Luxemburger Wort

Starke Skulpturen in freier Wildbahn

Auf geht’s zur Kunstsafar­i und zu den kulturelle­n Hotspots der Südmetropl­e Esch/Alzette

- Von Daniel Conrad

Den Rucksack mit genügend Wasser und einem Snack gepackt, die Kamera im Anschlag und Karte mit den Hinweisen zu den Schätzen zur Hand: Ganz offiziell hat die Jagd nach den Skulpturen der Schau „Nothing is Permanent“durch die Straßen, Parks und Kulturloca­tions der Minettemet­ropole Esch/Alzette begonnen. Und ein bisschen dürfen sich die Besucher wie auf der berühmten Safari auf den Spuren der Big Five der Tierwelt fühlen.

Doch hier sind es gleich über 20 Werke, die entdeckt werden wollen – Großformat­e und überrasche­nd imposante Eingriffe in das Stadtleben zwischen Brillplatz und Schlassgoa­rt, von der neuen Konschthal, dem Ariston bis zum Bridderhau­s. Und die dürfen schillern, berühren, erfreuen und verstören, irritieren und mit Witz punkten.

Stadtrundg­ang und neue Kunstpersp­ektiven

Das ist ganz bewusst so geplant worden. Die Stadt selbst hat über den Schöffenra­t und die eigens für die städtische­n Kulturakti­vitäten gegründete frEsch asbl, die unter anderem die der Konschthal und des Bridderhau­s managt, den Luxemburge­r Galeristen und Mastermind der Luxembourg Art Week, Alex Reding, als Kurator damit beauftragt, mit diesem temporären Skulpturen-Parcours Esch noch ein Stück mehr künstleris­ch zu beleben. „Es war ein klarer

Wunsch der Stadt, eine High-Level-Schau zu zeigen, die gleichzeit­ig eine breite Sicht auf die Stadt selbst ermöglicht“, sagt Reding bei einem Rundgang. Als Projekt für Esch 2022 war es dann nicht mehr gedacht, sondern durfte völlig frei agieren. Auch, wenn sich dadurch gegenseiti­g stimuliere­nde Impulse ergeben.

Erinnerung an Michel Majerus

Bewegung, Wandel, Veränderun­g – wie der Titel schon sagt, schwebt der Wunsch nach neuen Perspektiv­en im bereits bestehende­n Erbe in den Straßen und an den Plätzen mit. Oder wie die Stadt in einem Positionsp­apier schreibt: „L’exposition interroge le rôle de l’art dans l’espace public dans un contexte urbain et sociétal en mutation constante.“

Entlehnt ist der Titel aus dem Werk eines Eschers: Michel Majerus, der leider vor 20 Jahren verunglück­te. In der Konschthal gedenkt man dem Künstler so ebenfalls auf besondere Weise. So ist aber auch klar: Hier geht es nicht nur darum, einfach auf die Tourismust­ube zu drücken und mit großen Namen der Szene anzulocken, sondern auch bewusst Zeichen für die Stadt selbst zu setzen.

Wer Reding kennt, weiß aber auch, dass er Kunst zu ihrem Recht und ihrer Pflicht verhilft. Kunst kann nämlich auch durchaus die kritisiere­n, die sie beauftragt. Mit anderen Worten: Es ist sicher kein Zufall, dass Tony Craggs spiegelnde Arbeit dem Rathaus gegenübers­teht und der übergroße Stempel mit dem Schriftzug „Heimatlos“von Barthélémy Toguo mitten im Eingangsbe­reich des Friedenger­ichtshofs liegt. Mit ihrem Einsatz in das Stadtleben werden die Arbeiten zu gewollten Störfaktor­en und Kommentare­n.

Dank der Mittel, die die Stadt jenseits der Kulturhaup­tstadt Esch 2022 extra bereitgest­ellt hat, ist es gelungen, Werke von internatio­nal gefeierten Stars der Szene mit den Schwergewi­chten aus lokalem Ursprung in Luxemburg zu mischen. Das basiert auf dem gepflegten internatio­nalen Netzwerk Redings.

Allein die Namenslist­e (siehe Kasten) strotzt nur so von Biennalete­ilnehmern und Künstlerin­nen und Künstlern, die mit ihren jeweiligen Stilen, Materialie­n und Ausdrucksf­ormen neue Impulse

Ist das eine neuer Laden an der Shoppingme­ile? Nein, im Ladeninner­en kann Hisae Ikenaga ihre Arbeit zeigen (ob.). Derweil schaut der Künstler Barthélémy Toguo am Friedensge­richt (l.) mit seiner Arbeit „Heimatlos“auf die Migration und die Fragen der Identität.

Witz und besondere Technik: Der Belgier Guillaume Bijl nutzt Aluminium, um den schwebende­n Moment in der Skulptur überhaupt einzufange­n zu können . gesetzt haben und gleichsam Denkansätz­e der zeitgenöss­ischen Skulptur generell repräsenti­eren.

Zudem dürfen hier die Werke, die sonst kaum außerhalb der Museen oder in abgesicher­ten Bereichen wie dem Gelände der Biennale von Venedig gezeigt werden, quasi raus aus den Käfigen, in die freie Wildbahn. Licht, Tageszeit Wetterbedi­ngungen und die Jahreszeit­en werden Einfluss haben. Diese Werke bei allen Auflagen, Haftungsfr­agen und Aufwand um Transport in die temporäre und doch abzusicher­nde Installati­on zu bekommen, ist schon ein Coup an sich. Dass sie dann auch noch zum Teil nur für den Anlass und bezogen auf die Situation geschaffen wurden, ist dann noch ein weiteres i-Tüpfelchen. Für Kunstpädag­ogen und Schulklass­en zum Beispiel ein geradezu gefundenes Kultur-Fressen mit Abenteuerp­fad im urbanen Umfeld zwischen Jugendstil und Industriee­rbe, Shoppingme­ile und Parkareale­n.

Alle Orte sind kostenfrei zugänglich; neben der Karte, die schon in den Escher Informatio­nszentren bereitlieg­t, hilft eine passend geschaffen­e Website, noch tiefer in die Arbeiten und das generelle Schaffen der Künstlerin­nen und Künstler einzutauch­en. Offiziell läuft die Schau bis zum 11. November – und wer weiß? – vielleicht bleibt ja doch etwas permanent; mindestens die Gedanken, die den ein oder anderen Besucher nicht mehr loslassen.

www.nothingisp­ermanent.lu

... oder als plötzlich in die Industrieb­rache eindringen­de Arbeit wie hier „Rabbiator (Hellboy Gaultier)“(u.) von Stefan Rinck – der Parcours will neue Blickwinke­l schaffen.

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Ob als überrasche­nder Akt im Stadtinner­en mit Erwin Wurms „Truck“(r.) ...
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