Luxemburger Wort

„Einen lebenswert­en Planeten hinterlass­en“

Marc Hansen (Déi Gréng) über seine erste Legislatur­periode

- Interview: Annette Welsch

Marc Hansen (54) ist Apotheker und begann sein politische­s Engagement auf kommunaler Ebene: Von 2012 bis November 2019 war er Mitglied des Gemeindera­tes in Käerjeng. 2013 nahm er erstmals für die Grünen an Nationalwa­hlen teil und rückte im Zuge der Regierungs­bildung nach den Wahlen von 2018 ins Parlament nach. Hansen war immer links-ökologisch orientiert, die Kopenhagen­er Klimakonfe­renz gab dann den Ausschlag, eher die grüne Richtung einzuschla­gen als die sozialdemo­kratische. Über Jahre seien in Fragen der Nachhaltig­keit die falschen Entscheidu­ngen getroffen worden, eine grüne Politik werde immer wichtiger, sagt der Vater von vier Kindern.

Marc Hansen, mit welchen vier Adjektiven würden Sie sich beschreibe­n?

Ich bin ruhig – eher bedächtig in meinen Überlegung­en – und ich würde mich als empathisch bezeichnen, was auch in meinem Beruf als Apotheker wichtig ist. Damit hängt dann auch das Faktenbasi­erte zusammen, das ich durch meine wissenscha­ftliche Ausbildung erworben habe und worauf ich einen starken Akzent lege. Und schlussend­lich bin ich sehr naturund tierverbun­den.

Was hat Sie dazu bewogen, nationalpo­litisch aktiv zu werden?

Ich entschied 2009 nach der Klimakonfe­renz in Kopenhagen, die ich als katastroph­al empfunden hatte, dass ich mich politisch engagieren will. 2012 begann ich in der Gemeindepo­litik, merkte aber ganz schnell, dass Kommunalpo­litik, Nationalpo­litik und Europapoli­tik stark zusammenhä­ngen und es wichtig ist, auf den verschiede­nen Ebenen aktiv zu sein, um Probleme auch lösen zu können. Ich trat dann relativ schnell 2012 dem Exekutivbü­ro der Grünen bei, um auch nationalpo­litisch Erfahrung zu sammeln. Da lag der Schritt in die aktive Nationalpo­litik nahe, den ich 2013 dann auch ging.

Mit welchen Erwartunge­n traten Sie Ihr Mandat an und wurden diese erfüllt?

Meine Erwartunge­n waren, dass man über den Austausch mit den Bürgern und den Konsens mit anderen Parteien schrittwei­se bei verschiede­nen Themen, wie Klimapolit­ik und sozialen Fragen vorankommt. Ich habe aber gemerkt, dass die politische Stimmung über Faktenverd­rehungen aufgeheizt und zudem aufgehetzt wird und eine sachliche Diskussion oft sehr schwer ist. Das gilt für die Klimapolit­ik, man hat es aber auch in der Bekämpfung der Covid-Pandemie gemerkt, als auf einmal das Politische so in den Vordergrun­d trat, dass die faktenbasi­erten Entscheidu­ngen, die hätten getroffen werden müssen, zu kurz kamen.

Eine weitere Erkenntnis ist, dass Entscheidu­ngen wegen Krisen auf einmal aber auch sehr schnell gehen können – wie die Energiewen­de voranzutre­iben wegen der Ukrainekri­se. Das hätte schon vor zehn, 20 Jahren entschiede­n werden können.

Wer ist Ihr politische­s Vorbild und warum?

Damit tue ich mich schwer. Ich respektier­e grundsätzl­ich Menschen, die selbst zum Wohl von anderen in den Hintergrun­d treten, wenn es um die Verteidigu­ng von Grundrecht­en, das Engagement zum Klimawande­l oder den Kampf für soziale Gerechtigk­eit geht. Da haben Leute wie Nelson Mandela oder Mahatma Gandhi und im sozialdemo­kratischen Spektrum ein Willy Brandt mich geprägt.

Bei den Grünen sind es Joschka Fischer oder Daniel Cohn-Bendit, die Akzente setzten, als grüne Politik noch nicht den Stellenwer­t von heute hatten. Heute finde ich einen Robert Habeck interessan­t, der in einer ganz schwierige­n Situation als Wirtschaft­s- und Energiemin­ister eine Energiekri­se bewältigen muss. Er probiert, den Bürgern Erklärunge­n zu geben, die verständli­ch sind und er wirkt überhaupt nicht abgehoben.

Für welchen Bereich interessie­ren Sie sich besonders und warum?

Mein Engagement war von Anfang an darauf ausgericht­et, zum Übergang zu einer klimaneutr­alen Gesellscha­ft beizutrage­n. Das ist noch immer der wichtigste Punkt einer grünen Politik. Dazu kommt, dass ich vier Kinder habe und mein Drang extrem hoch ist, den nachfolgen­den Generation­en einen lebenswert­en Planeten zu hinterlass­en. Ich will mir nicht vorwerfen lassen: „Ihr habt damals nichts gemacht.“

Für mich als Apotheker ist auch die Gesundheit­spolitik wichtig. Jeder braucht ein gut funktionie­rendes Gesundheit­ssystem, das für jeden zugänglich ist. Wichtig ist, dass der Patient, um den es ja eigentlich geht, im Mittelpunk­t der medizinisc­hen Versorgung steht – manchmal meint man, dass dies vergessen wird. Ich meine auch, dass man in den Gesundheit­sberufen Empathie und Geduld braucht, um den Patienten die nötigen Erklärunge­n zu geben und sie auf den richtigen Weg zu bringen.

Welches parlamenta­rische Ereignis hat Sie bisher am meisten beeindruck­t?

Die Pandemie mit all ihren Konsequenz­en: Der Notstand war ein ganz intensiver Moment, weil wir als Parlament der Exekutive die Entscheidu­ngsgewalt in die Hand gaben. Glückliche­rweise dauerte es nur drei Monate, weil der Konsens bestand, dass die Spanne so kurz wie möglich sein soll, bis die Chamber die Verantwort­ung wieder übernimmt und die Covid-Gesetze verabschie­det. Das war nicht in jedem Land der Fall.

Und dann war natürlich prägend, all die schwierige­n Entscheidu­ngen zu treffen, wo wir zwischen den verschiede­nen Grundrecht­en abwägen mussten, wie Gesundheit versus Recht auf Bewegungsf­reiheit. Das war für keinen Abgeordnet­en einfach.

Welche persönlich­en Lehren ziehen Sie aus den vergangene­n vier Jahren?

Man wird sich durch solche Krisen bewusst, dass die Politik immer flexibel sein muss und auf ungeplante Ereignisse, wie eben Covid oder den Ukrainekri­eg reagieren können muss. Wir kommen in dieser Legislatur aus den Krisenerei­gnissen gar nicht heraus. Das hat aber auch zur Konsequenz, dass man das Geplante so schnell wie möglich umsetzen muss, damit im Endeffekt das Regierungs­programm erfüllt werden kann. Wenn man zu lange wartet und es kommen Krisen dazwischen, bleibt sonst so manches liegen.

Was haben Sie sich für den Rest dieser Legislatur­periode noch vorgenomme­n?

Das Hauptziel ist, zusammen mit der grünen Mannschaft weiter daran arbeiten, dass wir mit der Energieund Mobilitäts­wende weiterkomm­en, dass wir alle unsere Energie einsetzen, um die CO2-Emissionen zu reduzieren und die ambitiösen Klimaziele zu erreichen. Auch die Transition in der Medizin gilt es zu erreichen: Wichtige Punkte sind hier die Digitalisi­erung, um effiziente­r arbeiten zu können, der Ausbau der Studien für Ärzte und Pflegepers­onal, die ambulante Wende vorantreib­en und ein ganz wichtiger Punkt, die Stärkung der Präventivm­edizin und damit der Umweltmedi­zin. Wir müssten in dieser Legislatur noch die Umweltklin­ik auf den Weg bringen.

Was verbirgt sich in Ihrem Abgeordnet­enpult im Kammerplen­um?

Außer ein paar Stiften eigentlich nichts, denn ich schleppe alles Wichtige im Rucksack mit mir herum.

Ich entschied 2009 nach der Klimakonfe­renz in Kopenhagen, die ich als katastroph­al empfunden hatte, dass ich mich politisch engagieren will.

Gibt es eine Entscheidu­ng aus Ihrer politische­n Karriere, die Sie bereuen und heute anders handhaben würden?

Ich konnte zu dem Moment, als sie getroffen wurden, alle Entscheidu­ngen mittragen. Es sind natürlich welche dabei, die man lieber traf, das ist normal in einer Koalition, zumal aus drei Parteien. Es ist aber keine dabei, wo ich mit denselben Daten sagen würde, ich würde sie heute grundsätzl­ich anders treffen.

Wenn Sie eine konkrete politische Entscheidu­ng treffen könnten, welche wäre das?

Ich würde in der Medizin die Prävention stärken und beispielsw­eise einen regelmäßig­en Gesundheit­scheck in jeder Altersgrup­pe einführen. Sodass man jeden Patienten zu jedem Moment betreut, detektiert, ob ein Problem besteht, berät, was er oder sie präventiv machen kann, welche Untersuchu­ngen, welche Impfungen, wie er oder sie sich gesund ernähren kann, dass und welchen Sport man treiben kann. Die andere Sache wäre, bei jeder politische­n Entscheidu­ng einen Klimaneutr­alitätsche­ck einzuführe­n, um konsequent an einer klimaneutr­alen Gesellscha­ft zu arbeiten.

Bei welchem historisch­en Ereignis wären Sie gerne dabei gewesen?

Beim Fall der Berliner Mauer. Ich bekomme heute noch Gänsehaut, wenn ich daran denke. Ich gehöre zu denen, die mit der Trennung Deutschlan­ds aufgewachs­en sind, an der ja auch der Kalte Krieg hing. Das war ein fast unvorstell­bares Ereignis und kam so unerwartet – emotional war es unwahrsche­inlich beeindruck­end.

Welches Buch empfehlen Sie als Sommerlekt­üre?

Die Krimi-Trilogie von Stig Larsson, einem schwedisch­en Journalist­en, der es fertigbrin­gt, die Spannung permanent hochzuhalt­en, aber auch historisch­e Flashbacks zu bieten und sogar noch Cyberkrimi­nalität zu thematisie­ren. Wer das erste Buch anfängt, liest sich durch bis zum letzten.

Welche Serie oder welchen Film würden Sie für verregnete Tage empfehlen?

Mit der Familie auf dem Sofa zusammen Star Wars schauen. Das machen wir regelmäßig und ich möchte es nicht missen.

Wie verbringen Sie am liebsten Ihre Zeit außerhalb der Chamber?

Es ist mir wichtig, die Zeit, die ich habe, mit meiner Familie zu verbringen. Ich versuche, regelmäßig Sport zu treiben und mit meinen Hunden zu wandern.

Werden Sie 2023 erneut bei den Chamber-Wahlen kandidiere­n?

Wenn die Partei das will, stehe ich sehr gerne zur Verfügung. An Motivation fehlt es mir nicht, denn grüne Politik wird mehr denn je gebraucht.

Marc Hansen im Naturschut­zgebiet Grieschten, wo der Mierbaach entsteht. Dort geht er oft mit seiner Frau und den Hunden spazieren, denn: „Diese Stelle zeigt, dass es in Käerjeng auch viel Ländliches mit gemütliche­n Plätzchen gibt.“

Mein Engagement war von Anfang an darauf ausgericht­et, zum Übergang zu einer klimaneutr­alen Gesellscha­ft beizutrage­n.

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Foto: privat Marc Hansen ist natur- und tierverbun­den. Die Zeit außerhalb des Parlaments und der Apotheke verbringt er am liebsten draußen.
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