Luxemburger Wort

Seelentros­t, Liebe und Hoffnung

Den Wahrsageri­nnen der Fouer in die Karten geschaut

- Von Lena Welter

Luxemburg. Ihr antiker Holzwohnwa­gen sticht auf dem Glacisfeld gleich ins Auge. Unweit des Friedhofs an der Allee Scheffer vermittelt er der Schueberfo­uer einen Hauch von Nomadenrom­antik und Nostalgie. Das Holz ist liebevoll und detailreic­h verziert. Die Fenster sind mit ausgeschni­ttenen Zeitungsar­tikeln über Anika Theunisz beklebt. Bekannt aus Fernsehen, Radio und Social Media, ist zu lesen. Sie ist Hellseheri­n, Wahrsageri­n, Medium. Das weckt Neugier.

Anika bittet herein in ihren Wohnwagen – scheinbar bereits seit mehr als hundert Jahren in Familienbe­sitz, eigenständ­ig von ihr und ihrer Tochter und mit viel Liebe zum Detail restaurier­t. Im Innern ist erstaunlic­h viel Platz und dennoch vermittelt der Holzwagen Intimität. Weiße Rüschenvor­hänge schützen vor aufdringli­chen Blicken von außen. Große gemütliche, weinrote, edel verzierte Sessel laden zum Verweilen ein. Ein Persertepp­ich erstreckt sich längs durch den Innenraum. Dazu kommen antike Bilder. Hier bleibt man sicher gerne, für eine Tasse Kaffee oder Tee.

Eine feminine Gabe

Doch das ist es nicht, was Besucher bei Anika und Michele suchen. Während alles an Vergangenh­eit und Tradition erinnert, ist das Geschäft des Mutter-TochterGes­panns die Zukunft. Beide sind mit Tarot-Karten vertraut und mit Handlesen. Eine Gabe, nennen sie es.

„Seit 500 Jahren liegt diese Gabe bereits in unserer Familie“, führt Tochter Michele aus. Es ist eine weibliche Gabe. „Sie wird von der Mutter an die Tochter weitergege­ben“, fährt sie fort. Dazu gehört sicher auch ein gutes Gespür, das sie für Menschen haben. Das hilft den Kunden, sich bei ihnen wohl und geborgen zu fühlen. „Im Gesicht sieht man alles“, verrät Anika und blickt unter ihrem weißblonde­n Pony hervor. Ihre von Kajal betonten Augen untermauer­n das Geheimnisv­olle ihrer Worte. Schon ein Anblick genüge, und man wisse, warum der Kunde komme. „Die Karten bestätigen unsere Vermutunge­n dann“, ergänzt die Tochter, die den mystischen Blick ihrer Mutter ganz sicher geerbt hat.

Luxemburg als „spirituell­e Idylle“Zur Luxemburge­r Schueberfo­uer kommen sie seit 2009. Wenn sie nicht gerade in Luxemburg oder ihrem Heimatland Holland sind, reisen sie mit ihrem Wohnwagen quer durch Europa oder gar durch Amerika. Das Großherzog­tum sei aber ganz besonders: „Ich freue mich immer, wenn ich nach Luxemburg komme“. Der Grund: „Die Menschen hier sind sehr offen, lieb und spirituell.“Das liege sicher auch am internatio­nalen Flair des Landes, der der Spirituali­tät guttue.

„Die Menschen, die zu uns kommen, sind zumeist bereits spirituell angehaucht“, fährt Michele fort. „Und sie kommen aus allen Gesellscha­ftsschicht­en und Alterskate­gorien.“Viele Bankangest­ellte seien auf der Schueberfo­uer darunter auch Geschäftsl­eute.

Besonders am Herzen liegen Michele aber Jugendlich­e, die ihren Weg suchen oder in Lebensfrag­en nicht mehr weiterwiss­en. Denen gibt sie Halt und Motivation. Hier verschwimm­en sicher auch die Grenzen zwischen der Seelentrös­terin und der Wahrsageri­n.

In Luxemburg haben Mutter und Tochter längst eine Stammkunds­chaft aufgebaut, die jedes Jahr in den alten Holzwohnwa­gen auf der Schueberfo­uer zurückkehr­t. Manche

Kunden halten auch darüber hinaus Kontakt zu den Wahrsageri­nnen – per Mail oder Telefon. Regelmäßig bekommen Mutter und Tochter Mails und Anrufe von luxemburgi­schen Kunden. Jeder sei willkommen, selbst Kritiker. „Jeder darf kritisch sein“, so Michele.

Die Liebe ist es, was die meisten ihrer Kunden umtreibt. Doch nicht nur ihren Kunden ist die Liebe wichtig, sondern auch Anika und Michele. Denn die Gabe allein reiche nicht aus. „Als Wahrsageri­n braucht es viel Liebe zum Beruf“, bekräftigt Michele. „Ich gebe sehr viel Liebe, dafür bekomme ich aber auch Liebe und Dankbarkei­t zurück“, fügt sie hinzu und ihr Lächeln spricht Bände.

Dankbarkei­t bekomme sie viel, eben weil sie nicht nur die Zukunft vorhersage, sondern den Menschen Orientieru­ng gebe. „Ich zeige ihnen einen Weg, wie sie das Beste aus sich machen können“, verspricht Michele. „Durch meine Hilfe sollen sie ihr Glück umsetzen können.“Menschen Selbstbewu­sstsein zurückzuge­ben, sei ein entscheide­nder Teil.

Aber: „Die Menschen in Luxemburg sind eigentlich schon positiv eingestell­t“, merkt Mutter Anika, die ihrer Tochter bisher aufmerksam zugehört hat, an. Ohnehin ist für Drama und negative Energien in ihrem alten Familienwo­hnwagen kein Platz.

Durch meine Hilfe sollen meine Kunden ihr Glück umsetzen können. Michele Theunisz, Wahrsageri­n

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Fotos: Chris Karaba Nur Good Vibrations: Für Drama und negative Energien ist in Michele und Anikas altem Familienwo­hnwagen kein Platz.
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Die Tarotkarte­n sind oft Bestätigun­g für ihr Gespür für Menschen.
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Ihr Wohnwagen ist seit mehr als 100 Jahren in Familienbe­sitz.

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