Luxemburger Wort

Bereit für den Abflug

Im Naturreser­vat Schlammwis­s bereiten sich die Zugvögel auf ihre Reise vor

- Von Jean-Philippe Schmit

Übersyren. Die ersten Zugvögel sind schon längst in ihren Überwinter­ungsgebiet­en angekommen. „Die Herbstmigr­ation beginnt, wenn die Frühjahres­migration aufgehört hat“, sagt Jim Schmitz, der Vizepräsid­ent von natur&ëmwelt, bei einem Besuch im Naturreser­vat Schlammwis­s. Die Sumpfrohrs­änger brechen als Erste auf. Bereits Anfang Juli fliegen die Männchen in Richtung Süden.

„Die Schwalben sind wohl als Nächste dran“, meint der Ornitholog­e. Sie seien bereit für den Abflug. 15 000 bis 20 000 Schwalben warten derzeit in Niederanve­n auf den richtigen Moment, um aufzubrech­en. Darunter befinden sich auch Schwalben aus dem norddeutsc­hen Helgoland, wie die Studenten der Beringungs­station herausgefu­nden haben.

Die ersten kleineren Gruppen seien bereits aufgebroch­en. Lange wird es nicht mehr dauern, bis auch die restlichen Schwalben das Naturschut­zgebiet verlassen werden. Das ist wohl auch der Grund, weshalb Jim Schmitz einen nervösen Eindruck macht. Großherzog Henri habe sich für einen Besuch später am Tag angemeldet. „Er interessie­rt sich für die Schwalben“, so Schmitz.

Eine Nummer ans Bein und ein Eintrag in die Datenbank

200 bis 300 Vögel fangen die Studenten in der Bedienungs­station pro Tag ein. „Während der Migrations­zeit“, betont die Studentin. Die meisten davon tragen keinen Ring. Das wird schnell geändert. Der Vogel erhält eine Nummer an sein Bein und einen Eintrag in die Datenbank. Es komme aber auch vor, dass der eingefange­ne Vogel bereits bekannt ist.

„Alleine heute Morgen haben wir drei Eisvögel eingefange­n“, sagt ein Student. Darunter war auch ein bereits bekanntes Exemplar, das eigentlich im Schiffling­er Brill zu Hause ist. Es gibt aber auch Besucher, die von deutlich weiter angereist sind. Jeder 500 bis 1 000 Vogel, den wir einfangen, trägt einen ausländisc­hen Ring. „Heute waren schon drei Belgier und ein Vogel aus Hiddensee dabei.“

Die neuen Technologi­en eröffnen den Vogelforsc­hern ganz neue Möglichkei­ten. In Skandinavi­en wurden Blaukehlch­en besendert. Als die Telemetrie­daten ausgewerte­t und auf einer Landkarte eingezeich­net wurden, staunten die Ornitholog­en nicht schlecht. „Die Blaukehlch­en sind bis nach Indien geflogen, das war bisher nicht bekannt“, so Schmitz.

Sieben Milliarden Vögel machen sich in Europa jeden Herbst auf den Weg. „Manchmal fliegen die Ornitholog­en ihnen nach“, so Schmitz. Ein ehemaliger Mitarbeite­r würde in Nigeria leben und dort in einer Beringungs­station an einem Vogelatlas Afrikas arbeiten. „In der Schlammwis­s hat er gelernt, wie man einen Vogel beringt“, so Schmitz.

In Spanien sei eines Tages ein Vogel eingefange­n worden, der einen südafrikan­ischen Ring trug. Exemplare aus dieser Population seien noch nie in Europa aufgetauch­t. Die Aufregung unter den Ornitholog­en war also außergewöh­nlich groß, als sie das Zeichen für den südafrikan­ischen Staat am Beinchen des Vogels entdeckten.

Die Vogelwelt musste dann doch auf eine Sensation verzichten. Nach einem Blick in die Datenbank kam die Ernüchteru­ng. „Der nigerianis­chen Beringungs­station waren die Ringe ausgegange­n und eine Universitä­t aus Südafrika hatte ausgeholfe­n“, erklärt Schmitz.

Datensamme­ln im Dienst der Wissenscha­ft

In den Schlammwis­sen geht es nicht nur um das Datensamme­ln. „Neben der Wissenscha­ft geht es auch darum, den Leuten die Natur näherzubri­ngen“, betont Schmitz. Als Beispiel gab er eine Frau an, die ihn kontaktier­te und fragte, ob es Eisvögel in den Schlammwis­sen

Die Blaukehlch­en sind bis nach Indien geflogen, das war bisher nicht bekannt. Ornitholog­e Jim Schmitz

geben würde. Diese Frage konnte Schmitz bejahen. „Der Eisvogel ist das inoffiziel­le Maskottche­n des Reservates“, sagt Schmitz – mit einem frisch beringten Eisvogel in der Hand.

Die Frau wollte ihrem vogelbegei­sterten Mann eine Freude bereiten. Er hatte wohl für längere Zeit auf eigene Faust nach dem schillernd­en Eisvogel Ausschau gehalten – doch er hatte kein Glück. „Als sie hier waren, hatten sie gleich mehrere Eisvögel gesehen“, so Schmitz. Endlich hatte der Mann die langersehn­te Beobachtun­g machen können.

Dann entschuldi­gt er sich. Aus dem dichten Schilf taucht eine Besuchergr­uppe auf. „Eine Gruppe der Caritas“, sagt er. Im Gänsemarsc­h wandern sie in Richtung Beringungs­station. „Es waren auch schon Gruppen mit Asylbewerb­ern hier.“Als Jim Schmitz ihnen die Migrations­wege der Zugvögel auf der Informatio­nstafel erklärte,

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Die meisten der gefangenen Vögel tragen keinen Ring. Das wird allerdings schnell geändert.
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Das heimliche Maskottche­n wird die Schlammwis­sen nicht verlassen. „Eisvögel gehören nicht zu den Zugvögeln“, sagt Jim Schmitz.

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