Raus aus der Wachstumsfalle
Handeln, statt sich in Details zu verlieren – das verlangt der Mouvement écologique von den Parteien hinsichtlich der Wahlen
Der Appell, den der „Mouvement écologique“(Méco) an die Parteien des Landes hinsichtlich des Superwahljahres richtet, könnte nicht deutlicher sein: Die Politik muss ihre Verantwortungen übernehmen und wieder zukunftstaugliche Perspektiven anbieten. „Wir müssen uns wieder Grundfragen stellen, anstatt uns in Details zu verlieren“, beteuert die Präsidentin des Méco, Blanche Weber. Nachdem am Donnerstag die Caritas ihren Forderungskatalog präsentiert hatte, richtete nun der Méco gestern seine politischen Forderungen an die Parteien für das kommende Wahljahr.
Ein Sinnbild dafür, dass es an der Zeit sei, für politische Parteien zu handeln, statt weiter die zentralen gesellschaftlichen Fragen unbeantwortet auf die Seite zu schieben, manifestiere sich in den Folgen des Ukrainekrieges, so Weber. Spätestens seit den 80er Jahren habe die Zivilgesellschaft vor der Abhängigkeit von autoritären Regimes in der Energieversorgung gewarnt und den systematischen Ausbau erneuerbarer Energien gefordert – vergeblich, was auch Luxemburg nun zum Verhängnis wird.
Wirtschaftswachstum ist nicht gleich Lebensqualität
Wer aktiv werden möchte und die sich andeutende gesellschaftliche Krise lösen mag, der muss sein System neu überdenken – genau das verlangt der Méco von der Politik. Um zukunftsfähige Entscheidungen zu treffen, braucht es ein nachhaltiges Modell, beginnend damit, dass das Wirtschaftswachstum als Indikator für Wohlbefinden abgeschafft wird, heißt es vonseiten des Méco. Dass die Steigerung des Bruttosozialproduktes nicht für mehr Sozialgerechtigkeit sorge, sei an der Anzahl der „Working Poor“ in Luxemburg erkennbar geworden.
„Ab einem bestimmten Zeitpunkt hat sich das Wachstumsziel verselbstständigt. Nicht mehr die Gesellschaft, das Gemeinwohl beziehungsweise finanzschwache Haushalte sind die vorrangigen Nutznießer des steten Wachstums. Wirtschaftswachstum als Lebensqualität zu verkaufen, ist ein Irrtum“, so Jacques Pier vom Mouvement écologique.
Obwohl die aktuelle Regierung es sich mit dem neuen nationalen
Mobilitätsplan 2035 und der Initiative „Luxembourg in transition“zur Aufgabe gemacht hat, die prognostizierten Wachstumsquoten unter Kontrolle zu bringen und dadurch Planungssicherheit zu gewähren, könnte es ganz anders kommen, prognostiziert Blanche Weber. Erste Anzeichen dafür seien am diesjährigen Bericht der „Inspéction générale de la sécurité sociale“erkennbar.
Wer das Pensionssystem in Zukunft stemmen soll
Die durchschnittliche jährliche Zunahme der Pensionsberechtigten um 2,3 Prozent von 195 000 im Jahr 2020 auf 605 000 im Jahr 2070 weist eine starke Diskrepanz zum Anwachsen der in Luxemburg lebenden Bevölkerung von 625 000 Einwohnern im Jahre 2020 auf 785 000 im Jahre 2070 auf. „Wie soll die nächste Generation das stemmen und unsere Pensionen finanzieren? Wir schämen uns für das, was wir dieser Generation hinterlassen“, moniert Weber.
Bei der Wachstumsproblematik wird das Verkehrsministerium an seine Grenzen stoßen, prognostiziert der Méco. Der Mobilitätsplan 2035 sei zwar „begrüßenswert“und „gut fundiert“, doch werfe der vom Verkehrsministerium prognostizierte Anstieg der Nutzerzahl des öffentlichen Verkehrs um 89 Prozent bis 2035 Fragen auf: Sogar bei einer strengen Umsetzung des Plans könnte der Autoverkehr im Land zunehmen. Wurden 2017 2 400 280 Bewegungen im Autoverkehr aufgezeichnet, so könnten es 2035 2 667 510 werden. Zudem bedauert der Méco, dass im Mobilitätsplan die Erreichung der im Ausführungsreglement des Klimaschutzgesetzes angeführten CO2-Reduktionsziele im Mobilitätsbereich keine Erwähnung findet.
Der Appell des Méco bezieht sich mit dem Mobilitätsplan zwar auf konkrete politische Entscheidungen, doch ist er eigentlich rein ideologischer Natur. Wachstum als prioritäres gesellschaftliches Ziel anzusehen, dem alle anderen Lebensfelder unterzuordnen sind, sei laut Méco nicht im Sinne des Erhalts oder gar der Steigerung der Lebensqualität.
Die Einladung an die Politik, zukunftsfähige Lösungen für aktuelle Problematiken zu finden, steht, doch dürfe diese nicht mit einer Wahlempfehlung verwechselt werden, so Weber: „Wählt die Zukunft, das ist das Einzige, was wir den Menschen mitgeben wollen. Nun liegt es an der Politik, unseren Aufruf nach mehr Handlung wahrzunehmen.“
Wachstum als Lebensqualität zu verkaufen, ist ein Irrtum. Jacques Pir, Mouvement écologique