Agieren statt reagieren
Das Rote Kreuz stellt seine Strategie für die nächsten zehn Jahre vor
Ob Gesundheitskrise oder Ukraine-Krieg – das Rote Kreuz handelt eher reaktiv als präventiv. So lautet die Erkenntnis des Generaldirektors des Luxemburger Roten Kreuzes, Michel Simonis. Deshalb soll mit Blick auf die Zukunft ein Strategieplan bis 2030 richtungsgebend die Gebiete festsetzen, auf die das Rote Kreuz vermehrt einen positiven Einfluss ausüben möchte: Wohnen, Gesundheit, Jugend, Krisen, Internationales und Freiwilligenarbeit. Probleme der Menschen, die der Politik durch die Maschen gefallen sind, erkenne man als Prioritäten der nächsten Jahre an. Im Kontext dieses Strategieplans wolle man der Wohnungskrise durch die Förderung alternativer Wohnformen entgegenwirken und das Angebot an psychosozialer Betreuung für Kinder und Jugendliche ausbauen.
Gerade die Problematik rund um das Wohlergehen der Jüngeren während der Pandemie habe aufgezeigt, wie weitreichend die Folgen einer solchen Krise sein können. „Wir befinden uns in einem Kontext, in dem eine Krise auf die andere folgt. Covid-19 war nicht nur eine Gesundheitskrise. Sie hat soziale und psychologische Folgen, die wir erst jetzt voll und ganz erkennen können“, schlussfolgert Simonis.
Mit Blick auf das Jahr 2021 zeigt sich der Generaldirektor mit der Bilanz der Organisation zufrieden. Durch den Solidaritätsfonds zur Deckung der Grundbedürfnisse von Menschen in Notlagen habe man 2021 mit insgesamt 321 291 Euro 45 Prozent mehr Hilfen als im Jahr davor vergeben.
Zudem hat die Abteilung für Migranten und Flüchtlinge die Anzahl an Aufnahmestrukturen für Menschen mit temporärem und internationalem Schutz im vorigen Jahr um 14 Prozent erhöht. 18 stehen nun zur Verfügung; 3 022 Menschen wurden darin untergebracht.
Dass der Ukraine-Krieg die Lage in diesem Jahr verschärfen sollte
Michel Simonis: Das Rote Kreuz bleibt ein Krisenakteur.
und mehr Aufnahmestrukturen benötigt werden, bestätigt Nadine Conrardy, Direktorin der Abteilung „Action et Santé sociales“. 670 Geflüchtete seien in den Aufnahmestrukturen des Roten Kreuzes bis dato untergekommen und 215 an Gastfamilien weitervermittelt worden. „Das sind Familien, die ihre Hilfe angeboten haben, sei es in Form von Wohnraum, Zeit, Ausrüstung oder finanziellen Spenden. Sie haben eine echte und willkommene Solidarität bewiesen“, betont Conrardy.
Seit zehn Jahren in der Ukraine tätig
In der Ukraine leistet das Rote Kreuz bereits seit zehn Jahren Hilfe vor Ort, vor allem im Donbass. 24 Tonnen Lebensmittel, 49 Tonnen Hygieneartikeln und 29 Tonnen an medizinischem Material seien bis dato vom Roten Kreuz in die Ukraine geliefert worden. Hier möchte die Organisation wiederum vorausdenken und die Weichen für einen Wiederaufbau stellen: „Es ist auch sehr wichtig, bereits jetzt an den Wiederaufbau der Infrastruktur zu denken. Diesbezüglich werden wir uns auf die Region Kiew und insbesondere auf ihre Krankenhausinfrastruktur konzentrieren“, kommentierte der Leiter der humanitären Hilfe des luxemburgischen Roten Kreuzes, Rémi Fabri, die bisher geleistete
Hilfe für die ukrainische Bevölkerung.
600 Neueinstellungen für 2022 geplant
Um den reibungslosen Ablauf der über 50 verschiedenen Dienste des Roten Kreuzes zu garantieren, waren 2021 2 892 Mitarbeiter bei der Organisation angestellt. 217 Personen wurden im Vorjahr eingestellt, was einen Zuwachs von acht Prozent der Personalstärke ausmacht. 600 Neueinstellungen sind für das Jahr 2022 vorgesehen, um weiterhin für die Aufnahme ukrainischer Geflüchteter gewappnet zu bleiben.
Während der Coronakrise habe die Organisation es geschafft zu vermeiden, dass die Personalstärke gekürzt wird. Anstatt Mitarbeiter in Teilzeit- oder Heimarbeit zu entlassen, habe man Bereiche, die im Laufe der Pandemie auf mehr Unterstützung angewiesen waren, mit Personal ausgestattet, deren eigentliche Aktivität aufgrund des Lockdowns stillgelegt wurde.
Luxemburger Gesellschaft zeigt sich solidarisch
„Wir haben bei vielen Gelegenheiten unsere Reaktionsfähigkeit und Flexibilität bewiesen“, lobte Simonis die Vorgehensweise der Organisation. Zusätzlich sei die Hilfe der vielen Freiwilligen in Krisenzeiten ein für die Luxemburger Gesellschaft repräsentatives Solidaritätsbekenntnis, das die Organisation bis dato stark entlastet habe: „Als es eine Knappheit an Blutkonserven gab, haben wir einen Spendenaufruf gestartet. Innerhalb eines Monats haben sich mehr Menschen als im ganzen vergangenen Jahr bei uns bezüglich einer Spende gemeldet“, so Simonis.
Zudem hätten 120 Personen mit Beginn des Ukraine-Krieges das Rote Kreuz kontaktiert, um ihre Unterstützung anzubieten. Trotz dieser Solidarität arbeite man mit Blick auf den neuen Strategieplan daran, die zur Verfügung stehenden Ressourcen der Organisation bestmöglich einzusetzen, um im Falle weiterer Krisen noch handlungsfähiger zu sein.