Unvergessliche Momente
Fußballerin Catherine Havé will in ihren letzten beiden Spielen im Nationaltrikot noch einmal alles geben
Es war die beste Saison ihrer Karriere. Catherine Havé ist in Luxemburgs Fußballnationalmannschaft der Frauen von der Reservistin zur unverzichtbaren Stammkraft avanciert. Bei den drei Siegen in der WM-Qualifikation stand sie von der ersten bis zur letzten Minute auf dem Platz, in fast allen Spielen 2022 war sie eine feste Größe.
Auch für die letzten beiden Partien dieser Kampagne hat sich Havé viel vorgenommen. „Wir möchten alles dafür tun, dass wir diese grandiose Qualifikation mit einem starken Abschluss krönen“, sagt die Innenverteidigerin vor dem Heimspiel am heutigen Freitag (18.30 Uhr) auf dem Escher Galgenberg gegen Nordirland und der Auswärtsaufgabe am nächsten Dienstag (20.30 Uhr) in Stoke-on-Trent gegen den frisch gebackenen Europameister England.
Dass die Luxemburgerinnen in ihrer ersten WM-Qualifikation nach heutigem Format schon jetzt etwas Besonderes geschafft haben, ist Havé wohl bewusst. „Ich habe mir die Fotos aus den vergangenen
Monaten noch einmal angesehen. Wir hatten viele gute Momente, natürlich auch nicht so gute. Was wir erlebt haben, kann uns niemand mehr nehmen. Ich werde es nie vergessen“, meint sie. Drei Siege und somit neun gewonnene Punkte sind viel mehr, als zu erwarten war.
Auch wenn weitere Zähler nicht wirklich realistisch sind, ist es der 26-Jährigen wichtig, dass sich die Auswahl in den beiden bevorstehenden Länderspielen gut verkauft. Für die Spielerin der Entente Wormeldingen sind die zwei Partien die letzten im Nationaltrikot. Danach beendet sie ihre internationale Karriere. Die Entscheidung hat sie schon vor längerer Zeit getroffen. Sie ist der großen Belastung durch Vollzeitjob und Leistungssport geschuldet.
„Viele haben mir gesagt, dass ich mit 26 noch zu jung zum Aufhören sei. Aber entscheidend ist nicht das Alter, sondern die Lebenssituation“, erklärt Havé. So sehr sie sich über die Berufung in die Nationalmannschaft 2020 und die Qualifikationsteilnahme gefreut hat – so stressig war die Zeit auch. Havé hat fast die gesamte Freizeit, die ihr neben der 40-Stunden-Woche in ihrem Job im Tourismusbereich noch bleibt, investiert. Sie hat sich den Schritt gut überlegt. „Trotzdem bin ich auch traurig, dass es bald vorbei ist.“
Vor 30 000 Zuschauern
Der Rahmen für die letzte Partie in England könnte nicht schöner sein. Das Spiel am Dienstag im Stoke-City-Stadium ist mit 30 000 Zuschauern ausverkauft. „Das wird für alle ein einmaliges Erlebnis. Wir sollten genießen, vor so einer Kulisse zu spielen“, so Havé.
Momentan darf das EnglandSpiel für die Luxemburgerinnen aber noch kein Thema sein. Nationaltrainer Dan Santos fordert volle Konzentration auf die Begegnung mit Nordirland im Fola-Stadion. „Niemand darf mit angezogener Handbremse spielen, etwa weil eine Gelbsperre droht“, betont er.
Vor einem Jahr war Nordirland der Auftaktgegner Luxemburgs in der Qualifikation. Die damals noch sehr nervösen Außenseiterinnen verloren 0:4. Der EM-Teilnehmer von der Insel sei ein guter Gradmesser für die eigene Entwicklung, so der Luxemburger Trainer: „Unser mittelfristiges Ziel ist es, an das Niveau von Nordirland heranzukommen.“
Havé war im September 2021 noch auf der Bank gesessen. Doch sie machte nach Ansicht des Nationaltrainers große Fortschritte und eroberte sich ihren Stammplatz. „Ich habe gemerkt, dass ich gerne Verantwortung übernehme
Viele haben mir gesagt, dass ich mit 26 noch zu jung zum Aufhören sei. Aber entscheidend ist nicht das Alter, sondern die Lebenssituation. Catherine Havé
und immer sicherer wurde. Auch das gute Athletiktraining mit Kevin Rutare hat mir viel gebracht. Man kann sich besser auf die Taktik und den Fußball konzentrieren, wenn der Körper topfit ist“, erklärt sie.
Havé, die früher Kunstturnerin war und mit 14 in Canach zum Fußball kam, gehört noch zur Generation, die die strukturellen Probleme des Luxemburger Frauenfußballs voll zu spüren bekam. Mangels Mädchenteams spielte sie von Anfang an im Erwachsenenbereich. Als Schülerin wurde sie in die nationale Auswahl berufen und erfuhr, dass der Fußballalltag für Mädchen beschwerlicher war als für Jungs.
Ich hätte all diese Möglichkeiten gerne selbst gehabt. Aber ich freue mich jetzt auch für die jungen Mädchen. Catherine Havé
„Ich war im Lycée auf dem Campus Geesseknäppchen in Luxemburg. Nach der Schule wurden die Jungs vom FLF-Fahrdienst abgeholt und zum Training gebracht. Ich musste erst mit dem Bus nach Hause nach Canach fahren, meine Eltern brachten mich dann nach Monnerich.“Nach dem Abitur 2015 ging sie nach München zum Studium, sie wurde bis 2020 nicht mehr in die Nationalmannschaft berufen.
Umso mehr begrüßt sie die jüngsten Entwicklungen im Verband, der die Förderung von Frauen und Mädchen zuletzt deutlich ausbaute. „Ich hätte all diese Möglichkeiten gerne selbst gehabt. Aber ich freue mich jetzt auch für die jungen Mädchen“, so Havé.
Sie ist überzeugt, dass die Nationalmannschaft mit ihren Leistungen in der Qualifikation selbst für mehr Aufmerksamkeit im Land gesorgt hat. Einen weiteren Schub erhofft sie sich von der EM in England, die viele Menschen begeistert hatte. Havé freute sich mit den Engländerinnen über deren Titel. Eine von ihnen, Bayern-Spielerin Georgia Stanway, hat die Luxemburgerin kürzlich beim deutschen Bundesliga-Auftakt in München getroffen. Die beiden unterhielten sich nett – auch wenn sie auf dem Platz bald wieder Gegnerinnen sind.