Unter Ausschluss der Öffentlichkeit
Der Europäische Aufbauplan verteilt Hunderte Milliarden Euro – die Empfänger bleiben anonym
Der „Europäische Aufbauplan“der EU-Kommission ist in jeder Hinsicht historisch. Zum ersten Mal nehmen die EU-Staaten gemeinsam Schulden auf, um die europäische Wirtschaft mithilfe eines Pakets von über 800 Milliarden Euro gestärkt aus der Pandemie hervorgehen zu lassen. Wie die Kommission auf ihrer Webseite feststellt, handelt es sich um das „größte Konjunkturpaket aller Zeiten“. Über die Aufbau- und Resilienzfazilität fließen 723,8 Milliarden Euro an Darlehen und Zuschüssen in die EU-Länder. Zum jetzigen Zeitpunkt wurden bereits knapp 100 Milliarden Euro ausbezahlt. Wie so oft bei öffentlichen Geldern besteht aber die Gefahr, dass ein Teil davon versickert, verschwendet wird oder in dunklen Kanälen verschwindet. Angesichts der gewaltigen Größe des Pakets scheint die Gefahr der Verschwendung besonders hoch. So warnte Ville Itala, der Chef der europäischen Anti-Betrugsbehörde Olaf, kürzlich im Gespräch mit der „Financial Times“vor den Missbrauchsrisiken im Zusammenhang mit dem Aufbauplan.
Wenig Interesse an Transparenz
Umso wichtiger ist der transparente Umgang mit den Milliarden aus Brüssel. Die Öffentlichkeit sollte nachvollziehen können, wo die Mittel letztendlich landen und wer davon profitiert. So gelobte der französische Staatspräsident Emmanuel Macron 2020, dass „alle Konjunkturpakete in offenen Systemen verfügbar sein sollten, damit die Bürger das Geld nachverfolgen können, und um Verschwendung
und Korruption zu verhindern.“Auch das Europäische Parlament plädierte dafür, eine einheitliche Datenbank zu schaffen, in der alle Informationen über die letztlichen Nutznießer der Mittel gesammelt werden können.
Doch mit dem Bekenntnis zur Transparenz scheint es heute nicht mehr weit her zu sein. Unter dem Druck einiger Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland, wurde verhindert, dass es eine Verpflichtung zu Offenlegung gibt. Nicht einmal eine Handvoll Länder, darunter Litauen, Rumänien und die Slowakei, haben bisher erklärt, dass sie die Empfänger der Hilfen zentral veröffentlichen werden. Daher wächst die Kritik am Vorgehen der Kommission und der Mitgliedsländer. So unterstrich das Europäische Parlament vergangene Woche in einer Resolution zu der Fazilität, dass „Transparenz der Schlüssel“zu einem Kontrollsystem der nationalen Pläne sei und bedauerte, dass es keine Online-Plattform gibt, wo die finalen
Begünstigten veröffentlicht werden. Aus diesem Grund arbeiten unter dem Namen „Recovery Files“über 35 investigative Journalisten von Publikationen aus mehr als 20 Ländern, darunter auch das Luxemburger Wort, unter Federführung der niederländischen Plattform „Follow the Money“zusammen, um den Fluss der Mittel aus dem Wiederaufbaufonds dennoch nachverfolgbar zu machen.
Luxemburg erhält Zuschüsse in Höhe von 93 Millionen Euro aus dem Topf. Davon sollen etwa 60 Prozent in Projekte zum Klimaschutz fließen und 32 Prozent in die digitale Transformation. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl erhält Luxemburg mit etwa 160 Euro pro Kopf den geringsten Betrag aller EU-Länder. Das liegt daran, dass Luxemburg die wirtschaftliche Krise besser überstanden hat als viele andere Mitgliedsstaaten.
Wie die größeren Nachbarn Deutschland und Frankreich verzichtet das Großherzogtum darauf, die finalen Empfänger der Mittel in einer Datenbank öffentlich zu machen. „Personenbezogene Daten werden auf einer gesicherten, digitalen Plattform gesammelt und gespeichert. Die Veröffentlichung dieser Daten ist laut den aktuellen Bestimmungen nicht vorgesehen, ähnlich wie bei nationalen Vorhaben oder Förderprogrammen, wo die Namen der einzelnen Empfänger typischerweise nicht veröffentlicht werden“, schreibt das Finanzministerium. Auf Nachfrage nach den Gründen, warum die Angaben nicht öffentlich gemacht werden – immerhin handelt es sich ja letztlich um das Geld der Steuerzahler – lautet die Antwort lapidar: „Es gibt keine rechtliche Bestimmung, weder auf nationaler noch auf europäischer Basis, die eine Veröffentlichung dieser Daten vorschreibt.“
Auch eine grobe Einordnung dazu, welcher Anteil der erhaltenen Fördermittel in öffentliche Einrichtungen fließen und wie viel Geld an Privatfirmen als Unterauftragnehmer, könne zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorgenommen werden. „Der Plan erstreckt sich über einen Zeitraum von 2020 bis 2026. Einzelne Projekte beginnen erst in den nächsten Jahren. Stand heute ist es deshalb nicht möglich, eine präzise Aufteilung der Fördermittel aufzustellen. Generell ist zu bemerken, dass alle Fördermittel aus der Fazilität in den Luxemburger Staatshaushalt fließen und die einzelnen Projekte über diesen vor-, respektive kofinanziert werden“, so die Stellungnahme des Ministeriums.
Kritik der Opposition
Die Luxemburger Opposition kritisiert die mangelnde Transparenz. „Ein solches Register der Empfänger sollte eigentlich selbstverständlich sein, aber es grenzt ja in Luxemburg schon an Häresie, das zu fordern“, sagt etwa Sven Clement von den Piraten. Darüber hinaus sei das Parlament kaum in die Entwicklung des Konzepts eingebunden gewesen, dem lediglich der fertige Plan präsentiert worden sei, so Clement. „Das wurde mit Verweis auf europäische Fristen übers Knie gebrochen. Wir hatten nicht mal genügend Zeit, den Entwurf zu studieren. Die Diskussion kam viel zu kurz“, sagt auch Laurent Mosar von der CSV.
Die schiere Größe des Investitionspakets macht auch dem Europäischen Rechnungshof zu schaffen. Man prüfe normalerweise mit rund 600 Mitarbeitern einen Haushalt von etwa 145 Milliarden Euro pro Jahr, sagte Klaus-Heiner Lehne, Präsident des Europäischen Rechnungshofs, kürzlich dem deutschen Handelsblatt. „Nun wird die Summe für vier bis sechs Jahre doppelt so hoch sein. Eigentlich ist vollkommen klar, dass wir die gleiche Kontrolldichte brauchen“, so Lehne. Die Kommission habe aber nur Mittel für sieben zusätzliche Prüfer bewilligt. „Das halte ich ehrlich gesagt für einen schlechten Witz. Damit wäre ein zusätzlicher Prüfer für etwas mehr als 100 Milliarden Euro zuständig“, so Lehne.
Es gibt keine rechtliche Bestimmung, die eine Veröffentlichung vorschreibt. Luxemburger Finanzministerium