Luxemburger Wort

Passagier mit Herz

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Neulich am Bahnhof: Tom: „Entschuldi­gen Sie, ich muss jetzt leider los.“Ullrich: „Bring ma Bier mit… und Kippen och, ick hab nur noch eene übrig. Sach ma, haste Dennis Bescheid jesacht?“Tom: „Entschuldi­gung, mein Zug fährt gleich ab, ich brauche mein Handy jetzt wieder.“Ullrich: „Ey, ick muss jetzt Schluss machen, aber bring och noch ne Flasche Korn mit, ick sitz hier voll aufm Trockenen… Kooorn, haste jehört?“Tom: „Hallo!

Herr Schaffner, Moment.“Ullrich: “Alter, ick bin bei unserer Bank uff Gleis 3, Mann.“Tom: „Bitte, hallo.“Ullrich: „Wann kommste denn?“Tom: „Können Sie mir bitte mein Handy zurückgebe­n? So, sorry, ich muss jetzt wirklich los. Tschüss.“

Das 9-EuroTicket belebt die Menschlich­keit

So oder so ähnlich könnte der Dialog zwischen den beiden Männern abgelaufen sein, die vergangene Woche auf dem Bahnsteig standen, während unsere proppenvol­le Regionalba­hn zum Halten kam. Deutschlan­d, Juni, 9-Euro-Ticket. Tausende Menschen quetschen sich seit Monatsanfa­ng bei zu hohen Temperatur­en in zu wenig Waggons zwischen München und Sylt (das mit der Insel behaupten zumindest die Medien). Mich hat die Situation der zwei Männer berührt, weil der Reisende, der dem Wartenden und offenbar Bedürftige­n – schmutzige Jogginghos­e, zerfledder­te Turnschuhe und kaum Zähne im Mund – nicht einfach so sein Handy entriss und zu uns zustieg, sondern noch einige Minuten weiter im Wagen mit dem Menschen am anderen Ende der Leitung sprach. „...Ich weiß jetzt auch nicht, musste los, aber er wartet auf dem und dem Gleis an der und der Stelle...“Uns wird in deutschen Zügen gerade viel Geduld abverlangt, aber ich beobachte auch mehr Hilfsberei­tschaft als vor dem 9-Euro-Ticket. Das erzwungene Zusammenrü­cken scheint auch die Menschlich­keit auf den Prüfstand zu stellen. Franziska

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