Kann die Erde uns alle ernähren?
Die aktuelle Krise um den Krieg in der Ukraine hat die Welt verändert, die geopolitischen Machtverhältnisse zwischen Ost und West werden neu aufgemischt. Wirtschaftliche Konsequenzen manifestieren sich an allen Ecken und Kanten. Auch die weltweite Lebensmittelversorgung wird mit großer Sorge verfolgt und sogar in Luxemburg kann man Hamsterkäufe bei Weizenmehl und Sonnenblumenöl beobachten, trotz Versicherungen seitens der Politik und des Handels, dass unsere nationale Lebensmittelversorgung nicht in Gefahr sei.
Für uns in den westlichen Wohlfahrtsstaaten sind es vor allem die steigenden Energie- und Lebensmittelpreise, die uns Zukunftssorgen bereiten. Für unsere ökonomisch benachteiligten Mitbürger/innen ist dies sicherlich ein echtes Problem, für die Menschen im globalen Süden bedeutet es jedoch den Kampf ums Überleben und wie man dem Hunger entrinnen kann. Die Frage, wie wir die Weltbevölkerung jetzt nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine ernähren sollen, besonders in Zeiten des demografischen Wandels, ist gesamtgesellschaftlich aufgeflammt.
Der Satz „viel hilft auch viel“
stimmt hier nicht
In ersten Reaktionen und Debatten forderten konservative Politiker und Bauernvertreter, dass Auflagen und Programme zugunsten von Umweltleistungen und mehr Ökologie in der Landwirtschaft über Bord geworfen werden sollten, in der Erwartung, auf diesen Flächen mehr produzieren zu können. Es stellte sich jedoch schon bald heraus, dass zum Beispiel in Luxemburg und auch in der EU nur wenige Hektar dafür geeignet wären und dass das Produktionspotenzial äußerst gering sei.
Mehr Düngen oder Spritzen sind auch keine Option, da die Pflanzenbausysteme bereits so effizient entwickelt und ausgereizt wurden, dass wir uns bei Weizen, Mais oder Gras bereits an der oberen Kante des abnehmenden Ertragszuwachses bewegen. Der Satz „viel hilft auch viel“stimmt hier nicht. Außerdem sind die mineralischen Dünger und Futtermittel, die zugekauft werden müssen, seit dem Ausbruch des Krieges um ein Vielfaches teurer geworden, so dass noch mehr auf optimale Produktionsbedingungen geachtet wird.
Wie wir die Weltbevölkerung in Zukunft ernähren können, vermag niemand eindeutig zu beantworten, spielen hier doch sehr viele Faktoren mit. Auch nach den doch relativ kurzen, nicht nachhaltigen Erfolgen der grünen Revolution – mit Düngeund Pflanzenschutzmitteln und ertragsstarkem Saatgut von großen multinationalen Konzernen –, leiden und sterben heute noch viele Menschen immer noch an Hunger, obwohl mengenmäßig ausreichend Nahrungsmittel vorhanden sind. Krieg und Vertreibung, Korruption und Spekulation auf allen Ebenen, Lagerverluste, Verschwendung sowie die Verwendung und teilweise Enteignung von Flächen und kriminelle Praktiken von „Landgrabbern“bis hin zum Anbau von Exportprodukten wie zum Beispiel auch Tierfutter oder pflanzliche Rohstoffe für Agro-Fuels sind bis heute immer noch die ausschlaggebenden Ursachen für Hunger und Mangelernährung.
Trotz der fortschreitenden Zerstörung unserer Lebensgrundlagen, auch aufgrund einer intensiven industriellen Landwirtschaft, haben Millionen Bäuerinnen und Bauern weltweit angefangen, ökologische Systeme zu entwickeln und zu praktizieren, respektive haben ihre bewährten ökologisch-traditionellen Methoden beibehalten. Der biologische Landbau ist eine Methode, die sich weltweit an kreislauforientierten Praktiken orientiert und es geschafft hat, minimale Standards für nachhaltig erzeugte Lebensmittel weltweit zu definieren und diese sogar gesetzlich (zum Beispiel in der EU) zu schützen.
Die natürlichen Gesetzmäßigkeiten und Grenzen respektieren
Bis heute haben viele dieser Millionen Bio-Bäuerinnen und Bauern bewiesen, dass sie die Umwelt und die natürlichen Ressourcen mit ihren Methoden am besten schützen können, auch wenn die Schwankungsbreite bei den Erträgen regional, von Produzent zu Produzent, und von Kultur zu Kultur sehr groß ist. Egal wie wir die zukünftigen Praktiken in der Lebensmittelproduktion
nennen werden: Die Lösung wird eine sein, bei der wir die natürlichen Gesetzmäßigkeiten und Grenzen respektieren und die Anbaumethoden an den örtlichen Gegebenheiten orientieren.
Importe von Futtermitteln aus Übersee, die den Regenwald zerstören, müssen aufhören. Wertvolle Ackerflächen dürfen nicht für die Fleisch- oder Milchproduktion genutzt werden. Auch der Gentechnik gilt es eine Absage zu erteilen, haben wir doch weltweit ausreichend Potenzial und Vielfalt, die eine demokratische regionale Lebensmittelproduktion gewährleisten. Die Zerstörung traditionell gewachsener Strukturen bäuerlicher Landwirtschaft durch die Kolonialisierung und die zerstörerische Globalisierung sind die eigentlichen Ursachen vieler Krisen auf dieser Erde.
Die Klimakrise, die Zerstörung von Biodiversität und fruchtbaren Böden, die Ausbeutung der Wasserressourcen und vieles mehr werden uns leider weiter erhalten bleiben und haben jetzt schon gravierende, negative Auswirkungen auf die globale Lebensmittelproduktion, besonders in vielen Teilen Afrikas, im Süden Europas, in China, in den USA, in Australien usw. Als ob dies nicht schon an Bedrohung genug wäre, kommt noch was sehr Wesentliches dazu: Die aktuellen wirtschaftlichen Strukturen sind in vielen Ländern so verfahren, dass ohne Veränderungen auch die Lebensmittelkrise oder der Hunger nicht reduziert werden können. Korruption auf allen Ebenen, Zugriff auf Bauern- und Bäuerinnenland durch wohlhabende, international agierende Investoren ziehen den Menschen die Lebensgrundlage wortwörtlich unter den Füßen weg. Wir alle wissen es: Die Herausforderungen sind enorm, es braucht einen Paradigmenwechsel in der Wirtschaft und Politik.
Wie es in Luxemburg aussieht
Die Debatte, ob der biologische Landbau die Welt ernähren kann – oder nicht – wird sehr emotional geführt, auch in unserem Ministaat, der bei der Welternährung keinen wesentlichen Beitrag leisten kann. Dennoch: Als wohlhabendes Land haben auch wir unsere Landwirtschaft im Globalisierungsstrom eingeschifft und das auch noch mit vielen Hunderten Millionen an EU- und nationalen Subventionen. Zur Zeit wird der nationale Strategieplan zur luxemburgischen Landwirtschaft diskutiert, die Basis für das neue Agrargesetz und seine Fördermaßnahmen.
Minister Claude Haagen (LSAP) ist derzeit mit seinen Beamten „on Tour“um die aktuellen Vorschläge von Förderungen und Auflagen zu erläutern, bis dann im Herbst eine Debatte im Parlament stattfinden wird. Nicht nur seitens der Umweltverbände gibt es harsche Kritik. Auch die EU-Kommission hat zu dem aktuellen Entwurf Grundsätzliches zu beanstanden, ebenso der europäische Rechnungshof.
Hauptkritikpunkte, die auch im Wesentlichen von den Umweltverbänden und den BioBauern geteilt werden, sind die hohe Einkommensabhängigkeit der Bauern von der Milchproduktion, die hohen teils regionalen Viehkonzentrationen und die damit verbundenen Umweltbelastungen beim Trink- und Oberflächenwasser, beim Ammoniakausstoß und beim enorm starken Rückgang der Tier- und Pflanzenarten.
Mit den aktuell vorgestellten Subventionsprämien werden sicherlich keine wesentlichen Fortschritte für Umwelt- und Klimaschutz erzielt werden, ebenso wenig die Perspektiven für Bäuerinnen und Bauern sowie alle anderen, die sich in der Lebensmittelproduktion engagieren. Es fehlt nach wie vor, und das schon seit Jahrzehnten, an einer Vision für eine ökologisch orientierte und enkeltaugliche Landwirtschaft. Besonders sichtbar wird dies bei der Entwicklung der biologischen Landwirtschaft und in der Art und Weise, wie das Landwirtschaftsministerium – und damit die Regierung – mit diesem Thema umgeht. Wir waren in puncto biologisch bewirtschaftete Agrarfläche immer Schlusslicht im EU-Vergleich und sind mit den zusammengekratzten vier bis fünf Prozent kaum sichtbar. Die Subventionen und der politische Wille waren für die meisten Betriebe nie attraktiv genug,
Importe von Futtermitteln aus Übersee, die den Regenwald zerstören, müssen aufhören.
Es fehlt nach wie vor, und das schon seit Jahrzehnten, an einer Vision für eine ökologisch orientierte und enkeltaugliche Landwirtschaft.
um den Schritt zu einer Umstellung zu wagen. Nur die Idealisten riskieren übrig zu bleiben, aber wie lange werden sie durchhalten?
Auch der Bio-Aktionsplan, der mindestens 20 Jahre zu spät kommt und der zum Ziel hat, im Jahr 2025 20 Prozent Biolandbau zu haben, wird – trotz eines BioLandbaubeamten im Landwirtschaftsministerium – nicht zum Erfolg führen, wenn die Regierung weiterhin eine schizophrene Agrar- und Ernährungspolitik betreibt. Innovative Forschungsprojekte, die von gesellschaftlicher Relevanz sind, werden seitens des Ministeriums abgewürgt, mangels Visionen, Fachkenntnis und politischem Willen. Man kann sich wirklich die Frage stellen: Will unsere Regierung den biologischen Landbau in Luxemburg killen?