Die letzte große Reise
Schottland nimmt Abschied von Queen Elizabeth II. – Sohn Charles III. offiziell als König ausgerufen
Edinburgh. Tausende Menschen haben der toten Queen Elizabeth II. auf ihrem letzten Weg durch Schottland ihren Respekt gezollt. Ein Leichenwagen brachte die sterblichen Überreste der Monarchin am gestrigen Sonntag von ihrem Landsitz Schloss Balmoral in den Highlands in die schottische Hauptstadt Edinburgh. In einem Begleitwagen reisten Queen-Tochter Prinzessin Anne und ihr Ehemann Admiral Sir Tim Laurence mit. Von einer „letzten großen Reise“seiner Mutter hatte zuvor der neue König Charles III. gesprochen. Die Queen war am Donnerstag im Alter von 96 Jahren auf Balmoral gestorben.
Vor allem in Dörfern und Städten säumten zahlreiche Menschen schweigend die Straßen. Manche weinten, einige warfen Blumen auf die Straße, als die Kolonne in langsamem Tempo vorbeirollte. Für die Strecke Richtung Süden, die auf direktem Wege mit dem Auto eigentlich nur rund zweieinhalb Stunden dauert, wurden sechs Stunden veranschlagt. Sie führte unter anderem durch die Städte Aberdeen und Dundee.
Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon würdigte die
Königin. „Ein trauriger und ergreifender Moment, als Ihre Majestät, die Queen, ihr geliebtes Balmoral zum letzten Mal verlässt“, schrieb Sturgeon bei Twitter.
„Heute, auf ihrer Reise nach Edinburgh, wird Schottland einer außergewöhnlichen Frau Tribut zollen.“Die Chefin der Schottischen Nationalpartei SNP strebt die Unabhängigkeit von Großbritannien an, Schottland soll aber Monarchie bleiben.
Über dem durch die Scheiben des Wagens sichtbaren Eichensarg war die royale Standarte für Schottland drapiert. Darauf ruhte ein Kranz aus Pflanzen, die auf dem royalen Anwesen wachsen: Dahlien, Wicken – eine der Lieblingsblumen der Königin -, Phlox, Tanne und weißes Heidekraut. Am Tor des Schlosses lagen Hunderte Blumensträuße, die Menschen dort niedergelegt hatten.
Fanfaren für Charles III.
Bereits Stunden vor der Abfahrt hatten sich Hunderte entlang der Route versammelt, teils ausgerüstet mit Camping-Stühlen, um ihrer Königin die letzte Ehre zu erweisen. Viele hatten Blumen und Botschaften bei sich.
Die Queen zog sich traditionell im Sommer auf ihren schottischen Landsitz zurück, in diesem Jahr wollte sie rund zwei Monate bleiben. Früher machte sie viele Wanderungen in den Highlands und plauderte dabei mit Anwohnern und Touristen. Den Einwohnern des nahen Orts Ballater galt sie als Nachbarin.
Am Samstag war Elizabeths ältester Sohn Charles offiziell und feierlich als König ausgerufen worden. Im Anschluss beteuerte der 73-Jährige, dem Vorbild seiner Mutter folgen zu wollen. „Ich bin mir des großen Erbes und der Pflichten und schweren Verantwortung des Monarchen, die mir nun übertragen wurden, zutiefst bewusst“, sagte der neue britische Monarch. Die sieben Jahrzehnte währende Regentschaft seiner Mutter sei unübertroffen gewesen in Länge, Hingabe und Ergebenheit.
Um die Proklamation hör- und sichtbar für das Volk zu machen, wurde Charles III. auch auf dem Balkon des St.-James's-Palastes zum König ausgerufen – mit Fanfarenstößen und im Beisein zahlreicher Soldaten mit Bärenfellmützen. Vorher war das schon im Inneren des Gebäudes in der Londoner Innenstadt – nicht weit vom Buckingham-Palast entfernt – geschehen.
Bei der Proklamation handelte es sich um einen formalen Akt – der 73 Jahre alte Charles war bereits mit dem Tod seiner Mutter automatisch britischer König geworden. dpa