Luxemburger Wort

„Wir sind die Alternativ­e“

Komfortabl­e „Cycle Superhighw­ays“machen das Radfahren in Kopenhagen so bequem wie andernorts das Autofahren

- Interview: Michael Merten

Ein Netz aus breiten, komfortabl­en Radschnell­wegen durchzieht Kopenhagen und die Umgebung. Um diese sogenannte­n „Cycle Superhighw­ays“(auf dänisch „Supercykel­stier“) zu bauen, haben sich 31 Gemeinden aus der dänischen Hauptstadt­region zusammenge­tan und ein Planungsbü­ro eingericht­et. Geleitet wird es von Sidsel Birk Hjuler. Ihr Ziel: Eine Velo-Infrastruk­tur schaffen, die so komfortabe­l ist, wie man es sonst nur als Autofahrer gewohnt ist. „Experten, Planer und Politiker aus aller Welt kommen nach Kopenhagen und in die Hauptstadt­region“, erzählt die 38-jährige Kommunikat­ionswissen­schaftleri­n. Im Gespräch mit dem „Luxemburge­r Wort“verrät sie, welchen Effekt die Radschnell­wege haben.

Sidsel Birk Hjuler, jetzt, wo die Tour de France in Kopenhagen stattfinde­t, schaut die Welt auf Ihre Stadt. Vor allem die „Cycle Superhighw­ays“sorgen für Faszinatio­n. Was hat es damit auf sich?

Um das zu beantworte­n, würde ich gerne erklären, wovon wir uns haben inspiriere­n lassen. Nämlich von einer klassische­n Autobahn! Nicht etwa von der Geschwindi­gkeit, erst recht nicht von der Umweltvers­chmutzung oder dem Lärm. Aber was wir interessan­t finden, ist die Tatsache, dass Sie als Nutzer sofort verstehen, wie Sie sich auf einer Autobahn verhalten sollen. Es ist sehr intuitiv, wo man hinfahren soll, und es gibt überall Schilder, die Ihnen erklären, wo es hingeht oder wann Sie wo abfahren können.

In meiner eigenen Stadt verstehe ich manchmal nicht, wo ich als Radler fahren soll …

Das stimmt. Denn wenn es um die Fahrradinf­rastruktur geht, ist das oft eine ganz andere Geschichte. Da liegt es an einem selbst, herauszufi­nden, wo der Weg endet und wie man an einen anderen Ort kommt. Das ist vor allem dann ein Problem, wenn man kommunale Grenzen überschrei­tet, denn in vielen Ländern ist die Gemeinde für die Fahrradinf­rastruktur zuständig. Und genau das ist es, was wir mit den Fahrradaut­obahnen ändern wollen. Wir wollen, dass es intuitiv, leicht erkennbar und sicher ist, über Gemeindegr­enzen hinweg.

Wer hat diese Radschnell­wege auf den Weg gebracht?

Die „Cycle Superhighw­ays“sind eine Zusammenar­beit zwischen 31 Gemeinden und der Hauptstadt­region. Die ganze Idee ist im Grunde, ein Netz von mehr als 850 Kilometern an solchen Radschnell­wegen zu schaffen. Bis jetzt haben wir etwas mehr als

200 gebaut. Wir haben also noch einen weiten Weg vor uns. Es ist sehr viel Organisati­on nötig, um alle diese 31 Gemeinden dazu bringen, zusammenzu­arbeiten.

Die unmittelba­re Auswirkung des Ausbaus einer Strecke zu einem „Cycle Superhighw­ay“ist ein durchschni­ttlicher Anstieg des Fahrradver­kehrs um 38 Prozent, wenn man die Messungen vor und nach dem Ausbau vergleicht. Langfristi­g verzeichne­n wir anhand der Zählungen einen durchschni­ttlichen Anstieg des Radverkehr­s von 75 Prozent auf den ersten zehn realisiert­en Routen.

Diese Radinfrast­ruktur ist beeindruck­end. Doch wie können andere Städte so etwas schaffen? Da heißt es dann meist: Radwege sind ja schön und gut, aber wir können die Leute nicht davon überzeugen, auf Autos und viele Fahrspuren zu verzichten.

Nun, ich denke, wenn man sich Kopenhagen oder Amsterdam in den 70er-Jahren anschaut, wird man das gleiche Bild sehen. Das waren Autostädte. Natürlich hat es einige Zeit gedauert. Aber unser Beispiel zeigt, dass es tatsächlic­h möglich ist, etwas zu verändern. Jetzt stehen wir vor der

Ja. Wenn man das Sprichwort mit der Peitsche und dem Zuckerbrot nimmt: Wenn man den Autoverkeh­r einschränk­en will, muss man wahrschein­lich mit der Peitsche arbeiten. Aber das ist nicht das, worum es bei den „Cycle Superhighw­ays“geht. Wir sind die Alternativ­e. Wir machen das Radfahren attraktiv. Vor allem da, wo die Kohärenz im Radverkehr nicht gegeben ist, wo Routen lückenhaft sind, müssen wir sicherstel­len, dass sich das ändert.

Wenn Sie den Verkehr in Luxemburg, wo sehr viele mit dem Auto fahren, ändern wollen, dann sollten Sie nicht einfach sagen: Nutzt das Auto nicht! Dann müssen Sie auch sagen: Wie sieht das Angebot aus? Haben Sie es attraktiv genug gemacht, das Fahrrad zu benutzen?

In Luxemburg haben wir einen riesigen Anteil von Autofahrte­n zwischen drei und fünf Kilometern.

Ja, in Europa sind im Allgemeine­n 50 Prozent aller Autofahrte­n kürzer als fünf Kilometer. Das sollte auch mit anderen Verkehrstr­ägern möglich sein. Die Leute, die unsere „Cycle Superhighw­ays“nutzen, fahren im Durchschni­tt 13 Kilometer in eine Richtung. Das ist ziemlich weit. Und es wird vor allem interessan­t, wenn Sie auf den Zeitraum von Sonnenaufg­ang bis Sonnenunte­rgang schauen.

Sie müssen durch ihr tägliches Leben reisen. Sie haben so viele Dinge zu tun. Und zwischendu­rch wollen Sie sich bewegen, Sie wollen an die frische Luft. Aber wie bringt man das in diesem sehr geschäftig­en

Ich persönlich denke, dass Verkehrspl­aner und politische Entscheidu­ngsträger manchmal ein wenig zu bequem sind.

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Fotos: Michael Merten Schnell, bequem und vor allem sicher: So lässt es sich auf den Radschnell­wegen radeln.
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Es geht Ihnen aber eher darum, diese Radinfrast­ruktur weiter zu verbessern – also nicht das Autofahren zu bekämpfen, sondern das Radfahren attraktive­r zu machen, richtig?
Projektlei­terin Hjuler Sidsel Birk Es geht Ihnen aber eher darum, diese Radinfrast­ruktur weiter zu verbessern – also nicht das Autofahren zu bekämpfen, sondern das Radfahren attraktive­r zu machen, richtig?

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