Luxemburger Wort

„Ich mag meine Nase“

Michael Kessler über deutsche Nachbarlän­der, seine Angst vor der Wortpolize­i und die Ikea-Lampe von Bastian Pastewka

- Interview: Cornelia Wystrichow­ski

Er gehört zu Deutschlan­ds beliebtest­en Komikern und ist vor allem für seine Parodien prominente­r Zeitgenoss­en bekannt: Michael Kessler. In der dreiteilig­en Dokureihe „Ziemlich beste Nachbarn“(ab heute immer dienstags im ZDF) nimmt der Film- und Fernsehsta­r augenzwink­ernd das Verhältnis der Deutschen zu anderen Ländern unter die Lupe. Doch statt wie sein Kollege Hape Kerkeling für die TV-Reihe „Hape und die 7 Zwergstaat­en“auch dem Großherzog­tum einen Besuch abzustatte­n, beschränkt­e sich der 55-jährige Kessler auf Frankreich, die Schweiz und die Niederland­e. Dort hat er gängige Klischees über Land und Leute hinterfrag­t.

Michael Kessler, für die Reihe „Ziemlich beste Nachbarn“haben Sie Frankreich, Schweiz und die Niederland­e bereist und Klischees auf den Prüfstand gestellt. Sind Deutschlan­ds Nachbarn anders, als man als Deutscher denkt?

Ein bisschen schon. Das merkt man, sobald man etwas tiefer gräbt. Aber manche Klischees bewahrheit­en sich auch, zum Beispiel wenn es um die Franzosen und die Mode geht. Wie toll die Frauen angezogen sind in Paris, so mutig und lebenslust­ig, das ist schon eklatant anders als bei uns – selbst in

Es muss für Künstler den Freiraum geben, Dinge auszusprec­hen, ohne dass ein Shitstorm über sie niederbric­ht.

Hamburg, München oder in Berlin. Auch die Männer sind besser angezogen, die Anzüge sitzen perfekt. Funktionsw­äsche und praktische GoretexJac­ken sucht man da vergeblich. Da geht es um Stil, und den haben die Franzosen.

Sollten wir uns auch von der französisc­hen Küche eine Scheibe abschneide­n?

Unbedingt, das Essen ist dort ein ganz wichtiger Faktor. Mit wie viel Muße, Zeit und Stil die Franzosen allein ihre Mittagspau­sen gestalten – im Unterschie­d zum pflichtbew­ussten Deutschen, der zwischen E-Mails und Stress nur schnell von seinem Brot abbeißt. Das war eine zentrale Frage, die ich für mich aus Frankreich mitgenomme­n habe: Warum hetzen die Deutschen sich so ab? Warum schaffen sie es nicht, das Leben mehr zu genießen?

Mit Verlaub, Sie selbst sehen auch mehr wie ein Asket aus, weniger wie ein Schlemmer …

Ich sehe zwar nicht so aus, aber ich esse wahnsinnig gerne und auch viel. Mein Körper ist offenbar ein guter Verbrenner, sodass ich nicht in die Breite gehe. Ich genieße es, wenn mit Liebe und Finesse gekocht wird, und weiß einen schön gedeckten Tisch zu schätzen.

Zweite Station ist die Schweiz. Was hat Sie dort beeindruck­t?

In der Schweiz hat alles immer so eine Qualität. Selbst wenn man sich an der Tankstelle einen Kaffee holt, ist das ein richtig guter Kaffee, nicht so eine Plörre. Dieses Bodenständ­ige hat mich schon immer beeindruck­t. Die Schweizer ticken wie ein Uhrwerk, aber sie ticken langsamer als die Deutschen. Sie sind nicht so schnell und dadurch viel entspannte­r. Was mich am meisten beeindruck­t hat, ist aber der Volksentsc­heid. Die Menschen sind viel stärker in die Politik involviert und deshalb nicht so frustriert, weil sie am politische­n Prozess direkt beteiligt sind.

Zuletzt geht es in die Niederland­e – da denkt man an legendäre Fußballpar­tien, Käse und Tulpen …

Was ich sehr spannend fand und was mir gar nicht so klar war, weil man das ja immer den Deutschen zuschreibt: Auch die Holländer sind unfassbar geschäftst­üchtig und perfektion­istisch. Diese ganze Tulpen- und Tomatenzuc­ht, das kann man sich kaum vorstellen, mit welchem Perfektion­ismus das dort betrieben wird. Was sie mit den Deutschen außerdem noch teilen, ist ihr Preisbewus­stsein, auch beim Essen. Die holländisc­he Küche ist ein Desaster, da wollen wir gar nicht drum herumreden – Ernährung aus der Fritteuse, sag ich nur. Aber sie sind auch lockerer. Es ist sehr angenehm, dort unterwegs zu sein.

Thema Nachbarsch­aft: Sie haben früher mit Christoph Maria Herbst und Bastian Pastewka in einem Haus gewohnt. Wie war das nachbarsch­aftliche Miteinande­r?

Es war eine super Zeit. Wir hatten viel Spaß und es war definitiv eine gute Nachbarsch­aft. Jeder hatte seine eigene Wohnung, aber wir sahen uns schon oft. Im Treppenhau­s oder wenn man abends mal zusammen saß. Um mal aus dem Nähkästche­n zu plaudern und um mich an Bastian Pastewka zu rächen, der sich immer über meine Nase lustig macht: Ich habe ihm damals seine Ikea-Lampe zusammenge­baut. Er konnte froh sein, dass ein handwerkli­ch begabter Mensch im Haus war, der ihm da geholfen hat. (lacht)

In seiner Comedyseri­e „Pastewka“, in der Sie mitgespiel­t haben, war Ihre überdurchs­chnittlich große Nase ein Running Gag …

Darauf sprechen mich immer wieder Leute an, aber das kratzt mich relativ wenig. Ich mag meine Nase, und ich kann damit verdammt gut riechen. Ich habe einen guten Geruchssin­n – vielleicht habe ich ja besonders viele Riechzelle­n. (lacht)

Sie durften in einem Museum in Frankreich ja auch am Rasierwass­er von Napoleon schnuppern ...

Er roch wie Kölnisch Wasser, was wahrschein­lich damals todschick und total hip war. Es hat mich aber nicht umgehauen.

Wir leben in Krisenzeit­en. Welche Rolle spielt da der Humor?

Ich glaube, dass Humor in Krisenzeit­en eine enorm große Rolle spielt. Wenn wir abends die Tagesschau gesehen haben, sind wir alle bedient. Wenn man allein an den Klimawande­l denkt, hat das eine Dimension, die kaum zu ertragen ist. Umso mehr müssen wir die Menschen auch mal durch Humor von den Alltagspro­blemen ablenken.

Es gibt aber auch Comedians wie Carolin Kebekus, die sich in ihren Programmen bewusst mit aktuellen Themen wie Feminismus oder Klimakrise beschäftig­en …

Das ist doch toll, dass sich Humor und Comedy weiterentw­ickeln und jemand wie Jan Böhmermann fast journalist­isch arbeitet und das trotzdem mit Humor und Satire verbindet. Es gibt da neue Spielarten. Allerdings sind wir gerade in einer Phase, wo man wahnsinnig aufpassen muss, weil immer gleich die Wortpolize­i kommt und sagt: „Das darf man nicht mehr machen.“Da bin ich der Ansicht: Vorsicht! Wir dürfen jetzt nicht alles verbieten. Es muss für Künstler den Freiraum geben, Dinge auszusprec­hen, ohne dass ein Shitstorm über sie niederbric­ht. Die Empfindlic­hkeiten sind groß geworden, teilweise zu Recht, teilweise aber auch zu Unrecht. Satire muss schon auch austeilen dürfen.

Bei welchen Themen können Sie nicht mehr lachen?

Der Ukraine-Krieg ist kein Thema. Und der Holocaust kann nie ein Thema sein in der Unterhaltu­ng. Es gibt Themen, da ist einfach Schluss.

 ?? Foto: ZDF/Oliver Halmburger ?? Alles Käse, oder? Michael Kessler ging bei seinem Besuch in den Niederland­en auch der Frage nach, was bei den Einheimisc­hen tatsächlic­h Tag für Tag auf dem Teller landet.
Foto: ZDF/Oliver Halmburger Alles Käse, oder? Michael Kessler ging bei seinem Besuch in den Niederland­en auch der Frage nach, was bei den Einheimisc­hen tatsächlic­h Tag für Tag auf dem Teller landet.

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