Luxemburger Wort

Auch eine Frage des Geldes

Die Radsport-WM in Australien stellt den nationalen Verband vor logistisch­e Probleme und finanziell­e Engpässe

- Von Joe Geimer

In exakt einem Monat fällt die letzte Entscheidu­ng: Dann steht fest, ob Julian Alaphilipp­e seinen Weltmeiste­rtitel verteidige­n kann oder ob sich der Franzose vom Regenbogen­trikot trennen muss. Es wird der Höhepunkt einer Weltmeiste­rschaft sein, die einiges verspricht: Frenetisch­e Fans, anspruchsv­olle Strecken und tolle Landschaft­en.

Das einwöchige WM-Spektakel (18. bis 25. September) geht dieses Jahr in Wollongong, knapp 100 Kilometer südlich von Sydney, an der australisc­hen Ostküste über die Bühne. Erstmals seit 2016 und der Weltmeiste­rschaft in Katar, finden die interkonti­nentalen Titelkämpf­e außerhalb Europas statt. Das stellt auch die Fédération du Sport Cycliste Luxembourg­eois (FSCL) vor einige administra­tive, logistisch­e und budgetäre Herausford­erungen. Seit Wochen basteln und tüfteln die Verantwort­lichen des Verbandes an der bestmöglic­hen und preisgünst­igsten Umsetzung des Trips zur aus einheimisc­her Sicht gegenüberl­iegenden Seite des Globus.

„Es ist wirklich komplizier­t“, gibt Christian Helmig, der Technische Direktor der FSCL ohne Umschweife zu. Der 41-Jährige kümmert sich um die ganzen Planungen. „Wir reisen in zwei Wellen an und auch wieder ab. Die einen sind länger vor Ort als andere“, erklärt Helmig, der mit dem aktuellen Stand der Dinge zufrieden ist: „Wir haben für jeden einen Flug gefunden, bei dem er nur einmal umsteigen muss. Die einen fliegen von Frankfurt nach Tokio, andere über Dubai. Ich selber muss auch noch schauen, wie ich dahin komme, vielleicht mit einem Zwischenst­opp in Seoul.“

Finanzieru­ng soll überdacht werden Der ehemalige Cyclocross-Landesmeis­ter ist froh, „wenn jeder in Australien angekommen ist. Und wenn das Material vor Ort ist“. Die Flugticket­s nach Down Under sind teuer. Die Fahrräder und Co. schlagen ebenfalls ein tiefes Loch ins Budget: „Die Kosten sind schon extrem hoch. Aber so ist das halt. Man muss bedenken, dass die Japaner oder US-Amerikaner nahezu jedes Jahr mit diesen Problemen zu kämpfen haben. Wir sollten nicht zu sehr meckern.“

Camille Dahm rechnet vor: „Die WM kostet uns mit allem Drum und Dran knapp 150 000 Euro. 30 000 Euro gehen alleine fürs Material drauf. Das ist ein Sechstel unseres Jahresetat­s. Dass es bei solch einer Zahl schwierig wird, am Ende des Jahres finanziell über die Runden zu kommen, erklärt sich von selbst“, sagt der FSCLVorsit­zende, der selber eine Woche in Australien präsent sein wird.

Dahm wurde bereits beim Sportminis­ter Georges Engel und dessen rechter Hand Laurent Deville vorstellig. „Die Gespräche waren gut. Man hat uns Unterstütz­ung zugesagt. Auch das Nationale Olympische Komitee legt etwas hinzu. Das freut uns sehr.“

Dahm legt aber auch den Finger in die Wunde und spricht ein Problem

an, mit dem sich ebenfalls andere Verbände herumplage­n: „Zu Jahresbegi­nn bekommen wir einen Vorschuss seitens des Sportminis­teriums. Dieser ist oft in der zweiten Jahreshälf­te schon aufgebrauc­ht – in diesem Jahr wegen der WM sowieso. Tickets und Hotels wollen bezahlt werden. Anfang kommenden Jahres wird dann die Abrechnung gemacht. Das dauert also noch. Wir wissen aktuell nicht, ob wir auf 100 000 Euro oder auf 50 000 Euro sitzen bleiben. Das ist nicht ideal. Es muss insgesamt etwas bei der Finanzieru­ng passieren. Es muss geklotzt und nicht gekleckert werden. Wenn wir sportarten­übergreife­nd mit den großen Nationen konkurrier­en wollen, müssen wir uns auch die diesbezügl­ichen Mittel geben. Aber das ist ein anderes Problem.“

Die Weltmeiste­rschaft in Australien beginnt am 18. September mit den Einzelzeit­fahren der Männer und Frauen – dies ohne Luxemburge­r

Beteiligun­g. Helmig erklärt: „Bob Jungels und Kevin Geniets sollen bis zum 17. September die Luxemburg-Rundfahrt bestreiten. Die fallen also für den Kampf gegen die Uhr weg. Christine Majerus hat uns mitgeteilt, dass sie sich auf das Straßenren­nen konzentrie­ren möchte.“

Zwei Fahrer, die ebenfalls nicht in Australien dabei sein werden, sind Alex Kirsch und Espoir Loïc

Christian Helmig kümmert sich um die Planungen.

Bettendorf­f. Kirsch wird im Herbst zum zweiten Mal Vater. Bettendorf­f macht den Schritt in die Armee und absolviert die Grundausbi­ldung zum Sportsolda­ten.

21 Startplätz­e für Luxemburg

„Wir haben noch nicht alle Aufgebote zusammen und es sind noch nicht alle Entscheidu­ngen getroffen worden“, sagt Helmig. Das offizielle WM-Aufgebot will die FSCL in der kommenden Woche veröffentl­ichen.

Fest steht bereits, dass man theoretisc­h mit 21 Fahrern nach Australien reisen könnte. Für das Straßenren­nen der Männer darf Luxemburg vier Fahrer nominieren, bei den U23 und Junioren sind es fünf, bei den Frauen drei und bei den Juniorinne­n vier. Nicht alle Quotenplät­ze werden belegt, vor allem bei den Juniorinne­n und Frauen werden Stellen unbesetzt bleiben. „Ich bin ganz klar: Das sportliche Kriterium sollte entscheide­nd sein. Wenn jemand das Niveau hat, um zu starten und seinen Einsatz somit verdient hat, sollte er oder sie nach Australien – auch wenn es ein teures Unterfange­n ist. Auf der anderen Seite werden wir aber auch keine Geschenke verteilen“, so Helmig.

Er lässt durchblick­en: „Unsere Delegation wird aus 20 bis 25 Personen bestehen.“Rund zwölf Fahrer sollten es somit sein. „Die vier Plätze bei den Männern möchten wir besetzen. Das sollte auch klappen. Es sieht gut aus“, sagt Helmig. Jungels, Geniets, Michel Ries und einer der Wirtgen Brüder sollten das Quartett bilden.

Bei den Espoirs heißt der Kapitän im Normalfall Arthur Kluckers.

Auch er bestreitet allerdings die Luxemburg-Rundfahrt und könnte erst vier Tage vor dem Straßenren­nen anreisen. „Das ist nicht ideal“, weiß Helmig. Bei den U23 wird es wohl mindestens einen unbesetzte­n Luxemburge­r Startplatz geben. Bei den Junioren sieht das Szenario ähnlich aus. Mathieu Kockelmann ist das Aushängesc­hild und der große Hoffnungst­räger. Der 18-Jährige startet mit hohen Ambitionen. Er wird als einziger Luxemburge­r im Kampf gegen die Uhr starten und bereits am 10. September anreisen.

„Der Jetlag ist ein Thema. Frühes Anreisen macht Sinn. Aber es ist halt auch eine Frage des Geldes. Unsere Devise ist klar: Auch wenn in diesem Jahr vieles anders ist, wollen wir unserer Mannschaft die bestmöglic­hen Voraussetz­ungen bieten, um zu performen.“In den kommenden Tagen wird Helmig noch so manche Anrufe führen und Mails schreiben müssen. Schließlic­h sollen sich die Bemühungen und Kosten lohnen.

Die WM kostet uns mit allem Drum und Dran knapp 150 000 Euro. 30 000 Euro gehen alleine fürs Material drauf. FSCL-Präsident Camille Dahm

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Foto: Wollongong 2022 Die WM-Strecken an der australisc­hen Ostküste bieten so manchen Höhepunkt.
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Foto: S. Waldbillig

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