Und auch wenn die Kompromisslösung auf den ersten Blick löchrig wirkt, sie wird Putin dennoch hart treffen.
Denn neben dem beschlossenen Teil-Embargo gegen russisches
Öl, können mit der nun erfolgten Einigung weitere Vergeltungsmaßnahmen in Kraft treten. So werden die Sberbank – die mit Abstand größte russische Bank – und zwei weitere große Banken vom internationalen Finanzkommunikationssystem Swift abgekoppelt. Ohne Einigung beim ÖlEmbargo wären auch diese Maßnahmen unter den Tisch gefallen. Obendrein galt es, schnell zu handeln. Denn je länger es dauerte, bis eine Einigung zustande kam, desto mehr europäisches Geld konnte Richtung Russland fließen. Demnach haben die EU-Staatsund Regierungschefs gestern richtig gehandelt. Politik ist nun mal leider kein Wunschkonzert.
Lieber der Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.