Frankreichs stiller Abzug aus Mali
Die französischen Soldaten haben Mali verlassen – die Lage für die Bundeswehr wird noch schwieriger
Der letzte französische Soldat überquerte am Montag um die Mittagszeit die staubige Grenze zwischen Mali und Niger bei Ouattagouna. Ganz ohne Aufsehen endete damit die französische Anti-Terror-Mission, die mehr als neun Jahre zuvor unter großem Jubel begonnen hatte. Frankreich hatte im Januar 2013 Soldaten nach Mali geschickt, um den Vormarsch der Islamisten auf die Hauptstadt Bamako zu stoppen. Die Regierung selbst hatte die einstige Kolonialmacht damals um Hilfe gebeten.
„Die malische Führung hat sich erst für eine Distanzierung und dann für einen Bruch mit ihren Partnern entschieden“, begründeten Berater von Emmanuel Macron den Truppenabzug, den der Präsident im Februar ankündigte. Fast ein Jahrzehnt zuvor war sein Vorgänger François Hollande in Mali noch als Retter des Landes gefeiert worden.
Doch nach dem Putsch gegen den Frankreich-treuen Präsidenten Ibrahim Boubacar Keïta 2020 wendete sich die Stimmung. Immer wieder kam es zu anti-französischen Demonstrationen, zuletzt am Sonntag, als mehrere Dutzend Menschen den sofortigen Abzug der Soldatinnen und Soldaten vom letzten französischen Stützpunkt Gao forderten.
Die Putschisten setzten im Kampf gegen islamistische Terroristen stattdessen auf andere Verbündete: Die russische Söldnertruppe Wagner, die Präsident Wladimir Putin nahe stehen soll, ist seit einigen Monaten im Land. Gemeinsam mit der regulären Armee soll sie auf der Suche nach Islamisten brutal gegen die Zivilbevölkerung vorgehen.
So wurden im Frühjahr bis zu 300 Zivilisten bei einem gemeinsamen Einsatz malischer Soldaten und russischer Söldner in der Ortschaft Moura im Zentrum des Landes hingerichtet, wie die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch berichtete.
Die UN-Mission Minusma, an der auch Deutschland mit gut tausend Soldatinnen und Soldaten beteiligt ist, dokumentierte in der ersten Jahreshälfte 1 304 Menschenrechtsverletzungen – 47 Prozent mehr als 2021. Nun ist die Arbeit der Ermittler allerdings blockiert. Ebenso wie die Überflüge der UNFlugzeuge, für die die malischen
Behörden die Erlaubnis verweigern. Ihren Höhepunkt erreichten die Schikanen der Regierung Mitte Juli, als 49 Soldaten aus der Elfenbeinküste festgenommen wurden, die nach Bamako gekommen waren, um die Minusma am Flughafen logistisch zu unterstützen.
Minusma-Sprecher Oliver Salgado wurde wegen „Falschinformationen“des Landes verwiesen.
Die Drangsalierungen haben Konsequenzen: Am Freitag setzte die Bundeswehr ihre Beteiligung am Minusma-Einsatz vorerst aus. Pläne zu einer Verlegung der Soldaten nach Niger sollen bereits vorliegen. Denn wenn Frankreich nicht mehr in Mali präsent ist, wird die Mission der anderen Länder noch gefährlicher. „Die EU und andere europäische Staaten sind in Westafrika auf französische Infrastruktur angewiesen – ob sie wollen oder nicht“, schreibt Jacob Ross von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.
4 000 Container Material und tausend Fahrzeuge brachten die französischen Truppen bei ihrem Abzug aus Mali heraus. Kampfflugzeuge und Hubschrauber sind schon lange in anderen Sahel-Ländern stationiert.
„Frankreich bleibt weiter im Sahel engagiert, am Golf von Guinea und in der Region des TschadSees“, teilte das französische Präsidialamt am Montag mit. Statt in Mali sollen die Soldatinnen und Soldaten nun in Niger und Tschad stationiert werden. Bis zum Jahresende wird allerdings auch ihre Zahl halbiert – auf rund 2 500 Einsatzkräfte für die gesamte Sahelzone mit ihren mehr als drei Millionen Quadratkilometern.
Auch wenn die französische Regierung auf die Erfolge des AntiTerror-Einsatzes in Mali hinweist, bei dem 59 Soldatinnen und Soldaten starben, sieht der Rückzug
doch eher nach einer Niederlage aus. „Macrons afrikanisches Waterloo“, nannte ihn das Magazin „Politico“im Frühjahr. Denn gut neun Jahre nach Beginn des französischen Einsatzes kontrollieren die Islamisten rund drei Viertel des gesamten Landes. Erst Anfang August töteten Islamisten 42 malische Soldaten auf dem Militärstützpunkt
Tessit. „Nach dem Rückzug Frankreichs aus Mali riskiert die EU, die malische Bevölkerung russischen Söldnern und dschihadistischen Extremisten zu überlassen“, schreibt Experte Ross. Während Syrien und Afghanistan zu Symbolen für den schwindenden Einfluss der USA geworden sind, könnte Mali für das Scheitern Europas stehen.
Während Syrien und Afghanistan zu Symbolen für den schwindenden Einfluss der USA geworden sind, könnte Mali für das Scheitern Europas stehen.