Luxemburger Wort

Das Zehn-Milliarden-Projekt

Trotz Null Covid und geopolitis­cher Spannungen eröffnet BASF sein neues Werk in China

- Von LW-Korrespond­ent Fabian Kretschmer (Yinchuan)

Es ist ein Projekt der Superlativ­e: Der deutsche Chemiekonz­ern BASF hat vergangene Woche die Produktion an seinem Standort im südchinesi­schen Zhanjiang aufgenomme­n. Allein die erste Anlage des Werks wird jährlich 60 000 Tonnen technische­r Kunststoff­verbindung­en produziere­n, bis 2025 möchte man dafür ausschließ­lich erneuerbar­e Energien verwenden. Bis Ende der Dekade plant das Ludwigshaf­ener Unternehme­n, zehn Milliarden Euro in Zhangjiang zu stecken. Damit handelt es sich um die größte Investitio­n eines deutschen Unternehme­ns in China überhaupt.

Selbst Vize-Premier Han Zheng, Mitglied des neunköpfig­en Ständigen Ausschusse­s des Politbüros, hat in Peking einer Zeremonie zur Eröffnung des Werks beigewohnt. Dies sei laut der Beratungsf­irma „Trivium China“absolut ungewöhnli­ch: Dass ein solch hochrangig­er Parteifunk­tionär der Kommunisti­schen Partei höchstpers­önlich gratuliere, würde selbst bei Staatsunte­rnehmen höchst selten vorkommen – ganz zu schweigen bei ausländisc­hen Firmen.

Berlin arbeitet an neuer Strategie Die Botschaft ist klar: Chinas Regierung wirbt verzweifel­t um internatio­nale Investoren. Nach drei Jahren „Null Covid“ist nämlich nicht nur die heimische Wirtschaft massiv angeschlag­en, sondern auch die Stimmung unter westlichen Konzernen mit Präsenz in China auf einem Tiefstand angelangt.Dementspre­chend prominent wurde von den chinesisch­en Staatsmedi­en über die Eröffnung des neuen BASF-Standorts berichtet. Dieser stelle laut einem Bericht von „China.org“ein „neues Paradigma für Chinas weitere Öffnung dar“– und zwar ungeachtet der „der komplexen internatio­nalen Situation“. Was im blumigen Sprech der Parteimedi­en euphemisti­sch klingt, hat Bundeskanz­ler Olaf Scholz unlängst als „Zeitenwend­e“bezeichnet. Seine Außenminis­terin Annalena Baerbock warnt so offen wie keine ihrer Vorgänger zuvor vor den Gefahren einer wirtschaft­lichen Abhängigke­it von China. Tatsächlic­h arbeitet die Bundesregi­erung derzeit an einer neuen China-Strategie, die wohl deutlich kritischer­e Töne als noch zur Merkel-Ära bereithält. Und auch im Bundeswirt­schaftsmin­isterium wird längst gefordert, die staatliche­n Garantien für Investitio­nen deutscher Unternehme­n in der Volksrepub­lik deutlich einzudämme­n.

Mit dieser Sicht findet die Bundesregi­erung durchaus Widerhall. Christian Sewing, Vorstandsc­hef der Deutschen Bank, sagte vergangene Woche beim Bankengipf­el des Handelsbla­tts in Frankfurt: „Wenn es um Abhängigke­iten geht, müssen wir uns auch der unbequemen Frage stellen, wie wir mit

China umgehen. Die zunehmende Abschottun­g des Landes und die wachsenden Spannungen, insbesonde­re mit den USA, bergen für Deutschlan­d ein erhebliche­s Risiko“.

Warnsignal am China

Viele US-Unternehme­n richten ihre Segel bereits nach Südostasie­n und kehren China verstärkt den Rücken. Apple etwa setzt bei der Produktion künftiger IPhoneGene­rationen zunehmend auf Indien und Vietnam als Standorte. Noch handelt es sich um eher symbolisch­e Verschiebu­ngen, doch sie sollten der Volksrepub­lik durchaus als Warnsignal dienen. Denn die Umgestaltu­ng von Lieferkett­en ist ein strategisc­h langfristi­ger Prozess, der – einmal getätigt – schwer wieder umkehrbar ist.

Solche Überlegung­en gibt es auch innerhalb vieler deutscher Unternehme­n, wenn auch eher im Mittelstan­d. Die Zeitenwend­e hat zumindest die großen Konzerne wie BASF oder auch die deutsche Automobilb­ranche nicht erreicht. Dort wird die Präsenz in China – zumindest öffentlich – weiterhin als non plus ultra propagiert: „In den vergangene­n zehn Jahren ist das größte Wachstum in China passiert. Dass wir dort jetzt mehr als ein Drittel unseres Absatzes verkaufen ist eine Erfolgssto­ry“, sagte etwa Daimler-Chef Ola Källenius diese Woche in einem Interview mit der Welt. Auch Stephan Wöllenstei­n, ehemaliger ChinaChef von Volkswagen, sagte in der Nachrichte­nagentur „Bloomberg“: Wer mit den Besonderhe­iten des chinesisch­en Marktes nicht umgehen könne, werde wohl kaum „in den nächsten fünf bis zehn Jahren noch ein führender Autoherste­ller“sein. Manchmal scherze er darüber, sich gar nicht mehr sicher zu sein, „ob wir entweder der internatio­nalste unter den chinesisch­en Autobauern sind – oder der chinesisch­ste unter den internatio­nalen Autobauern“.

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Foto: BASF Die erste Produktion­sanlage des neuen BASF-Standorts in Zhanjiang.

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