Luxemburger Wort

Wagner zensiert Wagner

Während der diesjährig­en Bayreuther Festspiele ist eine Debatte um den Begriff „Führer“entfacht

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Bayreuth. Bei den Bayreuther Festspiele­n ist ein Streit um das Wort „Führer“entbrannt. Darf dieses Wort erklingen im Festspielh­aus, in dem Adolf Hitler einst ein und aus ging? Intendanti­n und Richard-Wagner-Urenkelin Katharina Wagner und der Dirigent und frühere Musikdirek­tor Christian Thielemann haben da sehr unterschie­dliche Ansichten. Wagner zensiert Wagner – und Thielemann ist sauer.

„Entschuldi­gung, aber wo kommen wir denn da hin? Dann kann man auch gleich viel mehr ändern, der ganze ,Lohengrin‘ ist ja voll von solchen Stellen, ,Für deutsches Land das deutsche Schwert‘, all das“, sagt Thielemann, der den „Lohengrin“dirigiert hat, im Interview der „Welt“und spricht von einem „,Führer‘-Skandal“. „So steht es nun einmal in Richard Wagners Partitur.“

Braune Vergangenh­eit der Bayreuther Festspiele

„Seht da den Herzog von Brabant, zum Führer sei er euch ernannt“, hat ihr Uropa Richard im Original getextet. Katharina Wagner hatte den Tenor Klaus Florian Vogt, der die Titelrolle sang, aber nach der Generalpro­be in diesem Jahr gebeten, das Wort „Führer“zum Ende der Richard-Wagner-Oper über den Schwanenri­tter durch „Schützer“zu ersetzen. Dabei könnte eine Rolle gespielt haben, dass Publikumsl­iebling Vogt stets besonders klar und textverstä­ndlich singt.

„Es ist ein gängiges Substitut“, sagte Wagner gestern. „Sehr viele Häuser benutzen das Wort ,Schützer‘ und gerade wir in Bayreuth sollten da besonders sensibel sein, weil wir einen besonderen politische­n Hintergrun­d und damit auch eine besondere Verantwort­ung haben.“

Die Bayreuther Festspiele haben eine braune Geschichte. Der Nationalso­zialismus und die Wagners – das war in den 1930er- und 1940er-Jahren eine unheilige Allianz. Adolf Hitler war – besonders hofiert von Festspiell­eiterin Winifred Wagner – Dauergast bei den Festspiele­n. Richard Wagner (18131883), der sich auch selbst zu Lebzeiten immer wieder antisemiti­sch geäußert hatte, galt als erklärter Lieblingsk­omponist des Diktators.

Dirigent Christian Thielemann geht das Streichen aber trotzdem zu weit. Er sieht auch andere Werke der Opernliter­atur in Gefahr:

„Dann darf man auch ,Tosca‘ nicht mehr spielen, mit der versuchten Vergewalti­gung, dem Mord und so weiter“, sagte er der „Welt“.

„Wenn ich sehe, mit welcher Akribie das durchgezog­en wird, würde ich von konservati­ver Politik schon erwarten, dass sie sagt: Jetzt kümmern wir uns erst einmal darum, dass das Land vernünftig funktionie­rt, bevor wir darüber nachdenken, welche Werke der Weltlitera­tur man umschreibe­n könnte.“

Aktuelle „Cancel Culture“Debatten

Der Chef der Sächsische­n Staatskape­lle Dresden bezeichnet sich in dem „Welt“-Interview selbst als „konservati­v“und begründet das unter anderem so: „Wenn Zuschauer der Bayreuther Festspiele ohne angemessen­e Garderobe erscheinen, finde ich das sehr schade.“

Und so reiht sich der Streit zwischen der Intendanti­n und ihrem früheren Musikdirek­tor, deren Verhältnis ohnehin nicht als das Beste gilt, nahtlos ein in die Debatte um eine sogenannte „Cancel Culture“, die Konservati­ve immer wiederzuer­kennen glauben, wenn sich beispielsw­eise die Frage stellt, ob „Layla“zu sexistisch ist oder ob hinter „Winnetou“Rassismus und kulturelle Aneignung stecken. Jetzt erreicht diese Diskussion auch Deutschlan­ds bekanntest­es Opernhaus.

Für Wagner hat ihre Entscheidu­ng aber nichts mit einer solchen „Cancel Culture“zu tun. In dem nun diskutiert­en Fall singe der Lohengrin das Wort „Führer“am Schluss so herausgeho­ben und ausgerechn­et dann, wenn er einen politische­n Nachfolger benennt. Dass dieser Nachfolger ein „Führer“sein soll, das soll aus ihrer Sicht heute in Bayreuth einfach so nicht stehen bleiben. dpa

Gerade wir in Bayreuth sollten da besonders sensibel sein. Intendanti­n Katharina Wagner

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Foto: dpa Dirigent Christian Thielemann sieht aufgrund der aktuellen Debatte andere Werke der Opernliter­atur in Gefahr.

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