„Dem Bürger seinen Platz im politischen System zurückgeben“
Beim diesjährigen Kongress in Colmar-Berg pflegt die Piratenpartei ihr Image als soziale, bürgernahe und zukunftsgewandte Partei
Der Versuch der Piratenpartei, sich am Donnerstagabend beim Parteikongress in Colmar-Berg von der aus „verstaubten Großparteien“bestehenden Konkurrenz auf der politischen Bühne zu demarkieren, lag in den Details.
Dass die Piraten ihre Inhalte nicht nur predigen, sondern leben, davon wollte man zeugen: Vegane Schnitten, Bio-Bier, Livestream für abwesende Mitglieder, Regenbogenanstecker als Zeichen einer toleranten Partei, Kleinkinder für die Zurschaustellung von Familienfreundlichkeit – die Piraten pflegen ihr Image als soziale, grüne und bürgernahe Partei.
Neun Prozent sind gesichert
In seiner Eröffnungsrede lobte der Parlamentsabgeordnete Marc Goergen diesen zur Schau gestellten Idealismus. Eine Umfrage der TNS-Ilres dazu, wie die Bevölkerung im Land den Piraten gegenübersteht, habe ergeben, dass bei den Landeswahlen neun Prozent der Bürger vor dem Gang zur Urne die Piraten mit Sicherheit wählen würden. Fast 30 Prozent könnten sich zudem vorstellen, die Partei zu wählen und 22 Prozent der Befragten
wollen es sich noch überlegen.
Nicht allein die Gunst der Wählerschaft bestätigte Goergen in seinen Aussagen, die Partei habe ein solides Wachstum erlebt. Das Bild, das die Partei ausstrahlt, deute zudem auf eine klare politische Identität hin. Die Umfrage ergab, dass diese als idealistisch, nicht arrogant und nicht konservativ in den Augen der Wählerschaft gilt.
„Die Menschen sehen uns als Idealisten. Es ist ihnen wichtig zu sehen, dass wir keiner Koalition hinterherlaufen“, beteuerte der Abgeordnete.
Der wiedergewählte Sprecher der Partei Starsky Flor betonte in seiner Rede, es seien turbulente Zeiten und die alleinige Konstante der letzten Jahre sei der soziale Frieden im Land gewesen. Jener werde durch den Indexklau der Regierung langsam zu einer bedrohten Spezies: „Wenn 2024 mehrere Tranchen fallen müssen, dann wird sich die nächste Regierung die Zähne daran ausbeißen.“
Die Chat-Direktive der EU, nach der private Chats von EU-Bürgern im Kampf gegen Kinderpornografie durch Behörden überwacht werden dürfen, kritisierte Flor und bezeichnete diese als „Politikverdrossenheit“.
„Regierung ist unverantwortlich“Viel Regierungskritik kam auch vonseiten des Abschlussredners, dem Spitzenkandidaten der Piraten Sven Clement, denn eine realistische und pragmatische Politik beginne erst damit, wenn man den Finger in die Wunde lege, so Clement: „Was ist die Stärke Luxemburgs?
Es ist der soziale Frieden, durch den Arbeitnehmer nicht jedes Jahr um eine Erhöhung ihrer Löhne kämpfen müssen. Der Indexklau der Regierung ist völlig pervers“, kritisierte Clement.
Der Index sei aber keineswegs der alleinige Garant des sozialen Friedens. Clement machte sich in dem Kontext für einen steuerfreien Mindestlohn stark, der das Staatsbudget um 300 Millionen zwar kürzen würde, doch nach Berechnungen
der Steuerverwaltung könnte eine progressive Gestaltung der Einkommenssteuer bis 400.000 Euro dem Staat 500 Millionen Euro Mehreinnahmen bescheren.
Wohnungsbau als Sorgenkind
„Wer nicht erbt, der ist selbst schuld“, überspitzte Clement zudem eine Aussage des Premierministers Xavier Bettel (DP) und brachte mit dem Spruch die Wohnungsbaupolitik der aktuellen Regierung auf den Punkt. „Wir müssen dichter und höher bauen. Alternative Projekte müssen gefördert werden, anstatt dieselben Ideen jahrelang wiederholt auf den Tisch zu legen.“
Die Rede des ukrainischen Präsidenten Selenskyj im Luxemburger Parlament ließ Clement zudem nicht unerwähnt. Er drückte seine Solidarität gegenüber der Ukraine aus und warnte Parteimitglieder vor pro-russischer Propaganda: „Die Ukraine ist ein demokratisches und europäisches Land. Wer was anderes behauptet, dem müssen wir widersprechen und Aufklärung betreiben“, so Clement. FJ