Wo ist denn der Auspuff hin?
Nach Jahren des Protzens verschwinden zunehmend die fetten Öffnungen für die Endrohre – nicht nur bei Elektroautos
Für den Verbrennungsmotor ist der Auspuff ein notwendiges Übel, für Sportwagen-Enthusiasten ein Indiz für Leistung. Je fetter der Auspuff und je höher die Zahl der Endrohre, desto stärker der Motor – so die vereinfachte Formel.
Tatsächlich gibt es einen solchen Zusammenhang. Denn die Form, die Länge und auch der innere Aufbau eines Auspuffs werden bereits vom Hersteller auf den jeweiligen Motor abgestimmt. Weshalb durch Änderungen des Abgassystems, wie beispielsweise durch den Einbau eines Sportauspuffs, die Leistung des Fahrzeugs optimiert werden kann.
Optik ist alles
Das hat Fahrzeughersteller in der Vergangenheit verstärkt dazu verleitet, am Ende der Abgasleitung ordentlich zu protzen. Indem entweder die Auspuffanlage so konzipiert wurde, dass die Endrohre am Fahrzeug auch standesgemäß zur Geltung kommen, oder aber zumindest die sichtbaren Öffnungen am Heck so gestaltet wurden, dass wenigstens der Eindruck entsteht, der Abgasdruck sei zu mächtig, um ihn durch ein oder zwei unscheinbare Röhrchen in Richtung Ausgang zu jagen.
Als Verkaufsargument hat das lange funktioniert – bis dann etwas dazwischen gegrätscht ist: das Elektroauto. Das nämlich erzeugt keine Abgase und benötigt deshalb auch keinen Auspuff. Fahrzeughersteller wie Tesla hatten damit nie ein Problem, da der amerikanische Vorreiter auf dem Gebiet der Elektromobilität ausschließlich Fahrzeuge ohne den konventionellen Verbrennungsmotor produziert.
Doch wie reagiert ein Fahrzeughersteller, der beides in der Produktpalette hat? Wie schafft man es – vor allem im Premiumsegment -, mit Elektrofahrzeugen eine bewusst nachhaltige Kundschaft zu überzeugen, ohne zeitgleich den Teil der Klientel zu vergraulen, der doch lieber mit dem Verbrenner unterwegs ist? Und der beim Durchtreten des Gaspedals nicht auf das über Jahrzehnte hinweg gezüchtete Röhren seines Sechszylinders oder das lässige Blubbern seines V8s verzichten möchte?
Aus den Augen, aus dem Sinn
Die Antwort beschäftigt derzeit alle Unternehmen, die sich in diesem Transformationsprozess befinden. Und wie ein Übergang aussehen kann, zeigt beispielsweise das Facelift des aktuellen Volvo XC60. Die Hersteller haben das Modell auf den ersten Blick optisch nur minimal überarbeitet. Doch wenn man die alte und die neue Version von hinten miteinander vergleicht, dann fällt auf, dass bei dem kosmetischen Eingriff der Auspuff verschwunden zu sein scheint.
Nun, der Auspuff ist zwar immer noch vorhanden, wurde aber dezent hinter dem Stoßfänger versteckt. Keine großen Öffnungen mehr in der Einheit aus Stoßfänger und Diffusor, stattdessen eine Heckansicht, die den Betrachter durchaus zu der Schlussfolgerung führen kann, ein Elektrofahrzeug vor sich zu haben.
Auf die Anfrage an Volvo, ob das Heck bewusst so gestaltet worden sei, dass genau dieser Eindruck entsteht, teilt eine Sprecherin des schwedischen Autobauers mit, dass Designentscheidungen von einer Reihe von Faktoren beeinflusst würden. Dazu zählten Ästhetik und Aerodynamik, die Komplexität der Teile oder eben die Designsprache.
„Die Nomenklatur am Heck des XC60 wird immer deutlich machen, ob es sich um eine Mild-Hybridoder um eine Plug-in-Hybrid-Variante handelt, auch wenn die herkömmlichen integrierten Auspuffendrohre im Stoßfänger fehlen“, so die Sprecherin. Heißt: Wer sich mit dem Modell etwas genauer auskennt, weiß auch, dass dort hinter dem Stoßfänger irgendwo ein Abgassystem enden muss.
Bald wird aber auch das verschwunden sein. Denn Volvo hat bereits vor Jahren angekündigt, ab 2025 nur noch rein elektrisch angetriebene Fahrzeuge zu produzieren. Insofern ist das Facelift des XC60 nur ein Vorgeschmack auf das Unausweichliche.
Dröhnen aus dem Soundsystem
Für Volvo ist dieser Schritt recht harmlos, da ein „Schwedenpanzer“andere Assoziationen weckt als beispielsweise ein 911er. Weshalb Hersteller wie Porsche vor ganz anderen Herausforderungen stehen. Zwar hat auch der Automobilbauer aus Stuttgart inzwischen einen vollelektrischen Sportwagen im Programm, der ohne Auspuff auskommt und dem Unternehmen auch gute Absatzzahlen beschert. Doch das wirkliche Mammutprojekt dürfte die bereits angekündigte Elektrifizierung des 911er sein.
Den Sechszylinder-Boxermotor durch ein Elektroaggregat ersetzen; das mag vielleicht bei Subaru recht geräuschlos funktionieren, aber eben nicht beim 911er, der Sportwagen-Ikone schlechthin. Ob die Kunden sich damit zufriedengeben werden, dass der Klang nicht vom Motor, sondern künstlich erzeugt über ein Soundsystem in den
Fahrgastraum dröhnen wird, bleibt abzuwarten. Und was ist mit dem Auspuff? Werden eingefleischte 911er-Fans akzeptieren, dass der Sportwagen nicht nur rein elektrisch unterwegs ist, sondern von hinten auch noch so aussieht?
„Es geht um den Wiedererkennungswert und um Elemente, die man am Fahrzeug einfach gewohnt ist“, sagt Othmar Wickenheiser, Professor für Design an der Hochschule München. Auch er registriert einen inzwischen deutlich zurückhaltenderen Umgang mit der Auspuffanlage. Und das vor allem bei Hybridfahrzeugen. Gleichzeitig beobachtet Wickenheiser aber auch einen Trend, der genau in die entgegengesetzte Richtung geht.
Eine neue Aufgabe für das Rohr
„Es gibt interessanterweise auch Elektrofahrzeuge, die mit Auspuff-Simulationen ausgestattet sind“, sagt er, „als Reminiszenz an den Rennsport.“Der Design-Professor ist davon überzeugt, dass der Auspuff als Gestaltungselement
die Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor sogar überleben wird. „Es könnte sein, dass er dann eine andere Funktion übernehmen wird“, meint Wickenheiser. Bislang sei der Auspuff ja vor allem negativ behaftet, da über ihn die Emissionen ausgeblasen würden, erklärt er. Vielleicht gelinge es ja, einen eher positiven Verwendungszweck zu finden.
Der Übergang zum Elektrofahrzeug ist also nicht ganz so geschmeidig wie dessen Beschleunigung. Doch die richtig großen Veränderungen in Sachen Design sieht Wickenheiser ohnehin nicht in der Transformation des Fahrzeugantriebs. „Wenn die Autos komplett autonom fahren, dann werden wir auch auf grundlegende Elemente des Fahrzeugs verzichten können, wie beispielsweise die Frontscheibe“, sagt der Design-Professor. „Die Gesamtarchitektur des Fahrzeugs könnte sich durch das vollautonome Fahren komplett verändern“, fügt er hinzu. Fahrzeugdesignern stünden jedenfalls sehr spannende Zeiten bevor.