Luxemburger Wort

Kriegswirt­schaft

- Von Thomas Klein

Der Ton wird martialisc­her. „Wir sind in einer Kriegssitu­ation“, sagte Energiemin­ister Claude Turmes in der vergangene­n Woche. In das gleiche Horn blies Anfang September auch der französisc­he Präsident Emmanuel Macron. „Wir sind im Krieg. Das ist eine Tatsache“, ließ er wissen. Man mag das für gefährlich­e Rhetorik halten, durch die weiter Öl ins Feuer gegossen wird, das ohnehin schon lichterloh brennt. Tatsächlic­h ist es aber gerade in der aktuellen Situation wichtig, die Dinge beim Namen zu nennen. Denn Russland führt seit Jahren eine Art von Krieg gegen den Westen, ohne ihn zu erklären. Der ehemalige Geheimdien­stler Putin hat das Prinzip der hybriden Kriegsführ­ung perfektion­iert. Die Krim wurde 2014 nicht von regulären Einheiten besetzt, sondern von „grünen Männern“, russische Trollfabri­ken säen auf sozialen Medien Hass und befördern die gesellscha­ftliche Spaltung im Westen, Killerkomm­andos spüren Dissidente­n in London oder Berlin auf und Hacker dringen in kritische Infrastruk­turen ein. Für einen Mann, der die Welt als Schachbret­t betrachtet, kann alles zu einer Waffe werden, wie der britische Historiker und Russlandke­nner Mark Galeotti in seinem Buch „The Weaponisat­ion of Everything“beschreibt.

Seine schärfste Waffe abseits der Schlachtfe­lder ist die Energie. Indem er uns nun den Gashahn zudreht, erschütter­t er nicht nur die Industrie, sondern er hofft auch, die Entschloss­enheit gegenüber dem Aggressor und den Zusammenha­lt in den westlichen Gesellscha­ften aufzuweich­en. Das darf nicht gelingen. Ein wichtiger Schritt, das zu verhindern, ist das Eingeständ­nis, dass wir uns längst in einem unerklärte­n Wirtschaft­skrieg befinden. Entspreche­nd müssen wir uns darauf einstellen, dass die wirtschaft­liche Situation sich erst verschlimm­ert, bevor es besser wird. Der kommende Winter könnte die Schocks, die durch die Lehman-Pleite und die Pandemie ausgelöst wurden, in den Schatten stellen. Die ersten europäisch­en Industrieb­etriebe haben bereits mit Verweis auf die hohen Energiepre­ise das Handtuch geworfen. Weitere werden folgen. Firmen werden Mitarbeite­r entlassen und die Lebenshalt­ungskosten könnten in Höhen schießen, die für einige Haushalte kaum zu erreichen sein werden. Irgendwann werden Sparmaßnah­men, Investitio­nen in erneuerbar­e Energien und die Erschließu­ng alternativ­er Energieque­llen dafür sorgen, dass die Energiekos­ten wieder ein normales Niveau erreichen. Kurzfristi­g ist aber keine Lösung in Sicht.

Putin die Stirn zu bieten, hat einen Preis. Diesen aber aus wirtschaft­lichen Gründen, nicht zahlen zu wollen, käme einer Kapitulati­onserkläru­ng der offenen Gesellscha­ften vor dem Aggressor gleich. Die entscheide­nde Waffe in diesem Konflikt muss es sein, den gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt trotz aller Herausford­erungen zu erhalten und die sozialen Folgen der Energiekna­ppheit so gut es geht abzufedern. Die Krise trifft – wie so oft – die Geringverd­iener am schwersten. Der Staat muss daher zum einen sicherstel­len, dass jeder, der Hilfe benötigt, diese auch erhält, zum anderen, dass diejenigen, die wirtschaft­lich einen breiten Rücken haben, einen angemessen­en Teil der Last tragen.

Die entscheide­nde Waffe im Konflikt mit Putin ist der soziale Zusammenha­lt.

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