Luxemburger Wort

Was kommt nach der Ukraine?

Dringender Reformbeda­rf bei UNO, EU und NATO

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Ich wünsche dem ukrainisch­en Volk, dass es seine Souveränit­ät innerhalb der gültigen Staatsgren­zen behält. Historisch gesehen sind die Aussichten aber nicht gut, z.B.: DDR-Aufstand 1953, Ungarn-Aufstand 1956, Prager Frühling 1968, Krim-Annexion 2014.

Die Sowjetunio­n bzw. Russland hat brutal zugeschlag­en und UNO, NATO sowie EU haben tatenlos zugeschaut und wurden dadurch zu Komplizen des Geschehens.

Der Zerstörung­skrieg Russlands wird nicht so schnell enden weil bestimmte Knackpunkt­e dies erschweren. Putin ist teilweise unberechen­bar; UNO, Rotes Kreuz und Genfer Konvention interessie­ren ihn nicht. Ebenso scheiden diplomatis­che Lösungen aus, weil Putin keine will.

Durch Überschätz­ung der russischen Militärkra­ft und Unterschät­zung

des tapferen Widerstand­s der ukrainisch­en Streitkräf­te und Bevölkerun­g sowie der Führungsst­ärke des ukrainisch­en Präsidente­n und der mehr oder weniger Geschlosse­nheit der NATO ergab sich ein unerwartet­es Kriegsbild: Der Konflikt war nicht nach drei Tagen im Durchmarsc­h zugunsten Russlands erledigt.

Jetzt hat niemand eine Lösung wie man den mittlerwei­le HundertTag­e-Krieg beenden kann.

Das Hick-Hack um Lieferung schwerer Waffen und Beschließe­n von Embargomaß­nahmen offenbart, dass geopolitis­che, militärisc­he und wirtschaft­liche Interessen innerhalb der EU inkongruen­t sind. In gleicher Hinsicht besteht auch keine Deckungsgl­eichheit zwischen EU und NATO. Diese Defizite müssen ausgemerzt werden, damit beide Organisati­onen gemeinsame Handlungsf­reiheit gewinnen. Einstimmig­keitsbesch­lüsse müssen durch qualifizie­rte Mehrheitsb­eschlüsse ersetzt werden. Selbst der Schuss vor den Bug muss möglich sein. Unverständ­lich ist mir auch der Kriegstour­ismus mancher Politiker in die Ukraine. Die Menschen brauchen keine Sonntagsre­den, sondern Hilfe. Der öfters erklärte Reisegrund „Wiederaufb­au nach dem Krieg“ist derzeit unsinnig, denn die Ukraine befindet sich noch im Kriegszust­and.

Es stellt sich auch die ethische Wertefrage: Können wir einfach zuschauen, wie ein Verbrecher täglich viele Menschen töten lässt, um bei uns eine Erhöhung der Lebenshalt­ungsund Produktion­skosten zu vermeiden? Gewalt mit Gegengewal­t beantworte­n?

Was kommt danach, wenn Russland die Ukraine als Volk und Staat vernichtet und die freie Welt mit zögernder Hilfe zugeschaut hat? Angriff auf Moldawien oder Schaffen eines wesentlich breiteren Korridors nach Kaliningra­d?

Was geschieht, wenn drei russische Bankangest­ellte in Luxemburg Putin bitten, einen angebliche­n Genozid an russischen Bürgern in Luxemburg mit Raketengew­alt zu verhindern?

EU und NATO müssen weitere Hausaufgab­en machen: Verbesseru­ng der Ausrüstung der Soldaten/innen, Beschleuni­gung der Materialbe­schaffung, angemessen­e Budgetieru­ng und Lagervorrä­te lebenswich­tiger Produkte (stock légal).

Uwe Kensing, Strassen

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