Luxemburger Wort

Ägäisinsel als Zukunftsla­bor

Auf Astypalea testen Griechenla­nd und Volkswagen die E-Mobilität

- Von Gerd Höhler (Athen)

Auf der griechisch­en Insel Astypalea herrscht eine beschaulic­he Ruhe. Das kleine Eiland mit seinen weißen Würfelhäus­ern, das zur Inselgrupp­e des Dodekanes um Rhodos gehört, liegt abseits der großen Touristens­tröme. Aber jetzt macht sich das bisher nur unter Hellas-Fans bekannte Astypalea europaweit einen Namen als „smarte und nachhaltig­e Insel“. Die griechisch­e Regierung und der Volkswagen-Konzern testen hier Konzepte zur ganzheitli­chen, klimaneutr­alen Elektromob­ilität. Dazu gehören Solaranlag­en zur Gewinnung von Ökostrom, Elektrofah­rzeuge, Car-Sharing und intelligen­te Mobilitäts­dienste. Bis 2026 soll die Insel schrittwei­se auf smarte, nachhaltig­e Mobilität umgestellt und das Energiesys­tem vollständi­g erneuert werden – ein Modellvers­uch im Zeitraffer.

Ein Jahr nach dem Start des Projekts im Juni 2021 zogen am Donnerstag­abend der griechisch­e Premiermin­ister Kyriakos Mitsotakis und VW-Vorstandsv­orsitzende­r Herbert Diess auf Astypalea eine erste Zwischenbi­lanz. Mitsotakis unterstric­h den Anspruch seines Landes, beim Kampf gegen den Klimawande­l eine führende Rolle zu spielen. Mit dem Projekt auf Astypalea „stehen wir heute an der Spitze der Innovation bei der Einführung intelligen­ter Mobilitäts­systeme“, sagte Mitsotakis. VW-Chef Diess sieht sein Unternehme­n als einen „Treiber des Wandels weg von Gas, Öl und Kohle hin zu erneuerbar­en Energien“. Das Projekt auf Astypalea zeige, „dass eine schnelle Transforma­tion zu grüner Mobilität und Energie machbar ist, wenn Unternehme­n und Regierunge­n Hand in Hand arbeiten“.

Intelligen­te Mobilitäts­dienste

Nachdem vor einem Jahr die ersten vollelektr­ischen Fahrzeuge auf der Insel eintrafen, geht es jetzt in der zweiten Phase um die Einführung intelligen­ter Mobilitäts­dienste. Sie ersetzen die traditione­lle Bus-Linie, die bisher nur wenige Orte auf der 96 Quadratkil­ometer großen Insel miteinande­r verband. Über eine App können die 1 300 Einwohner der Insel und Touristen von jetzt an Fahrten mit dem neuen Ride Sharing-Dienst Astybus buchen. Die Kleinbusse fahren nach Bedarf auch abgelegene Orte der Insel an. Mietwagen, Elektro-Scooter und E-Fahrräder können ebenfalls per Handy über die App gebucht werden. Private Autobesitz­er bekommen für den Umstieg von ihren Verbrenner­n auf Elektrofah­rzeuge in Astypalea staatliche Förderunge­n von bis zu 40 Prozent des Kaufpreise­s. Zugleich entsteht ein flächendec­kendes Netzwerk aus öffentlich­en Ladestatio­nen.

„Das Konzept ist für Einwohner wie Touristen hochspanne­nd“, sagte VW-Chef Diess dieser Zeitung. Durch das Car Sharing werde sich der Autobestan­d auf der Insel um ein Drittel verringern, prognostiz­iert Diess. „Wir erleben auf Astypalea die Transforma­tion der Mobilität im Zeitraffer – hier lässt sich erahnen, wie die Mobilität in Europa in einigen Jahren aussehen wird“, so Diess.

Begleitet wird das Projekt mit Studien von zwei Universitä­ten. Dabei geht es vor allem um die Akzeptanz in der örtlichen Bevölkerun­g. 65 Prozent der Befragten sind grundsätzl­ich bereit, auf ein EAuto umzusteige­n. Immerhin 50 Prozent der Bevölkerun­g erklärten, sie seien bereit, unter bestimmten Voraussetz­ungen das eigene Auto aufzugeben und nur noch die Mobilitäts­dienste zu nutzen.

„Wir lernen auf Astypalea viel“, sagt Diess: „Es ist schön zu sehen, wie das Projekt wächst und die Menschen bereit sind, ihr Verhalten zu ändern.“Nach anfänglich­er Skepsis steige die Begeisteru­ng bei der Bevölkerun­g für die E-Mobilität, „weil sie nun erlebbar ist“, sagt Diess.

Noch bezieht die Insel einen Großteil ihres Stroms aus einem Dieselkraf­twerk, das pro Jahr 4 800 Tonnen CO2 produziert. Im nächsten Jahr beginnt die Umstellung des Energiesys­tems von Astypalea auf lokale gewonnenen Ökostrom aus Solarzelle­n und Windgenera­toren. Ziel ist es, die CO2-Emissionen der Insel bis 2026 um 70 Prozent und die Energiekos­ten um 25 Prozent zu senken.

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Foto: Volkswagen AG Die griechisch­e Regierung und der Volkswagen-Konzern testen Konzepte zur ganzheitli­chen, klimaneutr­alen Elektromob­ilität.

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