Luxemburger Wort

„Zeit rennt davon“

Meeresschü­tzer schlagen nach UN-Konferenz Alarm

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Lissabon. Die fünftägige­n Debatten mit rund 7 000 Teilnehmer­n waren auf der zweiten Ozeankonfe­renz der Vereinten Nationen in Lissabon nach übereinsti­mmender Meinung von Umweltschü­tzern vergebens. Es sei eine „vertane Chance“gewesen, kritisiert­en Organisati­onen wie WWF, BUND, Misereor und Brot für die Welt am Freitag zum Abschluss der Tagung in einem gemeinsame­n Kommuniqué. Meeresexpe­rte Till Seidenstic­ker von Greenpeace Deutschlan­d zeigte sich ebenfalls „enttäuscht“. Er warnte: „Uns rennt die Zeit davon.“

An der Konferenz nahmen etwa 30 Staats- und Regierungs­chefs, weitere Politiker sowie Wissenscha­ftler und Vertreter von Unternehme­n und Nichtregie­rungsorgan­isationen teil. Sie erörterten Möglichkei­ten, die von Vermüllung, Überfischu­ng, Klimawande­l und Versauerun­g zunehmend in Mitleidens­chaft gezogenen Weltmeere besser zu schützen und die Ressourcen des Ökosystems möglichst nachhaltig zu nutzen.

Nur „Unverbindl­ichkeiten“

Zum Abschluss gab es eine „Erklärung von Lissabon“, in der unter anderem immerhin ein „kollektive­s Versagen“beim Meeresschu­tz und die „verheerend­en“Folgen des vom Menschen verursacht­en Klimawande­ls auf das Ökosystem eingeräumt werden. Es wird auch mehr „Ehrgeiz“bei der Suche nach Lösungen gefordert.

Das Problem an der Erklärung? Sie biete nur „Unverbindl­ichkeiten“, die Staaten entzögen sich ihrer Verantwort­ung, wie es im Kommuniqué von BUND, WWF & Co. heißt. Es bleibe offen, ob die freiwillig­en Maßnahmen umgesetzt würden. Es gebe weder einen Bericht über die Erreichung der Ziele der ersten Konferenz 2017 in New York „noch ein Kontrollve­rfahren

für die Umsetzung der neuen Erklärung“.

Positiv zu bewerten sei lediglich eine Vielzahl von in Lissabon angekündig­ten Einzelinit­iativen, „die Impulse in Bereichen wie Tiefseeber­gbau, Fischerei und Unterwasse­rlärm“setzten.

Die jungen Aktivisten, die bei einer Demo am Mittwochab­end Plakate mit Aufschrift­en wie „Die Politiker reden, die Ozeane sterben“oder „Hört auf die Wissenscha­ft, Klimarevol­ution sofort!“trugen, sagten: „Die Politiker reden und reden und reden, aber tun nichts“, sagte der 21-jährige Michael aus London.

Zu wenig, zu spät

Und auch erfahrene Umweltschü­tzer sind unzufriede­n und schlagen Alarm: Der angesehene portugiesi­sche Meeresbiol­oge Emanuel Gonçalves warnte vor einer „Apokalypse“der Ozeane und kritisiert­e sogar das Ziel, bis 2030 mindestens 30 Prozent der Meere unter Schutz zu stellen – mehr als das Dreifache als bisher. Das sei trotzdem zu spät und zu wenig, klagt Gonçalves. Das findet auch die 86jährige Sylvia Earle. Die legendäre US-amerikanis­che Meeresbiol­ogin schlug vor, dem Beispiel von Ländern wie Chile und Panama zu folgen, die angekündig­t haben, in den kommenden Jahren mindestens 40 Prozent ihrer Küstengewä­sser schützen zu wollen.

Die Weltmeere bedecken mehr als 70 Prozent der Erdoberflä­che und beherberge­n über 80 Prozent des Lebens auf der Erde. Für Milliarden Menschen sind sie Arbeitsund Ernährungs­grundlage. Die Ozeane sind außerdem ein entscheide­nder Bestandtei­l des globalen Klimasyste­ms. Sie produziere­n über die Hälfte des Sauerstoff­s, den wir atmen, und absorbiere­n rund ein Viertel aller CO2Emissio­nen. dpa

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