3D-Scanner aus Luxemburg für die Ukraine
Artec3D will mit tragbaren Geräten helfen, Kriegsverbrechen zu dokumentieren und Kulturschätze zu bewahren
Die drei in Moskau und Nowosibirsk geborenen Firmengründer Artjom Yuchin, Sergej Suchowej und Gleb Gusew studierten zusammen auf der Staatlichen Technischen Universität Baumann in Moskau. Später gingen sie nach San Diego in Kalifornien, wo sie 2007 Artec3D ins Leben riefen – heute ein weltweit führender Anbieter von 3D-Scannern.
2010 richteten sie den Hauptsitz in Luxemburg ein, wo die drei Firmengründer – inzwischen Luxemburger Staatsbürger – heute auch leben. Das Besondere an dem Unternehmen ist nicht nur die 3DTechnologie – sie scannten zum Beispiel den ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama -, sondern dass sich Unternehmen und Firmengründer tatkräftig gegen Putins Angriff auf die Ukraine einsetzen.
Hatte Artec3D bis zum Überfall auf die Ukraine noch ein Büro in Moskau, so wurde dieses inzwischen geschlossen – auch weil ohnehin viele Mitarbeiter und ITSpezialisten Russland verlassen haben. Die Mitarbeiter in Luxemburg haben 25 verschiedene Nationalitäten, darunter Ukrainer und auch ein Japaner.
Dokumentation von Kriegsverbrechen
2018 brachte Artec3D mit „Artec Leo“einen nutzerfreundlichen, tragbaren 3D-Scanner auf den Markt, der kabellos und dessen Software einfach zu bedienen ist. Das Ding, das ein bisschen wie ein überdimensionierter stylischer Föhn aussieht, wird vor allem von Archäologen genutzt, in der Medizintechnik, Industrie oder auch von Künstlern.
Jetzt sollen die Geräte auch helfen, Kriegsverbrechen in der Ukraine aufzuklären. Dazu stellt Artec3D der Abteilung für Menschenrechtsverletzungen der nationalen Polizei der Ukraine Scanner „Made in Luxembourg“für die forensische Dokumentation von Beweisen zur Verfügung. „Auf diese Weise sollen die Aufklärung von Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord erleichtert werden“, so Artec3D.
„Es ist uns eine Ehre, in dieser schwierigen Zeit mit der ukrainischen Polizei zusammenzuarbeiten, und es erfüllt uns mit Stolz, dass unsere Technologien für einen so wichtigen Zweck eingesetzt werden“, erklärt Art Yuchin (engl. transl. Artyom Yukhin), CEO und Präsident von Artec3D. Wie Artec mitteilt, seien die Möglichkeiten zum Einsatz der 3DScanner innerhalb des Kriegsgebietes vielfältig.
Einerseits könnten damit Kriegsverbrechen dokumentiert werden, andererseits könne die Scantechnologie auch zur kraniofazialen Identifizierung – also der forensischen Gesichtsrekonstruktion – eingesetzt werden. „Darüber hinaus eignet sich die Technologie zur Dokumentation von menschlichen Überresten sowie zur Beweissicherung von Schäden an Häusern, Fahrzeugen sowie betroffener Infrastruktur“, so das Unternehmen aus Hamm.
Die schnelle und exakte Erfassung von Daten sowie die Speicherung für eine spätere Nutzung seien von entscheidender Bedeutung. Gegenstände und Örtlichkeiten könnten mit der Artec3DTechnologie in wenigen Minuten gescannt, digitalisiert und als Einszu-eins-Abbild dargestellt und abgespeichert werden. Diese 3D-Abbilder könnten dann über einen Cloud-Speicher Ermittlern überall auf der Welt zur Verfügung gestellt werden.
Schon heute werden Scanner von Artec3D auch von Polizeidienststellen und anderen Behörden in zahlreichen Ländern eingesetzt, wie das Unternehmen sagt.
Digitalisierung gefährdeter Kulturgüter
Artec3D unterstützt darüber hinaus die Organisation LUkraine in Luxemburg, die Ukrainern in ihrem Heimatland und im Großherzogtum hilft. Neben 50 000 Euro hat Artec3D ein Spendensystem für alle seine Mitarbeiter eingeführt und außerdem damit begonnen, ein Prozent von jedem Verkauf des 3D-Scanners Artec Leo zu spenden.
Seit dem Ausbruch des Krieges in ihrem Land haben ukrainische
Kunden und Partner von Artec3D auch begonnen, mit dem ArtecLeo-Scanner mehr als ein Jahrtausend an unersetzlichem Kulturerbe digital zu erfassen. „Die submillimetergenauen 3D-Farbscans von Gemälden, Skulpturen, Kirchen, Denkmälern und vielem mehr werden weit weg von der Front sicher archiviert“, so das Unternehmen. „Für den hoffentlich niemals eintretenden Fall, dass die Originale beschädigt oder zerstört werden, dienen die mit Artec-Scannern erstellten 3D-Scans als exakte Referenzmodelle für Reparaturen oder Rekonstruktionen, sei es durch 3D-Druck oder traditionelle Methoden.“
Wie Artec mitteilt, arbeiten ukrainische Museen und Kunstkuratoren an der Bereitstellung solcher 3D-Modelle auf verschiedenen Online-Plattformen, so dass einzigartige Objekte von überall auf der Welt betrachtet werden können. Anfang 2020 verlegte Artec3D den Firmensitz von Dommeldingen
nach Hamm, nachdem am alten Standort der Platz zu knapp geworden war. War Luxemburg zuerst nur als Logistikstandort gedacht, so stellt Artec3D dort heute einige seiner unterschiedlichen 3D-ScannerModelle her. Damit können kleine Objekte und ganze Häuser gescannt werden. Verkaufspartner zählt Artec3D heute knapp 150 in 60 Ländern.
2014 scannte Artec3D den damaligen US-Präsidenten Barack Obama. Seit Abraham Lincoln wird von jedem scheidenden Präsidenten eine Gesichtsmaske angefertigt. Erstmals dauerte die ganze Prozedur keine Stunden, sondern nur wenige Minuten. Es war laut Weißem Haus das weltweit erste 3D-Porträt eines Präsidenten.
Mittlerweile nutzen bekannte Konzerne wie Google, Ikea, Volkswagen, ArcelorMittal, Tesla, Boeing und SpaceX die Scan-Technologie von Artec3D.
Für den Fall, dass die Originale beschädigt oder zerstört werden, dienen die 3DScans als exakte Referenzmodelle für Reparaturen oder Rekonstruktionen. Artec3D