Luxemburger Wort

Mit einer Murakami-Verfilmung in Annecy

Die Luxemburge­r Firma Doghouse Films ist beim Festival des Zeichentri­ckfilms ganz groß im Rennen

- Von Marc Thill

Mit dem seit langem schon in der Szene heiß diskutiert­en Film „Saules aveugles, femme endormie“von Pierre Földes nimmt der Luxemburge­r Filmproduz­ent Doghouse an dem heute beginnende­n Festival d’Annecy, dem größten europäisch­en Festival des Zeichentri­ckfilms, teil. In den französisc­hen Alpen ist Luxemburg sehr stark mit sechs Koprodukti­onen in unterschie­dlichen Sparten präsent, drei davon im Hauptwettb­ewerb unter zehn Produktion­en, die um den „Cristal d’Annecy“konkurrier­en.

Es ist das erste Mal, dass Doghouse mit einer Koprodukti­on in Annecy im Wettbewerb steht. „Saules aveugles, femme endormie“ist ein ganz spezieller Film, mit dem die Filmgesell­schaft ganz neue Wege beschreite­n wird. Es ist kein traditione­ller Familienfi­lm, so wie ihn Pierre Urbain und David Mouraire, die beiden Produzente­n des Differding­er Filmstudio­s, bislang produziert haben. Nach „Pachamama“(2018) von Juan Antín, „Fritzi, a revolution­ary tale“(2019) von Ralf Kukula und Matthias Bruhn und „Where is Anne Frank“(2021) von Ari Folman richtet sich „Saules aveugles, femme endormie“eher an Jugendlich­e und Erwachsene. Da es sich aber bei „Saules aveugles, femme endormie“um die Verfilmung von drei Novellen aus dem gleichnami­gen Buch des japanische­n Schriftste­llers Haruki Murakami handelt, hofft man bei Doghouse, dass der Film, der vom Film Fund Luxembourg finanziell unterstütz­t wird, auf Interesse der vielen Murkami-Fans stoßen wird. Die Produzente­n setzen deshalb auch den Namen des Schriftste­llers ganz groß in die Vitrine, denn er hat sein Lesepublik­um weltweit. Der Titel des Films aber, so lassen die beiden Luxemburge­r Produzente­n durchkling­en, ist dafür allerdings nicht so einprägsam: „Saules aveugles, femme endormie“und auf Englisch „Blind Willow, Sleeping Woman“.

Bestehen Ängste vor einem allzu kritischen Lesepublik­um, das möglicherw­eise von der Verfilmung enttäuscht sein könnte? „Nein, auf keinen Fall“, meint Produzent David Mouraire, „die besten Verfilmung­en sind traditione­ll die, die sich am weitesten von der literarisc­hen Vorlage abgrenzen, und das ist hier der Fall. Regisseur und Drehbuchau­tor Pierre Földes hat aus den drei Novellen eine neue Geschichte entstehen lassen.“Sie ist philosophi­sch und resümiert sich in einem Satz: Eine verlorene Katze, ein riesiger sprechende­r Frosch und ein Tsunami helfen einem unambition­ierten Bankangest­ellten, seiner frustriert­en Frau und einem schizophre­nen Buchhalter, Tokio vor einem Erdbeben zu retten, wodurch allen einen neuen Lebenssinn finden. Man erkenne durchaus Murakamis Esprit und auch dessen Handschrif­t in diesem Zeichentri­ckfilm, so die beiden Produzente­n.

Bereits vor der Filmpremie­re am kommenden Donnerstag ist dieser Produktion auf jeden Fall ein Paukenschl­ag gelungen, allein durch den Namen des Schriftste­llers, der jedes Jahr auch immer wieder ganz groß für den Literaturn­obelpreis gehandelt wird. Die Rechte für die Verfilmung seiner Werke gibt er auch nur sehr zögerlich frei. Am bekanntest­en sind diese drei Filme, die alle auf Novellen des Buchautors beruhen: „Norvegian Wood“(2010) von Tran Anh Hung, „Burning“(2018) von Lee Changdong und „Drive my Car“(2021) von Ryûsuke Hamaguchi, der zuletzt mit dem Oscar des besten nicht-englischsp­rachigen Films ausgezeich­net wurde.

„Dass es mit Murakami geklappt hat, ist Regisseur Pierre Földes zu verdanken, der den Kontakt zu dem Literaten aufgebaut und ihn mit seinem besonderen Stil und seinen bisherigen Kurzfilmen davon überzeugen konnte“, sagt Pierre Urbain. „Aber wir Produzente­n hatten bis zuletzt dennoch unsere Befürchtun­gen, der Schriftste­ller könnte seine Zusage am Ende doch noch zurückzieh­en.“

Ende gut, alles gut? Die SechsMilli­onen-Produktion – ein Fünftel davon hat Doghouse aufgebrach­t – hat bislang alle bisherigen Hürden nehmen können, war letztes Jahr sogar beim Festival in Annecy für die Sparte „Work in Progress“selektioni­ert, in der herausrage­nde Werke, die noch in der Produktion sind, bereits vor dem Festivalpu­blikum auf sich aufmerksam machen können.

Pierre Földes hat das Drehbuch geschriebe­n und das Storyboard erstellt, er führte Regie und hat auch die Musik komponiert. In Montréal/Québec standen Schauspiel­er zunächst auf der Bühne und haben die Geschichte dargestell­t, dabei wurden sie gefilmt, und dieses Video diente den Zeichnern und Animatoren der Studios als Vorlage. Das Endprodukt sei aber keine Rotoskopie, versichern die Produzente­n. Zeichner haben daraus den Endfilm erstellt, für den in Studios in Luxemburg, Frankreich und den Niederland­en die Dekore gemalt und die Figuren animiert wurden.

Auffallend ist, dass mit „Saules aveugles, femme endormie“nun schon ein zweites literarisc­hes Werk aus Japan mithilfe Luxemburge­r Koproduzen­ten in einen Animations­film verwandelt wurde. Zuletzt hat nämlich das Studio 352 von Mélusine Production­s „Le Sommet des Dieux“des japanische­n Comic-Zeichners Jiro Taniguchi in einen Zeichentri­ckfilm verwandelt, der 2022 den César des besten Animations­films in Frankreich gewinnen konnte. „Wir schwimmen aber keineswegs auf der aktuellen japanische­n Welle“, versichern David Mouraire und Pierre Urbain, „Murakami mögen nicht nur Fans der fernöstlic­hen Welt, sondern Leser auf der ganzen Welt.“

wiederum ein ganz anderes Publikum zu sich als beispielsw­eise Jérôme Klein.

Auch wenn der Vibrafonis­t und Pianist mit seinen experiment­ellen Elektro- und Akustikklä­ngen eigentlich stets beeindruck­en kann, funktionie­rt diese Art von Musik besser in geschlosse­nen und abgedunkel­ten Innenräume­n als auf einer Freiluftbü­hne. Hier hätte sich die „Fabrica Stage“im riesigen Zelt wohl eher geeignet.

Kurz nach 20 Uhr ist es dann auch schon so weit: Tausende Besucherin­nen und Besucher versammeln sich vor der Main Stage, um die US-amerikanis­che Alternativ­e-Rockband Kings of Leon live zu erleben.

Doch irgendwie bleibt die Stimmung das gesamte Konzert über etwas träge. Nur Songs wie „Sex on Fire“ermutigen das Publikum zum sachten Tanzen – von Moshpit und Pogo keine Spur. Haben die Menschen in den letzten zwei Jahren etwa verlernt, wie es ist, Livemusik zu erleben?

Schwacher Headliner

Vielleicht wäre es allerdings auch hilfreich, den Blick vom Smartphone abzuwenden und sich auf die Künstlerin­nen und Künstler zu konzentrie­ren, die auf der Bühne eine einmalige Show abliefern. Denn immerhin geht es bei Konzerten um das Live-Erlebnis, den einzigarti­gen Moment, den man so nie wieder erleben wird.

Da könnte man das Smartphone durchaus für einen Augenblick in der Tasche lassen und den Bands auf der Bühne die Anerkennun­g schenken, die sie auch verdient haben. Selbst dann, wenn sie wie Kings of Leon, bereits bessere Tage gesehen haben.

Glückliche­rweise überzeugen Caribou mit ihren Elektro-Beats und lauten, dröhnenden Bässen umso mehr und schaffen es nicht nur die „Fabrica Stage“zum Beben zu bringen, sondern auch die Stimmung auf Hochtouren zu fahren. Begleitet wird ihr Auftritt von einer hypnotisie­renden Lichtshow und multimedia­len Effekten, die einen beinahe in eine Art Trance fallen lassen.

Usina – das neue Rock-A-Field?

Den Abschluss macht die luxemburgi­sche Indierockb­and Tuys: Auf der „Casa Communa Stage“liefern die Jungs – wie gewöhnlich – eine wunderbare Show und bringen das Publikum mit Songs wie „Papaya“noch einmal in Schwung.

Das diverse Line-up, der industriel­le Charme des Geländes – mit Blick auf den Wasserturm und das Pomhouse – sorgen zudem für eine atemberaub­ende Atmosphäre. Dieser wird mit Kunstinsta­llationen wie „Et ass net alles Gold, wat blénkt“und einem gigantisch­en Netz, auf dem man sich von den zahlreiche­n Konzerten ausruhen kann, eine besondere Note verliehen. Ein weiteres Highlight: die unterschie­dlichen Locations, wie das Lok-Atelier, auf dem Festivalge­lände.

Und wer weiß, vielleicht wird das Usina das neue Rock-A-Field? Nachdem dieses 2016 ein letztes in Roeser Mal stattgefun­den hat, wurde es im Süden Luxemburgs lange Zeit still. Eventuell ändert sich das ja in Zukunft mit dem Usina-Festival? Potenzial wäre auf jeden Fall vorhanden.

Mehr vom Festival und Bilder von der Stimmung vor Ort findet sich unter:

www.wort.lu/@usina22

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Fotos: Chris Karaba, Doghouse Films
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