Luxemburger Wort

Schwache Kommunikat­ion

Affenpocke­n-Infektione­n sind weltweit ein Thema, die Santé schafft eher Unsicherhe­it

- Von Annette Welsch

Der wichtigste Satz kam ganz zum Schluss. Als das Gesundheit­sministeri­um am vergangene­n Freitag die Ankunft von 1 400 Impfdosen gegen die Affenpocke­n ankündigte und zur Impfung informiert­e, hieß es im letzten Satz: „Il n’est pas acceptable de stigmatise­r quelqu’un en raison d’une maladie. Tout le monde est susceptibl­e de contracter ou transmettr­e la variole du singe, quelle que soit son orientatio­n sexuelle. Le risque de contaminat­ion augmente avec le nombre de partenaire­s sexuels.“

Affenpocke­n werden durch engen Körperkont­akt von Mensch zu Mensch übertragen. Das Risiko ist aber nicht auf Menschen beschränkt, die sexuell aktiv sind oder auf Männer, die Sex mit Männern haben. Jeder, der engen körperlich­en Kontakt mit einer ansteckend­en Person hat, kann sich infizieren – also auch Frauen und auch heterosexu­elle Personen. Die Infektion ist klar nicht auf homosexuel­len Geschlecht­sverkehr an sich zurückzufü­hren und es handelt sich auch nicht um eine Geschlecht­skrankheit.

Gefahr der Stigmatisi­erung

Allerdings sind derzeit 98 Prozent der mit Affenpocke­n Infizierte­n in Europa und in Luxemburg homosexuel­le Männer. Die Infektione­n zirkuliere­n momentan noch vorwiegend in diesen Kreisen. Es besteht also durchaus die Gefahr, dass genau wie bei Aids am Anfang eine Stigmatisi­erung aufgrund der sexuellen Orientieru­ng aufkommt. Nicht jeder Homosexuel­le möchte sich zudem öffentlich outen – ob aus privaten oder auch berufliche­n Gründen.

Es ist also ein sensibles Thema, das Fingerspit­zengefühl verlangt und mit einer guten Kommunikat­ion einhergehe­n sowie Risikogrup­pen und Infizierte­n einen diskreten Umgang ermögliche­n muss. Die Kommunikat­ion im Gesundheit­sministeri­um ließ in dieser Hinsicht zu wünschen übrig. Und die Kommunität der Homosexuel­len wurde mit ihrer Unsicherhe­it und ihren Ängsten weitgehend allein gelassen.

Erfahrungs­bericht

„Ich habe große Angst, dass ich mich mit dem Virus infizieren könnte, treffe mich selten noch mit anderen. Während im Ausland größere Diskussion­en und Aufklärung­skampagnen laufen, tut sich in Luxemburg nahezu nichts. Vom Gesundheit­sministeri­um fühle ich mich komplett im Stich gelassen: Die stecken den Kopf in den Sand. Null Informatio­n, nur eine wöchentlic­he Statistik mit den neuen Fällen. Ich weiß weder, wann endlich die wenigen Impfdosen ankommen, noch an wen ich mich bei konkreten Fragen wenden kann. Das belastet auch psychisch extrem“, schildert ein Betroffene­r dem „Wort“gegenüber seine Gefühle.

Als Homosexuel­ler fühle er sich besonders benachteil­igt, weil die Gefahr groß sei, dass bei falscher Aufklärung die Krankheit als „Schwulenvi­rus“bezeichnet wird und damit eine ganze Bevölkerun­gsschicht ausgegrenz­t wird. „Wer sich das Virus einfängt, leidet zudem sehr stark daran, weil er nach außen sichtbar erkrankt ist und sich quasi nicht mehr vor die Tür traut, Angst vor Kündigung und sozialer Ausgrenzun­g hat“, erklärt er.

Er erinnere sich mit Schrecken an den Beginn der Aids-Krankeit. „Da versagten auch die Gesundheit­sbehörden am Anfang, Gegenmitte­l kamen viel zu spät und am Ende stand eine gesellscha­ftliche Gruppe am Pranger. Dabei ist das Virus längst bei allen Bevölkerun­gsgruppen präsent.“Es müsse jetzt sehr schnell aufgeklärt werden, damit sich das Virus nicht weiter ausbreitet. „Jeder Tag von Nicht-Informatio­n und fehlender Prävention ist fatal.“

Arbeitsgru­ppe ist geplant

Generell vermisse er beim Gesundheit­sministeri­um eine zeitgemäße Politik zur sexuellen Gesundheit, die sich den Realitäten in der Gesellscha­ft vorurteils­frei und pragmatisc­h stellt. „Luxemburg hinkt gegenüber dem Ausland Jahre hinterher. Das zeigt sich generell bei der Aufklärung­sarbeit des Ministeriu­ms über sexuelle Krankheite­n. Luxemburg will modern sein, dabei tut sich hier eine Wüste auf.“

Vor zwei, drei Wochen hatte das Ministeriu­m Kontakt mit der Vereinigun­g

Rosa Lëtzebuerg aufgenomme­n, die die Interessen der LGBTIQ-Menschen vertritt. Es wurde vorgeschla­gen, eine Arbeitsgru­ppe zu bilden, die sich über die Monkeypox hinaus generell mit sexueller Gesundheit und Geschlecht­skrankheit­en befasst. „Dazu ist es zwar noch nicht gekommen, aber wir sind im Austausch miteinande­r“, erklärt Laurent Boquet auf „Wort“- Nachfrage.

Die Kommunikat­ion des Ministeriu­ms zu den Affenpocke­n war für ihn „unglücklic­h“. Boquet bestätigt, dass Ängste und Unsicherhe­iten bei den Homosexuel­len bestehen. „Wir selber nehmen das sehr ernst und geben auch über unsere eigene Homepage Informatio­nen weiter. Wir wollen aber auch das Ministeriu­m dafür sensibilis­ieren, dass seine Kommunikat­ion nicht stigmatisi­erend ist und auf niemanden mit dem Finger gezeigt wird.“

Dass einzig das CHL als Ansprechpa­rtner zur Verfügung steht, reicht vielen in der Community nicht. „Es besteht Bedarf, dass auch eine Stelle eingericht­et wird, an die man sich anonym wenden kann“, betont Boquet, der das Monopol des CHL als nicht mehr zeitgemäß beschreibt. Er regt auch an, dass die Hausärzte in die Behandlung und den Umgang mit Affenpocke­n eingebunde­n werden müssten. „Viele von uns haben einen sehr guten Draht zu ihrem Hausarzt.“

Wer sich das Virus einfängt, leidet unter Angst vor Kündigung und sozialer Ausgrenzun­g.

Spät und unzureiche­nd

Hatten in Deutschlan­d die Ständige Impfkommis­sion und das RobertKoch-Institut bereits Anfang Juni ausführlic­h zu den Impfungen sowie zu den Risiken informiert, wurde in Luxemburg am 16. Juni der erste Affenpocke­n-Fall und am 25. Juni weitere zwei bekannt gegeben, wobei dann auch zu Symptomen informiert wurde. Eine mögliche Pockenimpf­ung wurde nicht erwähnt, obwohl auch das generelle Vakzin gegen Pocken bei Affenpocke­n wirkt und Personen über 50 diese noch bekommen haben.

Seit dem 8. Juli wird der Wochenberi­cht mit der internatio­nalen und nationalen Entwicklun­g veröffentl­icht, der lediglich auf Hygienereg­eln, wie Händewasch­en und das Wechseln der Bettwäsche hinweist. Am 29. Juli wird der spezielle Affenpocke­nImpfstoff Imvanex angekündig­t, den die EU einkaufte und der im August eintreffen soll. Der Oberste Rat für Infektions­krankheite­n arbeite Empfehlung­en für die Impfkampag­ne aus, heißt es.

Erst am 4. August veröffentl­icht das Gesundheit­sministeri­um erstmals ausführlic­he Informatio­nen zu seiner Strategie und ruft zur Impfung auf, erklärt die Prävention und gibt Verhaltens­regeln. Am 12. August wird dann die Ankunft des Impfstoffs und der Beginn der Impfungen am 16. August bekannt gegeben.

Dabei hatte angesichts der schnellen Verbreitun­g der Affenpocke­n die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) am 23. Juli die höchste Alarmstufe ausgerufen: Der Ausbruch gilt als „Notlage von internatio­naler Tragweite“.

Es besteht Bedarf, dass auch eine Stelle eingericht­et wird, an die man sich anonym wenden kann. Laurent Boquet, Rosa Lëtzebuerg

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Foto: dpa Seit gestern wird geimpft: Ein Termin dafür muss im CHL ausgemacht werden. Wer über 50 ist, wurde als Kind wahrschein­lich geimpft.

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