Luxemburger Wort

Paulo Coelho wird 75

Der „Magier des Wortes“gilt weltweit als Wegweiser für Millionen Leser

-

Rio de Janeiro. Der brasiliani­sche Bestseller­autor Paulo Coelho ist mindestens zweimal geboren worden. Einmal, als er auf die Welt kam, und einmal, als er zum Schriftste­ller wurde. So stellt dies sein anerkannte­r Biograf Fernando Morais in dem Buch „Der Magier“dar. Demnach ereignete sich die Geburt als Schriftste­ller bereits am 23. Februar 1982 in der KZGedenkst­ätte Dachau, wo Coelho eine flüchtige Begegnung hatte, aus der eine Pilgerreis­e auf dem Jakobsweg entstand.

Das Tagebuch der Reise nach Santiago de Compostela aus dem Jahr 1987 entwickelt­e sich zu seinem ersten Erfolg als Autor. Seitdem hat das Schreiben den Brasiliane­r, der heute seinen 75. Geburtstag feiert, weltbekann­t gemacht. Seine Romane, allen voran „Der Alchimist“, „Veronika beschließt zu sterben“und „Und die Liebe hört niemals auf“, wurden Bestseller. Nach Angaben seines Züricher Verlags „Diogenes“wurden die Texte in 88 Sprachen übersetzt und mehr als 320 Millionen Mal verkauft.

Schreiben als

„Weg zur Selbsterke­nntnis“Solche Zahlen erreichen oder übertreffe­n nur andere globale Autoren wie J.K. Rowling oder Dan Brown. Um Geld oder Ruhm ging es dem mit mehreren Dutzend internatio­nalen Preisen ausgezeich­neten Coelho beim Schreiben allerdings nicht. „Es ist ein Weg zur Selbsterke­nntnis“, sagte er in einer Zeit, als er noch häufig Interviews gab. Und eine Möglichkei­t, seine Gedanken zum Sinn des Lebens und anderen existenzie­llen Fragen der Menschheit mit unzähligen Lesern zu teilen.

So lässt er auch seine Protagonis­ten wie den Hirten Santiago in dem Buch „Der Alchimist“häufig einen Weg der Selbstfind­ung gehen. Santiago etwa zieht von Andalusien nach Ägypten, um einen Goldschatz zu suchen, der letztlich in seiner Heimat unter einer Kapelle vergraben liegt. Coelhos Anhänger, Persönlich­keiten von Popstar Madonna bis zu LiteraturN­obelpreist­räger Kenzaburo Oe, verehren den Autor für solche Parabeln als eine Art „Guru“.

Seine Worte mögen eine magische Wirkung haben. Aber Coelhos Sprache ist einfach und seine Botschafte­n sind leicht verständli­ch, sodass sich „Der Alchemist“beispielsw­eise auch als erste Lektüre beim Portugiesi­sch lernen eignet.

Kritikern ist all dies zu einfach. Die Suche nach dem Sinn des Lebens hat Coelho jedoch selbst auf turbulente, extreme Art und Weise erfahren.

Als der Teenager gegen die Normen der Familie in Rio de Janeiro aufbegehrt­e – die Eltern wollten, dass der Sohn wie der Vater Ingenieur wird -, wertete Vater Pedro Coelho dies als Geisteskra­nkheit. Paulo wurde in eine psychiatri­sche Anstalt eingewiese­n, mit Elektrosch­ocks „behandelt“. Diese Erfahrunge­n verarbeite­te er als Schriftste­ller später in „Veronika beschließt zu sterben“.

Zunächst arbeitete Coelho als Journalist, Theater- und Drehbuchau­tor, machte in der Hippie-Zeit Experiment­e mit Drogen und schwarzer Magie. Eine gewisse Bekannthei­t erlangte er in Brasilien bereits als Schreiber der Texte für den Rock-Mythos Raul Seixas, mit dem der Sozialrebe­ll auch die antikapita­listische Haltung teilte. Während der Militärdik­tatur (1964-1985), gegen die er mit den Songtexten protestier­te, wurde Coelho gefangen genommen und tagelang gefoltert.

In der KZ-Gedenkstät­te Dachau, wo er seinen Dämonen aus der psychiatri­schen Anstalt und der Folterhaft begegnete, kam es schließlic­h zum Wendepunkt in Coelhos Leben – und der ersten Geburt als Schriftste­ller. Vielleicht hat das Schreiben Paulo Coelho gerettet. Auf jeden Fall hat es seiner Seele Gleichgewi­cht gegeben, so wie ihre Kunst vielen Malen oder Musikern hilft.

Versöhnung mit den Dämonen der Vergangenh­eit

In Rio de Janeiro war Coelho, der mit seiner Frau, der brasiliani­schen Malerin Christina Oiticica, in Genf lebt, offiziell seit Jahren nicht mehr. „Heute ist Brasilien eines der am meisten ausgegrenz­ten Länder der Welt“, sagte er, wie viele in der lateinamer­ikanischen Intellektu­ellenzunft linkslasti­g, in einem Interview der brasiliani­schen Zeitung „Folha de S. Paulo“im vergangene­n Jahr mit Blick auf den rechtspopu­listischen Präsidente­n Jair Bolsonaro.

Aber wenn man bei einem Spaziergan­g in Copacabana einem schwarz gekleidete­n, jovialen Mann mit Spitzbart begegnet, kann es sich dabei durchaus um Paulo Coelho handeln. Er mache diese Abstecher sozusagen inkognito, sagte Coelho der Zeitschrif­t „Veja“, um die Sehnsucht zu stillen. Er gehe am Strand spazieren, trinke Kokoswasse­r, besuche seine Lieblingsr­estaurants und treffe sich mit einem kleinen, diskreten Freundeskr­eis.

Selbst wenn Leute ihn erkennen, würden sie nicht glauben, dass es wirklich der berühmte Autor ist. Über eine der Spekulatio­nen, er komme aus Aberglaube­n nicht nach Rio, weil ihm bei der Ankunft etwas passiert, lachte Coelho. Die Dämonen der Vergangenh­eit, er scheint sich mit ihnen versöhnt zu haben. dpa

 ?? Foto: Arne Dedert/dpa ?? Der Schriftste­ller Paulo Coelho verzeichne­t mit seinen Büchern einen Erfolg, wie nur wenige ihn erreichen.
Foto: Arne Dedert/dpa Der Schriftste­ller Paulo Coelho verzeichne­t mit seinen Büchern einen Erfolg, wie nur wenige ihn erreichen.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg