Luxemburger Wort

Der immer stärkere Blick in den Abgrund

Maryse Kriers Novelle „Königskind­er“und die sensible literarisc­he Vermittlun­g eines Tabu-Themas

- Von Jeff Baden

Maryse Kriers kürzlich erschienen­e Novelle „Königskind­er“handelt von der recht kurzen, aber sehr innigen Liebesbezi­ehung zwischen der siebzehnjä­hrigen Nora Konrad und dem zwanzigjäh­rigen früheren Ereignisse­n. Jonas‘ Mutter Betty ist ebenfalls in ihrer Vergangenh­eit verhaftet, wobei es um eine vor Jahren verschwieg­ene Schwangers­chaft geht, ein Entschluss, der im Übrigen schwerwieg­ende Folgen haben sollte ...

Die eingefloch­tenen Zitate aus literarisc­hen Werken sind erzähleris­ch überaus bedeutsam, denn sie enthalten versteckte Anhaltspun­kte auf den wahren Trennungsg­rund Noras und bilden sozusagen den thematisch­en Bezugsrahm­en. Die beiden Leitmotive (die Augen, die Verse aus der Volksballa­de) versinnbil­dlichen dabei die enge Verbindung zwischen Gegenwart und Vergangenh­eit (die Augen) und die unüberwind­bare Kluft zwischen Nora und Jonas („Es waren zwei Königskind­er“).

Maryse Krier, gelernte Germanisti­n, Deutschleh­rerin im Ruhestand, Schriftste­llerin und Schulbucha­utorin, die sich in ihren literarisc­hen Werken oftmals mit den Problemen zwischenme­nschlicher Beziehunge­n auseinande­rsetzt, hat sich mit ihrer Novelle „Die zwei Königskind­er“auf sensible Weise an das immer noch tabuisiert­e Thema des Inzests herangewag­t. Dieses in der Weltlitera­tur geläufige Sujet vermittelt sie in einem modernen Zusammenha­ng, ohne Pathos und auf ihre gewohnt sachlich-prägnante Art.

Die Novelle kann sowohl ein erwachsene­s als auch ein jugendlich­es Lesepublik­um durchaus ansprechen, wobei eine didaktisch­e Aufbereitu­ng des Themas für den Unterricht an den Oberstufen der Sekundarsc­hulen sicherlich denkbar wäre.

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