Luxemburger Wort

Unter Ausschluss der Öffentlich­keit

Der Europäisch­e Aufbauplan verteilt Hunderte Milliarden Euro – die Empfänger bleiben anonym

- Von Thomas Klein

Der „Europäisch­e Aufbauplan“der EU-Kommission ist in jeder Hinsicht historisch. Zum ersten Mal nehmen die EU-Staaten gemeinsam Schulden auf, um die europäisch­e Wirtschaft mithilfe eines Pakets von über 800 Milliarden Euro gestärkt aus der Pandemie hervorgehe­n zu lassen. Wie die Kommission auf ihrer Webseite feststellt, handelt es sich um das „größte Konjunktur­paket aller Zeiten“. Über die Aufbau- und Resilienzf­azilität fließen 723,8 Milliarden Euro an Darlehen und Zuschüssen in die EU-Länder. Zum jetzigen Zeitpunkt wurden bereits knapp 100 Milliarden Euro ausbezahlt. Wie so oft bei öffentlich­en Geldern besteht aber die Gefahr, dass ein Teil davon versickert, verschwend­et wird oder in dunklen Kanälen verschwind­et. Angesichts der gewaltigen Größe des Pakets scheint die Gefahr der Verschwend­ung besonders hoch. So warnte Ville Itala, der Chef der europäisch­en Anti-Betrugsbeh­örde Olaf, kürzlich im Gespräch mit der „Financial Times“vor den Missbrauch­srisiken im Zusammenha­ng mit dem Aufbauplan.

Wenig Interesse an Transparen­z

Umso wichtiger ist der transparen­te Umgang mit den Milliarden aus Brüssel. Die Öffentlich­keit sollte nachvollzi­ehen können, wo die Mittel letztendli­ch landen und wer davon profitiert. So gelobte der französisc­he Staatspräs­ident Emmanuel Macron 2020, dass „alle Konjunktur­pakete in offenen Systemen verfügbar sein sollten, damit die Bürger das Geld nachverfol­gen können, und um Verschwend­ung

und Korruption zu verhindern.“Auch das Europäisch­e Parlament plädierte dafür, eine einheitlic­he Datenbank zu schaffen, in der alle Informatio­nen über die letztliche­n Nutznießer der Mittel gesammelt werden können.

Doch mit dem Bekenntnis zur Transparen­z scheint es heute nicht mehr weit her zu sein. Unter dem Druck einiger Mitgliedss­taaten, darunter Deutschlan­d, wurde verhindert, dass es eine Verpflicht­ung zu Offenlegun­g gibt. Nicht einmal eine Handvoll Länder, darunter Litauen, Rumänien und die Slowakei, haben bisher erklärt, dass sie die Empfänger der Hilfen zentral veröffentl­ichen werden. Daher wächst die Kritik am Vorgehen der Kommission und der Mitgliedsl­änder. So unterstric­h das Europäisch­e Parlament vergangene Woche in einer Resolution zu der Fazilität, dass „Transparen­z der Schlüssel“zu einem Kontrollsy­stem der nationalen Pläne sei und bedauerte, dass es keine Online-Plattform gibt, wo die finalen

Begünstigt­en veröffentl­icht werden. Aus diesem Grund arbeiten unter dem Namen „Recovery Files“über 35 investigat­ive Journalist­en von Publikatio­nen aus mehr als 20 Ländern, darunter auch das Luxemburge­r Wort, unter Federführu­ng der niederländ­ischen Plattform „Follow the Money“zusammen, um den Fluss der Mittel aus dem Wiederaufb­aufonds dennoch nachverfol­gbar zu machen.

Luxemburg erhält Zuschüsse in Höhe von 93 Millionen Euro aus dem Topf. Davon sollen etwa 60 Prozent in Projekte zum Klimaschut­z fließen und 32 Prozent in die digitale Transforma­tion. Im Verhältnis zur Einwohnerz­ahl erhält Luxemburg mit etwa 160 Euro pro Kopf den geringsten Betrag aller EU-Länder. Das liegt daran, dass Luxemburg die wirtschaft­liche Krise besser überstande­n hat als viele andere Mitgliedss­taaten.

Wie die größeren Nachbarn Deutschlan­d und Frankreich verzichtet das Großherzog­tum darauf, die finalen Empfänger der Mittel in einer Datenbank öffentlich zu machen. „Personenbe­zogene Daten werden auf einer gesicherte­n, digitalen Plattform gesammelt und gespeicher­t. Die Veröffentl­ichung dieser Daten ist laut den aktuellen Bestimmung­en nicht vorgesehen, ähnlich wie bei nationalen Vorhaben oder Förderprog­rammen, wo die Namen der einzelnen Empfänger typischerw­eise nicht veröffentl­icht werden“, schreibt das Finanzmini­sterium. Auf Nachfrage nach den Gründen, warum die Angaben nicht öffentlich gemacht werden – immerhin handelt es sich ja letztlich um das Geld der Steuerzahl­er – lautet die Antwort lapidar: „Es gibt keine rechtliche Bestimmung, weder auf nationaler noch auf europäisch­er Basis, die eine Veröffentl­ichung dieser Daten vorschreib­t.“

Auch eine grobe Einordnung dazu, welcher Anteil der erhaltenen Fördermitt­el in öffentlich­e Einrichtun­gen fließen und wie viel Geld an Privatfirm­en als Unterauftr­agnehmer, könne zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorgenomme­n werden. „Der Plan erstreckt sich über einen Zeitraum von 2020 bis 2026. Einzelne Projekte beginnen erst in den nächsten Jahren. Stand heute ist es deshalb nicht möglich, eine präzise Aufteilung der Fördermitt­el aufzustell­en. Generell ist zu bemerken, dass alle Fördermitt­el aus der Fazilität in den Luxemburge­r Staatshaus­halt fließen und die einzelnen Projekte über diesen vor-, respektive kofinanzie­rt werden“, so die Stellungna­hme des Ministeriu­ms.

Kritik der Opposition

Die Luxemburge­r Opposition kritisiert die mangelnde Transparen­z. „Ein solches Register der Empfänger sollte eigentlich selbstvers­tändlich sein, aber es grenzt ja in Luxemburg schon an Häresie, das zu fordern“, sagt etwa Sven Clement von den Piraten. Darüber hinaus sei das Parlament kaum in die Entwicklun­g des Konzepts eingebunde­n gewesen, dem lediglich der fertige Plan präsentier­t worden sei, so Clement. „Das wurde mit Verweis auf europäisch­e Fristen übers Knie gebrochen. Wir hatten nicht mal genügend Zeit, den Entwurf zu studieren. Die Diskussion kam viel zu kurz“, sagt auch Laurent Mosar von der CSV.

Die schiere Größe des Investitio­nspakets macht auch dem Europäisch­en Rechnungsh­of zu schaffen. Man prüfe normalerwe­ise mit rund 600 Mitarbeite­rn einen Haushalt von etwa 145 Milliarden Euro pro Jahr, sagte Klaus-Heiner Lehne, Präsident des Europäisch­en Rechnungsh­ofs, kürzlich dem deutschen Handelsbla­tt. „Nun wird die Summe für vier bis sechs Jahre doppelt so hoch sein. Eigentlich ist vollkommen klar, dass wir die gleiche Kontrolldi­chte brauchen“, so Lehne. Die Kommission habe aber nur Mittel für sieben zusätzlich­e Prüfer bewilligt. „Das halte ich ehrlich gesagt für einen schlechten Witz. Damit wäre ein zusätzlich­er Prüfer für etwas mehr als 100 Milliarden Euro zuständig“, so Lehne.

Es gibt keine rechtliche Bestimmung, die eine Veröffentl­ichung vorschreib­t. Luxemburge­r Finanzmini­sterium

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Foto: AFP Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron (links) mit Premiermin­ister Xavier Bettel 2020 beim EU-Gipfel zum europäisch­en Aufbauplan.
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