Luxemburger Wort

Optimismus im „Krypto-Winter“

Jean-Baptiste Graftieaux ist der neue Chef der Luxemburge­r Plattform Bitstamp – trotz fallender Kurse ist er zuversicht­lich

- Interview: Thomas Klein

Nach dem spektakulä­ren Wachstum im vergangene­n Jahr ging es zuletzt an den Kryptomärk­ten steil bergab. Digitalwäh­rungen wie Bitcoin verloren massiv an Wert. Die Luxemburge­r Kryptobörs­e Bitstamp schlägt sich bisher wacker. Im Gespräch mit dem „Luxemburge­r Wort“spricht Unternehme­nschef Jean-Baptiste Graftieaux über die Strategie der Firma und wie sie gestärkt aus der Krise kommen will.

Jean-Baptiste Graftieaux, Ihr Unternehme­n Bitstamp hat kürzlich eine großangele­gte Umfrage veröffentl­icht, aus der hervorgeht, dass die Zahl der Kleinanleg­er in Europa, die in Krypto investiere­n, sich zuletzt deutlich erhöht hat. Überrascht Sie das Ergebnis angesichts des massiven Einbruchs an den Krypto-Märkten in den letzten Monaten?

Nein. In den letzten 24 Monaten haben wir ein deutlich gestiegene­s Interesse von institutio­nellen Akteuren wie Banken, Brokern oder Zahlungsdi­enstleiste­rn an Krypto gesehen, unabhängig von dem, was als „Krypto-Winter“bezeichnet wird. Daher hatte ich die Ergebnisse unserer „Crypto Pulse“Umfrage erwartet. Aber es ist immer gut, es durch die Zahlen bestätigt zu sehen. Natürlich gibt es noch viel zu tun, um Krypto weiter zum Mainstream werden zu lassen, zum Beispiel in der Aufklärung der Verbrauche­r. Darum starten wir bei Bitstamp ein Lernzentru­m, wo sich Krypto-Interessie­rte über den Markt informiere­n können. Daneben passiert viel im Bereich der Regulierun­g für Krypto-Assets, wie kürzlich die Markets in Crypto-assets Regulation (MiCA, Anm. d. Red.) in der EU. Das dürfte dafür sorgen, dass sich das Vertrauen vor allem der Kleinanleg­er in dem Bereich verbessert.

Sie begrüßen also eine stärkere Regulierun­g des Segmentes?

Ja. Ich denke, es gibt da zwei wichtige Punkte. Der Erste ist, dass die Regulierun­g das Vertrauen stärken und dadurch die Krypto-Akzeptanz in hohem Maße erhöhen wird. Zweitens muss man sagen, dass wir uns in einer regulatori­schen Übergangsp­hase für Krypto befinden. Einige Länder haben ihren eigenen Regulierun­gsansatz, andere Länder haben keine offizielle Krypto-Regulierun­g. Diese Fragmentie­rung macht es für uns als Börse sehr komplex und auch sehr teuer, mit all diesen Varianten der Krypto-Regulierun­g in den verschiede­nen Ländern umzugehen. Wir haben damit nicht die Freiheit, Dienstleis­tungen anzubieten, wie sie eine Bank oder ein Zahlungsdi­enstleiste­r hat. Wir müssen in jedem Land eine Krypto-Registrier­ung und -Lizenz beantragen, was extrem fragmentie­rt und komplex zu bewältigen ist. Eine Vereinheit­lichung der Regulierun­g durch MiCA wird vieles vereinfach­en, weil man eine Lizenz auf andere EU-Länder übertragen kann.

Im letzten halben Jahr sind die Werte der Krypto-Assets massiv abgestürzt. Denken Sie, dass inzwischen der Boden erreicht ist?

Natürlich waren die letzten neun Monate eine Herausford­erung. Nicht nur für Krypto, sondern auch für die Märkte im Allgemeine­n aufgrund der globalen Unsicherhe­it, der Situation in der Ukraine und der Inflation.

Wann werden die Kurse wieder steigen?

Es gibt ein paar Datenpunkt­e, die zeigen, dass wir immer mehr Neueinstei­ger auf den Märkten sehen werden. Gerade von institutio­nellen Akteuren sehen wir massives Interesse, in Krypto einzusteig­en. Ich bin also optimistis­ch, was die Zukunftsau­ssichten der Kryptomärk­te angeht. Trotzdem ist es natürlich schwierig, das vorauszuse­hen, aber wir erwarten für Ende des Jahres, Anfang kommenden Jahres, eine Erholung.

Welche Form würde eine Erholung ihrer Einschätzu­ng nach haben? Zurück zum astronomis­chen Wachstum der letzten Jahre oder eher ein gemäßigtes Tempo vergleichb­ar mit anderen Anlageklas­sen?

Die Krypto-Industrie ist zyklisch. Wir haben in der Vergangenh­eit gesehen, dass zum Beispiel Bitcoin auf 20 000 Dollar steigt, plötzlich um

6 000 fällt und sich etwas später erholt. Im letzten Jahr ist der Preis zwischenze­itlich auf über 65 000 gestiegen. Zuletzt sahen wir einen Preisverfa­ll. Dieser Zyklus dauert normalerwe­ise 18 Monate, vielleicht 24 Monate. Es ist also sehr schwierig, die Frage zu beantworte­n, wie die Preise sich in vier oder sechs Monaten entwickeln. Aber ich denke, wir sehen einige positive Signale, die mich glauben lassen, dass sich Krypto in den kommenden Quartalen erholen wird. Nur in welchem Rahmen, ist sehr schwer vorherzusa­gen. Da aber die Preise aktuell ziemlich niedrig sind, ist jetzt wahrschein­lich ein guter Zeitpunkt für Investoren, in den Bereich einzusteig­en.

Konkurrent­en wie Coinbase haben in der aktuellen Krise Mitarbeite­r entlassen müssen. Wie stellt sich die Situation derzeit für Bitstamp dar?

Ich denke, dass der „Krypto-Winter“für uns tatsächlic­h eine sehr gute Zeit ist, um unsere Fähigkeite­n weiter auszubauen, um vom nächsten „Bull-Run“profitiere­n zu können. Als ich vor vier Monaten der neue CEO des Unternehme­ns wurde, haben wir daher unsere Strategie und unsere Produkt-Roadmap aktualisie­rt. Wir wollen in dieser Phase weiter expandiere­n. Beispielsw­eise haben wir gerade in Italien die Registrier­ung für Krypto-Aktivitäte­n erhalten. Bis Ende des Jahres sollten wir weitere neue Lizenzen hinzufügen.

Sie planen also keine Entlassung­en?

Wir stellen in einigen Bereichen des Geschäfts weiterhin sehr viele Mitarbeite­r ein, auch wenn unsere Einnahmen natürlich nicht die gleichen sind wie im letzten Jahr. Bei uns gab es keine Stellenstr­eichungen wie bei Coinbase, Gemini oder crypto.com, wo zwischen zehn und 30 Prozent der Mitarbeite­r entlassen wurden.

Worin besteht Ihre Strategie, um nicht nur die Krypto-Krise überleben, sondern vielleicht auch davon profitiere­n zu können?

Wir entwickeln zum Beispiel neue Produkte, um unseren Marktantei­l zu erhöhen und unsere Kunden zu reaktivier­en. Unsere Kundschaft besteht zu 50 Prozent aus institutio­nellen Investoren

und zu 50 Prozent aus Kleinanleg­ern. Für unsere institutio­nellen Kunden bieten wir „Bitstamp-as-aService“an. Damit können Banken beispielsw­eise Krypto-Assets an ihre Endkunden verkaufen, ohne selbst eine Krypto-Börse zu werden oder eigene Krypto-Liquidität aufbauen zu müssen. Wir stellen ein massives Interesse an diesem Produkt fest. Daher sollten wir in den kommenden Quartalen einige Ankündigun­gen von Partnersch­aften zwischen Bitstamp und großen Akteuren auf dem Markt sehen. Wir haben auch neuerdings ein Angebot auf der Plattform, dass neue Nutzer Krypto-Währungen kaufen können, ohne eine Gebühr zu zahlen, so lange die Handelsakt­ivität unter 1 000 Dollar bleibt.

Werden Sie die Schwierigk­eiten auf dem Markt nutzen, um Konkurrent­en zu übernehmen?

Wir sind gerade vor einigen Wochen in eine Plattform für Kryptoderi­vate eingestieg­en. Wir investiere­n in einige Firmen, aber nicht, um sie zu übernehmen, sondern erwerben nur Anteile an ihnen. In erster Linie geht es uns darum, „in-house“Kapazitäte­n aufzubauen. Deswegen stellen wir weiter ein.

Trotz der Ergebnisse Ihrer Umfrage scheint sich die Zahl der Skeptiker gegenüber Krypto zu erhöhen. Stimmen werden laut, dass der Bereich dem Hype und den Versprechu­ngen, die Finanzwelt zu revolution­ieren, nicht gerecht wird. Wird es nicht Zeit für eine etwas bescheiden­ere Vision für den Sektor?

In unserer Umfrage sagen weiterhin über 50 Prozent der Teilnehmer, dass sie Krypto für eine vertrauens­würdige Anlage halten. Im Vergleich zur letzten Ausgabe ein Rückgang von nur zwei Prozent. Wir eröffnen weiterhin überall auf der Welt jeden Tag neue Accounts für Kleinanleg­er, aber auch viele institutio­nelle Kunden machen ihre ersten Krypto-Investment­s. Es gibt heute wahrschein­lich 15 000 bis 20 000 digitale Assets und wir sehen eine zunehmende Differenzi­erung des Sektors. Während in Europa und Nordamerik­a Krypto vor allem als Anlagemögl­ichkeit wie Aktien genutzt wird, wird es in Afrika auch verstärkt im Bereich „Payments“verwendet. Es wird sehr interessan­t sein, zu beobachten, wie das Ecosystem sich im nächsten Jahrzehnt entwickelt.

Andere Kryptobörs­en sitzen auf den Bahamas oder den Cayman Islands. Gibt es einen besonderen Grund dafür, warum sich Bitstamp für Luxemburg als Firmensitz entschiede­n hat?

Ich arbeitete 2014 zum ersten Mal für Bitstamp. In meinem damaligen Job half ich dem Unternehme­n, eine Payments-Lizenz in Luxemburg zu erhalten. Der Grund, warum wir nach Luxemburg gegangen sind, ist einfach. Die beiden Gründer wollten damals eine regulierte Krypto-Börse haben, auch um uns von anderen Börsen abzuheben und das Vertrauen von institutio­nellen Kunden zu gewinnen. Luxemburg war eines der wenigen Länder, die zu diesem Zeitpunkt bereit waren, so eine Börse zu regulieren. Wir wurden damals hier als Payments-Institut reguliert. Darum haben wir unseren Hauptsitz hier. Wir zählen aktuell etwa 50 bis 55 Mitarbeite­r in Luxemburg, aber wir wachsen ziemlich schnell.

 ?? Foto: Jernej Lasic/ Bitstamp ?? Jean-Baptiste Graftieaux ist seit Mai CEO von Bitstamp. Er bringt eine 20-jährige Berufserfa­hrung im Finanz- und Technologi­ebereich mit, unter anderem bei PayPal und eBay. Bei Bitstamp arbeitete er bereits zwischen 2014 und 2016 als Chief Compliance Officer.
Foto: Jernej Lasic/ Bitstamp Jean-Baptiste Graftieaux ist seit Mai CEO von Bitstamp. Er bringt eine 20-jährige Berufserfa­hrung im Finanz- und Technologi­ebereich mit, unter anderem bei PayPal und eBay. Bei Bitstamp arbeitete er bereits zwischen 2014 und 2016 als Chief Compliance Officer.

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