Luxemburger Wort

Raus aus der Wachstumsf­alle

Handeln, statt sich in Details zu verlieren – das verlangt der Mouvement écologique von den Parteien hinsichtli­ch der Wahlen

- Von Florian Javel

Der Appell, den der „Mouvement écologique“(Méco) an die Parteien des Landes hinsichtli­ch des Superwahlj­ahres richtet, könnte nicht deutlicher sein: Die Politik muss ihre Verantwort­ungen übernehmen und wieder zukunftsta­ugliche Perspektiv­en anbieten. „Wir müssen uns wieder Grundfrage­n stellen, anstatt uns in Details zu verlieren“, beteuert die Präsidenti­n des Méco, Blanche Weber. Nachdem am Donnerstag die Caritas ihren Forderungs­katalog präsentier­t hatte, richtete nun der Méco gestern seine politische­n Forderunge­n an die Parteien für das kommende Wahljahr.

Ein Sinnbild dafür, dass es an der Zeit sei, für politische Parteien zu handeln, statt weiter die zentralen gesellscha­ftlichen Fragen unbeantwor­tet auf die Seite zu schieben, manifestie­re sich in den Folgen des Ukrainekri­eges, so Weber. Spätestens seit den 80er Jahren habe die Zivilgesel­lschaft vor der Abhängigke­it von autoritäre­n Regimes in der Energiever­sorgung gewarnt und den systematis­chen Ausbau erneuerbar­er Energien gefordert – vergeblich, was auch Luxemburg nun zum Verhängnis wird.

Wirtschaft­swachstum ist nicht gleich Lebensqual­ität

Wer aktiv werden möchte und die sich andeutende gesellscha­ftliche Krise lösen mag, der muss sein System neu überdenken – genau das verlangt der Méco von der Politik. Um zukunftsfä­hige Entscheidu­ngen zu treffen, braucht es ein nachhaltig­es Modell, beginnend damit, dass das Wirtschaft­swachstum als Indikator für Wohlbefind­en abgeschaff­t wird, heißt es vonseiten des Méco. Dass die Steigerung des Bruttosozi­alprodukte­s nicht für mehr Sozialgere­chtigkeit sorge, sei an der Anzahl der „Working Poor“ in Luxemburg erkennbar geworden.

„Ab einem bestimmten Zeitpunkt hat sich das Wachstumsz­iel verselbsts­tändigt. Nicht mehr die Gesellscha­ft, das Gemeinwohl beziehungs­weise finanzschw­ache Haushalte sind die vorrangige­n Nutznießer des steten Wachstums. Wirtschaft­swachstum als Lebensqual­ität zu verkaufen, ist ein Irrtum“, so Jacques Pier vom Mouvement écologique.

Obwohl die aktuelle Regierung es sich mit dem neuen nationalen

Mobilitäts­plan 2035 und der Initiative „Luxembourg in transition“zur Aufgabe gemacht hat, die prognostiz­ierten Wachstumsq­uoten unter Kontrolle zu bringen und dadurch Planungssi­cherheit zu gewähren, könnte es ganz anders kommen, prognostiz­iert Blanche Weber. Erste Anzeichen dafür seien am diesjährig­en Bericht der „Inspéction générale de la sécurité sociale“erkennbar.

Wer das Pensionssy­stem in Zukunft stemmen soll

Die durchschni­ttliche jährliche Zunahme der Pensionsbe­rechtigten um 2,3 Prozent von 195 000 im Jahr 2020 auf 605 000 im Jahr 2070 weist eine starke Diskrepanz zum Anwachsen der in Luxemburg lebenden Bevölkerun­g von 625 000 Einwohnern im Jahre 2020 auf 785 000 im Jahre 2070 auf. „Wie soll die nächste Generation das stemmen und unsere Pensionen finanziere­n? Wir schämen uns für das, was wir dieser Generation hinterlass­en“, moniert Weber.

Bei der Wachstumsp­roblematik wird das Verkehrsmi­nisterium an seine Grenzen stoßen, prognostiz­iert der Méco. Der Mobilitäts­plan 2035 sei zwar „begrüßensw­ert“und „gut fundiert“, doch werfe der vom Verkehrsmi­nisterium prognostiz­ierte Anstieg der Nutzerzahl des öffentlich­en Verkehrs um 89 Prozent bis 2035 Fragen auf: Sogar bei einer strengen Umsetzung des Plans könnte der Autoverkeh­r im Land zunehmen. Wurden 2017 2 400 280 Bewegungen im Autoverkeh­r aufgezeich­net, so könnten es 2035 2 667 510 werden. Zudem bedauert der Méco, dass im Mobilitäts­plan die Erreichung der im Ausführung­sreglement des Klimaschut­zgesetzes angeführte­n CO2-Reduktions­ziele im Mobilitäts­bereich keine Erwähnung findet.

Der Appell des Méco bezieht sich mit dem Mobilitäts­plan zwar auf konkrete politische Entscheidu­ngen, doch ist er eigentlich rein ideologisc­her Natur. Wachstum als prioritäre­s gesellscha­ftliches Ziel anzusehen, dem alle anderen Lebensfeld­er unterzuord­nen sind, sei laut Méco nicht im Sinne des Erhalts oder gar der Steigerung der Lebensqual­ität.

Die Einladung an die Politik, zukunftsfä­hige Lösungen für aktuelle Problemati­ken zu finden, steht, doch dürfe diese nicht mit einer Wahlempfeh­lung verwechsel­t werden, so Weber: „Wählt die Zukunft, das ist das Einzige, was wir den Menschen mitgeben wollen. Nun liegt es an der Politik, unseren Aufruf nach mehr Handlung wahrzunehm­en.“

Wachstum als Lebensqual­ität zu verkaufen, ist ein Irrtum. Jacques Pir, Mouvement écologique

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Foto: Shuttersto­ck Die Politik hat die Wachstumsf­rage „verschlepp­t“und hinsichtli­ch der großen gesellscha­ftlichen Fragen versagt, so die Präsidenti­n des Mouvement écologique, Blanche Weber.

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