Der Schritt zurück
Seit Freitag heißt es für die etwa 200 000 Grenzpendler: zurück ins Büro! Denn zum 1. Juli lief die pandemiebedingte Ausnahmeregelung mit den Nachbarländern zur Einkommenssteuer aus. Prompt stellte sich auch wieder ein vertrauter Anblick ein, der in den letzten beiden Jahren zumindest deutlich seltener geworden war: Kilometerlanger Stau auf der A1, Stoßstange an Stoßstange. Das ab jetzt wieder fast jeden Tag. Deutschen Pendlern stehen nunmehr jährlich 19 Arbeitstage im Wohnsitzland zu, ohne höhere Steuern zu entrichten, französischen und belgischen jeweils immerhin 34. So oder so reicht das nicht mal für einen Tag Telearbeit in der Woche. Sicherlich sind nicht alle unglücklich über das Auslaufen der Ausnahmeregelung. Die Wirte freuen sich über mehr Zulauf in den Mittagspausen. In so mancher Personalabteilung dürfte man erleichtert sein, wenn man die Rückkehr zur Präsenzpflicht damit auf die Finanzämter schieben kann.
Für die meisten anderen bedeutet das Ende des Homeoffice für den Großteil der Woche aber, einen Schritt zurück zu machen. Allen voran die Arbeitnehmer, denen es in den letzten beiden Jahren deutlich leichter fiel, Arbeit und Privatleben unter einen Hut zu bekommen. Aber auch die Unternehmen, die jetzt eine Gefahr für den Betriebsfrieden wittern. Sie haben die Wahl, sich entweder für alle Mitarbeiter auf den kleinsten gemeinsamen Nenner – somit 19 Tage im Jahr – festzulegen. Oder sie akzeptieren eine Mehrklassenregelung – Luxemburger zuhause, Mitarbeiter mit Auslandswohnsitz im Büro. Egal, wie sie sich entscheiden, ein Teil der Mitarbeiter wird murren.
Für Luxemburger Unternehmer steht seit Jahren der Fachkräftemangel ganz oben auf der Prioritätenliste. Das Auslaufen der Homeofficemöglichkeit für Pendler dürfte die hiesigen Firmen im Kampf um Talente deutlich zurückwerfen. Zahlreiche Umfragen haben gezeigt, dass Arbeitnehmer heute sogar bereit wären, auf Gehalt zu verzichten, wenn sie dafür einen Teil ihrer Arbeitszeit zuhause ableisten können. Natürlich kann man argumentieren, dass sie die Option des Homeoffice weiterhin haben, wenn sie bereit sind, die höheren Steuern in Deutschland, Belgien oder Frankreich zu zahlen. Aber durch die Möglichkeiten des Homeoffice konkurrieren die Luxemburger Betriebe nicht mehr nur mit Arbeitgebern aus Trier oder Metz um Arbeitskräfte aus der Region, sondern auch mit Firmen in Frankfurt, Brüssel oder Paris. Arbeitskräftemangel herrscht nicht nur in Luxemburg, der Konkurrenzkampf um Experten wird also zwangsläufig härter werden. Fragt man die Luxemburger Bürger nach den drängendsten Problemen für das Land, tauchen immer dieselben Punkte auf: die Wohnungsnot, der Verkehr und zuletzt die sich rasant verteuernden Energiepreise. Um alle diese Sorgen zumindest etwas zu lindern, war das Homeoffice ein geeignetes Mittel. Jetzt verstopfen die Pendler wieder die Straßen, belegen Bürofläche, schädigen auf der Autobahn das Klima und stehen unproduktiv im Stau. Jeder wusste, dass Tag X irgendwann kommen würde. In den letzten zweieinhalb Jahren wurde versäumt, eine dauerhaft tragfähige Lösung für eine moderne Arbeitswelt zu finden.
Das Endes des Homeoffice wirft Luxemburger Firmen im Kampf um Talente zurück.