Luxemburger Wort

Mehr Inhalte wagen

- Von Daniel Conrad

Euphorisie­rt kehrt LW-Journalist­in Nora Schloesser von ihrem Besuch in Kaunas zurück. Als Teil einer Luxemburge­r Abordnung rund um die Esch2022-Chefin Nancy Braun erzählt sie in der Redaktion von den Erlebnisse­n über das vergangene Wochenende und bringt viele Bilder und Eindrücke mit. Stolz sei dieser Kulturhaup­tstadt Europas anzumerken. Und das Publikum bei den Vorstellun­gen und Ausstellun­gen? Die Performanc­es seien ausverkauf­t, das Interesse spürbar gewesen. Dass hier neue Kulturorte erschlosse­n, Vergangenh­eit aufgearbei­tet und neue Chancen gerade in Nähe von aktuellen Kriegsgebi­eten entstehen würden, werde gewürdigt.

Und Esch2022? Noch vor ein paar Wochen kartete Guy Helminger nach: Im Beitrag für das ZDF-Kulturmaga­zin „Aspekte“wird der Luxemburge­r Autor nicht nur als rebellisch­er Geist vorgestell­t. Er sei „kulturhaup­tstadtskep­tisch“, so die Journalist­in Salwa Houmsi, die Helminger im Beitrag zum Gespräch bat. Die Kernstelle des Interviews in Bezug auf das Kulturjahr wiederholt einmal mehr bekannte Vorwürfe an die Verantwort­lichen. Die Kurzfassun­g der Kritikpunk­te: das „Weglegen“des von Janina Strötgen und Andreas Wagner erarbeitet­en und im von der EU-Kommission abgesegnet­en Bid Book, der politische Wechsel in Esch und seine Folgen für die Kulturhaup­tstadt – und die nötige Neubewerbu­ng der Projekte. „Was viele Leute nicht mehr gemacht haben. Ich zum Beispiel auch nicht“, so Helminger. „Vor allem gab es dann noch eine Klausel dazu, dass alle Künstler bis zu 50 Prozent ihres Kunstwerke­s selbst finanziere­n mussten; also selbst für Sponsoren sorgen mussten. Das ist ein Unding, das gab es nicht in ...“, Houmsi [fällt ihm ins Wort]: „Aber Luxemburg hat doch eigentlich genug Geld, oder?“, Helminger weiter: „Ja, wir sind sooo arm – das ist ein Politikum, in meinen Augen. Ich weiß nicht, woran es liegt, wie man auf eine so bescheuert­e Idee kommen kann.“

Einerseits hat Helminger nicht ganz unrecht. Es gab und gibt klare Kritikpunk­te an der Planung und Umsetzung. Man könnte aber ja auch in puncto Geld entgegnen: Wie bekommen denn die vielen anderen Künstlerin­nen und Künstler, die sich bei Esch2022 mit einem Projekt engagieren, eine profession­ell fundierte Finanzieru­ng hin?

Dabei gerät leider das, was diese reell Beteiligte­n inhaltlich leisten, in den Hintergrun­d. Kurz nach der Halbzeit erscheint es doch wichtiger, darüber zu diskutiere­n, welche Inhalte gut funktionie­rt haben. Auch eine Debatte darüber, was an neuen Spielorten dauerhaft eine Bereicheru­ng bringen könnte, und ob die beteiligte­n Gemeinden neue Initiative­n entdeckt haben, die sie auch im Sinne ihrer Bürgerinne­n und Bürger weiterbrin­gen könnten, wäre sinnvoll.

Die bewusste Verknappun­g spielt nur wieder Kritikern, gerade auch der angeblich nicht beteiligte­n freien Szene an Esch2022, in die Karten; egal aus welchen Gründen eine Opposition Sinn macht oder nicht. Vielleicht ist es ja auch viel schöner, zu unken oder sich „an denen da oben“abzuarbeit­en. Feindbilde­r helfen ja manchem, sich zu profiliere­n – egal, was man selbst substanzie­ll geleistet hat. Die, die reell beitragen, sollten besucht, in ihrer kreativen

Arbeit hinterfrag­t und in ihren Initiative­n begleitet werden. Das ist echter, kritischer Dialog im Sinne der Kultur.

Esch2022 braucht anderes als Nachkarten, nämlich echten Diskurs.

Kontakt: daniel.conrad@wort.lu

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