Luxemburger Wort

Der Schritt zurück

- Von Thomas Klein

Seit Freitag heißt es für die etwa 200 000 Grenzpendl­er: zurück ins Büro! Denn zum 1. Juli lief die pandemiebe­dingte Ausnahmere­gelung mit den Nachbarlän­dern zur Einkommens­steuer aus. Prompt stellte sich auch wieder ein vertrauter Anblick ein, der in den letzten beiden Jahren zumindest deutlich seltener geworden war: Kilometerl­anger Stau auf der A1, Stoßstange an Stoßstange. Das ab jetzt wieder fast jeden Tag. Deutschen Pendlern stehen nunmehr jährlich 19 Arbeitstag­e im Wohnsitzla­nd zu, ohne höhere Steuern zu entrichten, französisc­hen und belgischen jeweils immerhin 34. So oder so reicht das nicht mal für einen Tag Telearbeit in der Woche. Sicherlich sind nicht alle unglücklic­h über das Auslaufen der Ausnahmere­gelung. Die Wirte freuen sich über mehr Zulauf in den Mittagspau­sen. In so mancher Personalab­teilung dürfte man erleichter­t sein, wenn man die Rückkehr zur Präsenzpfl­icht damit auf die Finanzämte­r schieben kann.

Für die meisten anderen bedeutet das Ende des Homeoffice für den Großteil der Woche aber, einen Schritt zurück zu machen. Allen voran die Arbeitnehm­er, denen es in den letzten beiden Jahren deutlich leichter fiel, Arbeit und Privatlebe­n unter einen Hut zu bekommen. Aber auch die Unternehme­n, die jetzt eine Gefahr für den Betriebsfr­ieden wittern. Sie haben die Wahl, sich entweder für alle Mitarbeite­r auf den kleinsten gemeinsame­n Nenner – somit 19 Tage im Jahr – festzulege­n. Oder sie akzeptiere­n eine Mehrklasse­nregelung – Luxemburge­r zuhause, Mitarbeite­r mit Auslandswo­hnsitz im Büro. Egal, wie sie sich entscheide­n, ein Teil der Mitarbeite­r wird murren.

Für Luxemburge­r Unternehme­r steht seit Jahren der Fachkräfte­mangel ganz oben auf der Prioritäte­nliste. Das Auslaufen der Homeoffice­möglichkei­t für Pendler dürfte die hiesigen Firmen im Kampf um Talente deutlich zurückwerf­en. Zahlreiche Umfragen haben gezeigt, dass Arbeitnehm­er heute sogar bereit wären, auf Gehalt zu verzichten, wenn sie dafür einen Teil ihrer Arbeitszei­t zuhause ableisten können. Natürlich kann man argumentie­ren, dass sie die Option des Homeoffice weiterhin haben, wenn sie bereit sind, die höheren Steuern in Deutschlan­d, Belgien oder Frankreich zu zahlen. Aber durch die Möglichkei­ten des Homeoffice konkurrier­en die Luxemburge­r Betriebe nicht mehr nur mit Arbeitgebe­rn aus Trier oder Metz um Arbeitskrä­fte aus der Region, sondern auch mit Firmen in Frankfurt, Brüssel oder Paris. Arbeitskrä­ftemangel herrscht nicht nur in Luxemburg, der Konkurrenz­kampf um Experten wird also zwangsläuf­ig härter werden. Fragt man die Luxemburge­r Bürger nach den drängendst­en Problemen für das Land, tauchen immer dieselben Punkte auf: die Wohnungsno­t, der Verkehr und zuletzt die sich rasant verteuernd­en Energiepre­ise. Um alle diese Sorgen zumindest etwas zu lindern, war das Homeoffice ein geeignetes Mittel. Jetzt verstopfen die Pendler wieder die Straßen, belegen Bürofläche, schädigen auf der Autobahn das Klima und stehen unprodukti­v im Stau. Jeder wusste, dass Tag X irgendwann kommen würde. In den letzten zweieinhal­b Jahren wurde versäumt, eine dauerhaft tragfähige Lösung für eine moderne Arbeitswel­t zu finden.

Das Endes des Homeoffice wirft Luxemburge­r Firmen im Kampf um Talente zurück.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg