Comeback mit Hindernissen
Die vierte Staffel der dänischen Polit-Serie „Borgen“ist voller aktueller Bezüge
Nach mehr als neun Jahren ist „Borgen“zurück. Die dänische Polit-Serie hatten viele Zuschauer lange vermisst, und das mindeste, was man nach dem nun auch dank Netflix ermöglichten Revival sagen kann, ist, dass das Comeback gelungen ist.
Die vierte Staffel hat es in sich und beschert ein Wiedersehen mit Sidse Babett Knudsen in der Rolle der in allen Tricks und Winkelzügen versierten dänischen Politikerin Birgitte Nyborg. Die seit ihrem Erststart 2010 mehrfach prämierte Serie hat sich definitiv als beste, weil realistischste Polit-Serie etabliert. Und gemäß den Zeichen der Zeit ist es eine Frau, die den einstigen, mittlerweile abgestürzten männlichen Überflieger Frank Underwood in den Schatten stellt.
Weshalb „Borgen“auch in der vierten Staffel überzeugen kann, liegt neben der gelungenen Figurenzeichnung vor allem in dem Umstand begründet, dass die Serie von ihrer Handlung her realistisch bleibt und nicht so überdreht, wie es bei „House of Cards“der Fall war.
Dieser Realismus liegt in seinem unmittelbaren Aktualitätsbezug, und so ist die über den Alltag in der dänischen Staatsburg Christiansborg hinausgehende internationale Welt auch schon jene, in der Russland die Ukraine überfallen hat, in der von europäischen Sanktionen die Rede geht und die USA mit China einen offenen Handelskrieg ausfechten.
Es sind die Realitäten, mit denen Birgitte Nyborg nun als dänische Außenministerin zu tun bekommt. Die einstige Premierministerin muss sich erst in ihrer neuen Rolle zurechtfinden und begegnet dabei so manchen Widrigkeiten, die sie fachlich und persönlich auf eine harte Probe stellen. Und so erlebt sie – im Gegensatz zu Sidse Babett Knudsen – ein Comeback mit Hindernissen.
Vor neuen Herausforderungen
Nicht nur, dass sie sich mit der Rolle der Außenministerin unter einer neuen Premierministerin abfinden muss, mit der sie bald in einen Machtkampf gerät, auch ihr Beraterstab hat sich geändert, ihr geschiedener Mann wird wieder Vater, Sohn Magnus ist aus der Wohnung ausgezogen und sorgt durch seinen Umweltaktivismus für negative Schlagzeilen und zu allem Überfluss spürt sie, dass sie auch als Frau älter und einsamer wird.
Hinter der äußeren Schale der durch nichts aus der Fassung zu bringenden Politikerin offenbaren sich Schwäche und Verletzlichkeit, die der Figur Birgitte Nyborg eine zunehmende menschliche Dimension verleihen und somit umso mehr die Brutalität der politischen Regeln und Ränkespiele verdeutlichen.
Die Probleme der neuen Außenministerin beginnen mit der unverhofften Entdeckung eines immensen Erdölvorkommens vor dem zum dänischen Reichsgebiet gehörenden, aber in Rohstofffragen autonomen Grönland. Das anfänglich nationale Problem, das Nyborg in alter Manier eigenhändig regeln wollte, gerät aus dem Ruder.
Bald schon mischen sich ein russischer Oligarch, dann China und die USA in das Geschäft ein, und der neuen dänischen Außenministerin wird nur allzu deutlich vorgeführt, wie eng die Grenzen ihres politischen Handelns gesteckt sind, wenn erst einmal die geopolitischen Interessen der Weltmächte geweckt sind.
Sie macht Fehler, belügt das Parlament, brüskiert die grönländische Regierung, verliert immer häufiger die Fassung, ihre Umfragewerte sinken, und die Parteibasis bröckelt weg.
Doch während ihre frühere Pressechefin Katrine Fønsmark (Birgitte Hjort Sørensen) nun als in ihrem Amt überforderte Chefredakteurin von TV1 ihr das Leben schwer macht, findet sie in ihrem neuen Arktisbotschafter Asgar Holm Kirkegard (Mikkel Boe Følsgaard) einen wichtigen Vertrauten und Helfer. Und plötzlich bietet sich sogar der einstige, mit allen Wassern gewaschene Rivale Michael Laugesen (Peter Mygind) in einem kritischen Moment als Alliierter an.
So hält auch die vierte Staffel von „Borgen“das, was die früheren versprachen: eine realistische und gleichsam spannende und bewegende Erkundung einer politischen Welt, die einstmals eine Männerdomäne war und nun, dank der sehr überzeugenden und nahe gehenden Darbietung von Sidse Babett Knudsen in der Rolle der Birgitte Nyborg, in ihrer weiblichen Prägung vielleicht etwas anschaulicher und berührender, aber dafür nicht fundamental besser geworden ist.
Die vierte Staffel „Borgen – Macht und Ruhm“ist in acht Episoden auf Netflix abrufbar.