Starke Skulpturen in freier Wildbahn
Auf geht’s zur Kunstsafari und zu den kulturellen Hotspots der Südmetrople Esch/Alzette
Den Rucksack mit genügend Wasser und einem Snack gepackt, die Kamera im Anschlag und Karte mit den Hinweisen zu den Schätzen zur Hand: Ganz offiziell hat die Jagd nach den Skulpturen der Schau „Nothing is Permanent“durch die Straßen, Parks und Kulturlocations der Minettemetropole Esch/Alzette begonnen. Und ein bisschen dürfen sich die Besucher wie auf der berühmten Safari auf den Spuren der Big Five der Tierwelt fühlen.
Doch hier sind es gleich über 20 Werke, die entdeckt werden wollen – Großformate und überraschend imposante Eingriffe in das Stadtleben zwischen Brillplatz und Schlassgoart, von der neuen Konschthal, dem Ariston bis zum Bridderhaus. Und die dürfen schillern, berühren, erfreuen und verstören, irritieren und mit Witz punkten.
Stadtrundgang und neue Kunstperspektiven
Das ist ganz bewusst so geplant worden. Die Stadt selbst hat über den Schöffenrat und die eigens für die städtischen Kulturaktivitäten gegründete frEsch asbl, die unter anderem die der Konschthal und des Bridderhaus managt, den Luxemburger Galeristen und Mastermind der Luxembourg Art Week, Alex Reding, als Kurator damit beauftragt, mit diesem temporären Skulpturen-Parcours Esch noch ein Stück mehr künstlerisch zu beleben. „Es war ein klarer
Wunsch der Stadt, eine High-Level-Schau zu zeigen, die gleichzeitig eine breite Sicht auf die Stadt selbst ermöglicht“, sagt Reding bei einem Rundgang. Als Projekt für Esch 2022 war es dann nicht mehr gedacht, sondern durfte völlig frei agieren. Auch, wenn sich dadurch gegenseitig stimulierende Impulse ergeben.
Erinnerung an Michel Majerus
Bewegung, Wandel, Veränderung – wie der Titel schon sagt, schwebt der Wunsch nach neuen Perspektiven im bereits bestehenden Erbe in den Straßen und an den Plätzen mit. Oder wie die Stadt in einem Positionspapier schreibt: „L’exposition interroge le rôle de l’art dans l’espace public dans un contexte urbain et sociétal en mutation constante.“
Entlehnt ist der Titel aus dem Werk eines Eschers: Michel Majerus, der leider vor 20 Jahren verunglückte. In der Konschthal gedenkt man dem Künstler so ebenfalls auf besondere Weise. So ist aber auch klar: Hier geht es nicht nur darum, einfach auf die Tourismustube zu drücken und mit großen Namen der Szene anzulocken, sondern auch bewusst Zeichen für die Stadt selbst zu setzen.
Wer Reding kennt, weiß aber auch, dass er Kunst zu ihrem Recht und ihrer Pflicht verhilft. Kunst kann nämlich auch durchaus die kritisieren, die sie beauftragt. Mit anderen Worten: Es ist sicher kein Zufall, dass Tony Craggs spiegelnde Arbeit dem Rathaus gegenübersteht und der übergroße Stempel mit dem Schriftzug „Heimatlos“von Barthélémy Toguo mitten im Eingangsbereich des Friedengerichtshofs liegt. Mit ihrem Einsatz in das Stadtleben werden die Arbeiten zu gewollten Störfaktoren und Kommentaren.
Dank der Mittel, die die Stadt jenseits der Kulturhauptstadt Esch 2022 extra bereitgestellt hat, ist es gelungen, Werke von international gefeierten Stars der Szene mit den Schwergewichten aus lokalem Ursprung in Luxemburg zu mischen. Das basiert auf dem gepflegten internationalen Netzwerk Redings.
Allein die Namensliste (siehe Kasten) strotzt nur so von Biennaleteilnehmern und Künstlerinnen und Künstlern, die mit ihren jeweiligen Stilen, Materialien und Ausdrucksformen neue Impulse
Ist das eine neuer Laden an der Shoppingmeile? Nein, im Ladeninneren kann Hisae Ikenaga ihre Arbeit zeigen (ob.). Derweil schaut der Künstler Barthélémy Toguo am Friedensgericht (l.) mit seiner Arbeit „Heimatlos“auf die Migration und die Fragen der Identität.
Witz und besondere Technik: Der Belgier Guillaume Bijl nutzt Aluminium, um den schwebenden Moment in der Skulptur überhaupt einzufangen zu können . gesetzt haben und gleichsam Denkansätze der zeitgenössischen Skulptur generell repräsentieren.
Zudem dürfen hier die Werke, die sonst kaum außerhalb der Museen oder in abgesicherten Bereichen wie dem Gelände der Biennale von Venedig gezeigt werden, quasi raus aus den Käfigen, in die freie Wildbahn. Licht, Tageszeit Wetterbedingungen und die Jahreszeiten werden Einfluss haben. Diese Werke bei allen Auflagen, Haftungsfragen und Aufwand um Transport in die temporäre und doch abzusichernde Installation zu bekommen, ist schon ein Coup an sich. Dass sie dann auch noch zum Teil nur für den Anlass und bezogen auf die Situation geschaffen wurden, ist dann noch ein weiteres i-Tüpfelchen. Für Kunstpädagogen und Schulklassen zum Beispiel ein geradezu gefundenes Kultur-Fressen mit Abenteuerpfad im urbanen Umfeld zwischen Jugendstil und Industrieerbe, Shoppingmeile und Parkarealen.
Alle Orte sind kostenfrei zugänglich; neben der Karte, die schon in den Escher Informationszentren bereitliegt, hilft eine passend geschaffene Website, noch tiefer in die Arbeiten und das generelle Schaffen der Künstlerinnen und Künstler einzutauchen. Offiziell läuft die Schau bis zum 11. November – und wer weiß? – vielleicht bleibt ja doch etwas permanent; mindestens die Gedanken, die den ein oder anderen Besucher nicht mehr loslassen.
www.nothingispermanent.lu
... oder als plötzlich in die Industriebrache eindringende Arbeit wie hier „Rabbiator (Hellboy Gaultier)“(u.) von Stefan Rinck – der Parcours will neue Blickwinkel schaffen.