Gegenkandidat für Philipp
Claude Kremer fordert den aktuellen FLF-Präsidenten beim nächsten Kongress heraus
Paul Philipp gehört seit Jahrzehnten fest zur Luxemburger Fußballwelt, ob als Spieler, Nationaltrainer oder Präsident des Verbands. Der 71-Jährige ist omnipräsent. Bis 2001 trainierte er während 17 Jahren die Nationalelf.
Gar noch länger sitzt der ehemalige Spieler der Union St-Gilloise nun schon auf dem Thron des Fußballverbands. Am 14. Februar 2004 setzte er sich knapp mit 341 Stimmen gegen Amtsinhaber Henri Roemer (294) durch. Seitdem leitet er den größten und mit Abstand finanzkräftigsten Sportverband Luxemburgs.
Philipp gilt als gut vernetzt. Seine Lobby reicht von den Topvereinen bis zu den kleineren Clubs. Und dank seiner Redegewandtheit kommt er meist gut an. Philipp genießt Kultstatus und ist nahezu unangefochten: 2006, 2014 und 2018 wurde der 71-Jährige mit dem markanten Schnurrbart ohne Herausforderer als Vorsitzender der FLF bestätigt. Nur einmal wagte es ein Widersacher, am Stuhl des ehemaligen Mittelfeldspielers zu sägen. Yves Bourgnon, der ehemalige Präsident des FC Mamer, stellte 2010 seine Kandidatur, war aber letztendlich unter dem Strich chancenlos. Mit 462 Stimmen gegen 139 setzte sich Philipp klar durch und durfte eine weitere Amtszeit in Angriff nehmen.
„An der Zeit, neue Impulse zu setzen“Der nächste FLF-Kongress findet am 15. Oktober im Strassener Centre Culturel Paul Barblé statt. Ob Philipp sich dann erneut bei den anwesenden Vereinsvertretern für ihr Vertrauen bedanken kann, bleibt abzuwarten. Fest steht, dass der Punkt der Wahlen diesmal mehr als nur wenige Augenblicke des Tagesablaufs einnehmen wird.
Denn Philipp bekommt es mit einem Herausforderer zu tun: Claude Kremer hat seine Kandidatur offiziell eingereicht. Das Mandat des 45-Jährigen im FLF-Vorstand läuft, genau wie das von Henri Mausen, Carine Nardecchia, Marco Rischard und Nicolas Schockmel aus. Der ehemalige Schiedsrichter,
der 20 Jahre lang das Amt des Vorsitzenden beim FC Jeunesse Junglinster bekleidete, hat sich den Schritt gut überlegt.
„Ich wurde vor einiger Zeit darauf angesprochen, ob ich mir das Amt des FLF-Präsidenten nicht zutrauen würde. Gedankengänge wurden in Bewegung gesetzt. Der ganze Prozess dauerte seine Zeit. Der Entschluss fiel schließlich zu Beginn des Jahres. Zumindest in meinem Kopf war dann klar, dass ich das Abenteuer wagen würde. Ich musste allerdings noch im privaten Bereich und im beruflichen Umfeld einige Dinge klären. Das ist nun erledigt. Ich weiß, dass es ein zeitintensiver Posten ist. Ich bin aber beruflich so aufgestellt, dass das kein Problem sein sollte. Flexibilität ist gegeben. Ich arbeite nur zehn Minuten vom Verbandssitz in Monnerich entfernt“, erzählt Kremer am Telefon.
Er kennt den einheimischen Fußball „aus mehr als 25 Jahren“. Seit 18 Jahren gehört er dem Vorstand des Fußballverbands an und leitete diverse Kommissionen. „Ich glaube, sagen zu können, dass ich weiß, was auf mich zukommt, sollte ich tatsächlich zum Nachfolger von Philipp gewählt werden“, ist er sich sicher.
Kremer ist zuversichtlich: „Ich habe mich bei einigen Vereinen umgehört. Das Feedback war positiv.“Der 45-Jährige sagt ebenfalls: „Durch meine jahrelangen Tätigkeiten im Fußball kenne ich viele Menschen. Philipp ist in der öffentlichen Wahrnehmung eine Institution, aber mein Bekanntheitsgrad bei den Vereinen ist ordentlich. Ich habe viele Kontakte an der Basis.“
Mit Philipp arbeitet der Herausforderer seit vielen Jahren zusammen. „Das Verhältnis ist in den vergangenen Wochen ziemlich abgekühlt. Wir grüßen uns noch. Dabei bleibt es“, erklärt Kremer und fügt an: „In einigen
Dingen haben wir einfach eine andere Sichtweise.“Auf einen Punkt pocht Kremer besonders: „Ich habe kein persönliches Problem mit dem Präsidenten. Es wurde in den vergangenen Jahren nicht alles falsch gemacht. Es ist in meinen Augen halt dennoch an der Zeit, neue Impulse zu setzen. Eine Erneuerung ist dringend notwendig.“
Wo muss der Hebel angesetzt werden? „Die Kommunikation und der Austausch mit den Vereinen müssen verbessert werden. Es reicht nicht aus, sich einmal im Jahr beim Kongress zu treffen. Ein optimaler Dialog sieht anders aus, als die Vereine nur finanziell zu unterstützen.“Kremer hat sich seine Gedanken gemacht: „Fußball der Frauen, Futsal, Schiedsrichterwesen. In all den Bereichen gibt es Handlungsund Nachholbedarf. Genau wie in Sachen Digitalisierung und Innovation. Wir hängen da meilenweit zurück. Modern ist anders.“Und Kremer führt aus: „Der Fußball entwickelt sich immer weiter. Viele unserer Statuten sind uralt. Die müssen alle mal im Detail überarbeitet und angepasst werden.“
„Es geht nicht um meine Person“Erneuerung, Verbesserung, Innovation. Es sind diese Worte, die dem 45Jährigen ganz besonders wichtig ist. „Manchmal muss man auch mal was versuchen und sich was trauen. Es reicht nicht aus, zu sagen, etwas würde aber schon immer so funktionieren. So kommt man nicht voran“, so Kremer. „Die Vereine müssen ins Boot genommen werden. Ohne regelmäßigen Austausch funktioniert es nicht.“
Im Duell gegen Philipp rechnet sich Kremer durchaus Chancen aus: „Ansonsten hätte ich meine Kandidatur nicht gestellt. Ich versuche durch ein interessantes, innovatives Programm zu überzeugen, das ich bis zum Kongress auch noch allen Vereinen zukommen lassen werde.“Er weiß auch: „Wenn ich nicht als Präsident gewählt werde, scheide ich automatisch aus dem Vorstand aus. Dann wird mein Platz also definitiv frei. Aber so ist das halt. Dieses Risiko gehe ich ein. Es geht nämlich nicht um meine Person, sondern viel mehr um die Entwicklung des Luxemburger Fußballs. Dieser Aspekt steht ganz klar im Fokus.“
Kremer ist bereit. Ob das reicht, um Philipp zu stürzen, müssen die Vereinsvertreter am 15. Oktober entscheiden.
Das Verhältnis ist in den vergangenen Wochen ziemlich abgekühlt. Wir grüßen uns noch. Dabei bleibt es. Claude Kremer
Bei der Europameisterschaft hat Lucie Schlimé mit ihnen mitgefiebert. Die Luxemburger Nationaltorhüterin war als Zuschauerin durchaus parteiisch. „Ich habe vor allem die Spiele der Engländerinnen verfolgt und auch zu ihnen gehalten, weil ich sie ja schon kannte“, erzählt sie. Schlimé fand es „mega-cool“, den eigenen Gruppengegner der WMQualifikation im Juli beim EMTriumphzug in England bis hin zum Titelgewinn in Wembley aus der Ferne zu verfolgen.
Gut fünf Wochen nach dem Finale, das Ellen White, Beth Mead und Co. 2:1 nach Verlängerung gegen Deutschland gewannen, treten die Luxemburgerinnen gegen die frisch gebackenen Europameisterinnen an. Für England ist die letzte Partie der Qualifikationskampagne an diesem Abend in Stoke-on-Trent gegen die FLF-Auswahl das erste Heimspiel seit dem EM-Erfolg.
Kein zweistelliges Ergebnis
Für Schlimé sind die Stars von der Insel nun vor allem wieder Konkurrentinnen. Sie und die Mitspielerinnen möchten es dem überlegenen Sieger der Qualifikationsgruppe
D so schwer wie möglich machen. 0:10 verloren sie das Hinspiel vor einem Jahr. Krasse Außenseiter sind sie noch immer, doch sie wollen sich besser verkaufen als im September 2021. „Wir haben dazugelernt. Das hat man auch im Spiel gegen Nordirland gesehen. Wir haben mitgespielt und lange mithalten können. Wir haben uns weiterentwickelt, fußballerisch wie auch als Mannschaft“, sagt Schlimé mit Blick auf das 1:2 am vergangenen Freitag in Esch. Wichtig wird sein, dass sich die Qualifikationsneulinge beim Gastspiel im Stoke City Stadium nicht zu sehr beeindrucken lassen vom prominenten Gegner und der ungewohnten Kulisse. 30 000 Zuschauer werden erwartet.
„Dieses Spiel war sehr schnell ausverkauft. Wenn man ein größeres Stadion ausgewählt hätte, würden noch mehr Leute kommen“, so Schlimé. Angst hat sie jedenfalls nicht vor der Begegnung. Im Gegenteil: Die Vorfreude ist groß. „Uns ist bewusst, dass die Engländerinnen Europameisterinnen sind. Uns ist auch bewusst, was uns in dem vollen Stadion erwartet. Wir müssen das genießen. Ich meine, den Rest schaffen wir dann auch“, sagt sie mutig.
Das Ziel ist die Bundesliga
Die junge Torhüterin, die übernächste Woche ihren 19. Geburtstag feiert, wird zum Abschluss der WM-Qualifikation wohl wieder besonders gefordert werden. Die herausragende Offensive der Engländerinnen um die EM-Topscorerinnen Mead und Alessia Russo erzielte in dieser Kampagne bereits sage und schreibe 70 Tore (bei null Gegentreffern). Mit dem 2:0 am Samstag gegen Österreich baute England die makellose Bilanz auf neun Siege und 27 Punkte aus neun Spielen aus, die direkte Qualifikation für die WM 2023 in Australien und Neuseeland ist gesichert.
Schlimé mag es, wenn sie viel zu tun bekommt. Sie sieht Spiele gegen offensivstarke Gegner als Chance sich auszuzeichnen. Schon sehr jung hat sie sich als Nummer eins im FLF-Tor etabliert. Sie gab ihr Debüt als 16-Jährige und hat noch große Pläne. Für die nächste Saison in der nationalen Liga wechselte sie von der Entente Itzig zum Mitfavoriten Bettemburg. Nach dem Abitur 2023 möchte sie in die Bundesliga. „Köln wäre top, weil ich dort Sport studieren möchte. Das wäre mein Traum.“Mit einer guten Leistung in England könnte sie ihm ein bisschen näher kommen.
Wir haben uns weiterentwickelt, fußballerisch wie auch als Mannschaft. Lucie Schlimé