Geschichten aus dem Sumpf
Die Romanverfilmung von „Where the Crawdads Sing“überzeugt trotz Kitschmomenten
Streicheleinheiten am Strand, intensive Gefühlsmomente auf dem Fluss des „Great Dismal Swamp“in North Carolina und innige Naturerlebnisse in der Sumpflandschaft – mit derart romantisierenden Szenen kommt Olivia Newmans zweistündiger Streifen „Where the Crawdads Sing“daher. Obwohl die Verfilmung von
miteinander, gehen fließend oder anhand genial eingefädelter Schnitte ineinander über. Sie setzen so das Puzzle um die Figur der Kya Stück für Stück zusammen.
„Menschen bleiben nicht“Gezeichnet wird das Bild einer sehr naturverbundenen Frau, die seit ihrer Kindheit jede Menge Verluste und erschütternde Familienszenarien erleben musste. Kya wird immer wieder aufs Neue von der Gesellschaft enttäuscht. Und wenn sie sich dann doch gegenüber einer Person öffnet, wird ihr das meistens zum Verhängnis. „Menschen bleiben nicht“, muss die Anfang-Zwanzigjährige betrübt feststellen, als sogar der ihr nah stehende Tate, der ihr das Lesen und Schreiben beibrachte, sie im Stich lässt.
„Where the Crawdads Sing“balanciert hier zwischen zwei Polen: einer dramatischen Coming-ofAge-Geschichte in der Isolation und einem Gerichtsfilm, der – ohne zu viel mit dem Finger zu zeigen – die Skrupellosigkeit und Eitelkeit der Menschheit an den Pranger stellt. Zu dieser Brutalität und Unmenschlichkeit tragen auch Figuren – wie der tot aufgefundene Chase Andrews – bei. Er ist alles, aber kein Sympathieträger.
Vielmehr verkörpert er das, was man heute als „toxische Männlichkeit“bezeichnen würde. Als patriarchalischer Mann glaubt er sich Frauen gegenüber sowieso schon überlegen; dem „Sumpfmädchen“erst recht. Als Mann darf er sich schließlich alles nehmen, was er will, und das ohne Einschränkungen und Konsequenzen – oder etwa nicht?
Der Film thematisiert damit auch die damalige Unterdrückung der Frau, die sich in der Person der Kya manifestiert. Sie lehnt sich, wenn auch im Stillen, allerdings dagegen auf. Ob sie eines Mordes fähig ist, oder nicht, bleibt dabei ein Geheimnis. Das wird erst mit einem Blick in die Zukunft gegen Ende des Films gelüftet.
Zurück zur Natur
Der immer wieder als Brückenelement geschilderte Gerichtsprozess gestaltet sich überdies, ähnlich wie das Leben in der Gesellschaft, als ein Kampf ums Überleben. Die Natur wird nicht nur rein visuell hingegen zum Ruhepol. Der Sumpf ist Kyas Antriebskraft und Inspirationsquelle, die anhand großzügiger und erhabener Landschaftsaufnahmen ideal in Szene gesetzt wird.