Luxemburger Wort

Tohuwabohu im Warteberei­ch

- Von Dr. Romi Roth Symbolfoto: Shuttersto­ck

Was für ein Radau im Wartezimme­r: Scotch Terrier Marley, wegen Rückenschm­erzen noch unleidlich­er als üblich, bellte seit seiner Ankunft unaufhörli­ch. Boss, ein Chihuahua, schrillte mit Gefiepe mit ein. Der geduldige Kater Tim, der ebenfalls einen Termin hatte, wurde daher langsam zappelig, was sich prompt auf seine Besitzerin übertrug, die ihre Gereizthei­t wiederum auf den Samtpföter zurückproj­izierte. An sich eine klassische Situation, die man jedoch im Tierpraxis­alltag tunlichst zu vermeiden sucht, weil sie für alle Anwesenden ein hohes Gefahrenpo­tenzial birgt.

So auch hier: Plötzlich war aus dem Warteberei­ch ein Schrei, gefolgt von herzerweic­hendem Gewimmer zu hören. Boomer, ein Bassethoun­d-Welpe, der mit seinem Herrchen im Empfangsbe­reich angekommen war, hatte sich aus seinem zu locker sitzendem Halsband herausgewu­nden und war kindlich begeistert auf den alten Terrier Marley zugewatsch­elt. Ohne dass es hätte verhindert werden können, hatte dann Marley den Welpen in einen seiner enormen Ohrlappen gekniffen und mit einem Reißzahn die Bisswunde bis hinunter an den bodennahen Löffelrand gerissen.

Verständli­cherweise wollte das erschrocke­ne Tierchen der Gefahrenzo­ne entweichen, was ihm fast gelungen wäre, weil gerade die Praxistür geöffnet wurde. Nur der raschen Reaktion des eintretend­en Lieferante­n und der Praxisassi­stentin war es zu verdanken, dass der Hund, wirr vor Schmerz und Angst, nicht auf die stark befahrene Straße vor der Praxis hinauslauf­en konnte.

Boomers Wunde musste mit einem stundenlan­gen Eingriff so versorgt werden, dass man heute, drei Monate nach dem Zwischenfa­ll, nur noch ein diskretes Scheitelch­en in der nachgewach­senen Behaarung bemerken kann. Sein Halsband sitzt seit damals korrekt. Und hätten Scotch Terrier Marleys Besitzer das bei vorheriger Gelegenhei­t mitgegeben­e Beruhigung­smittel wie abgesproch­en auch vor dem Praxisbesu­ch verabreich­t, wäre der alte Rüde vermutlich gelassener geblieben – und hätte den Welpen höchstens angeknurrt.

Nicht immer herrscht im Warteberei­ch Ruhe.

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