Das Zehn-Milliarden-Projekt
Trotz Null Covid und geopolitischer Spannungen eröffnet BASF sein neues Werk in China
Es ist ein Projekt der Superlative: Der deutsche Chemiekonzern BASF hat vergangene Woche die Produktion an seinem Standort im südchinesischen Zhanjiang aufgenommen. Allein die erste Anlage des Werks wird jährlich 60 000 Tonnen technischer Kunststoffverbindungen produzieren, bis 2025 möchte man dafür ausschließlich erneuerbare Energien verwenden. Bis Ende der Dekade plant das Ludwigshafener Unternehmen, zehn Milliarden Euro in Zhangjiang zu stecken. Damit handelt es sich um die größte Investition eines deutschen Unternehmens in China überhaupt.
Selbst Vize-Premier Han Zheng, Mitglied des neunköpfigen Ständigen Ausschusses des Politbüros, hat in Peking einer Zeremonie zur Eröffnung des Werks beigewohnt. Dies sei laut der Beratungsfirma „Trivium China“absolut ungewöhnlich: Dass ein solch hochrangiger Parteifunktionär der Kommunistischen Partei höchstpersönlich gratuliere, würde selbst bei Staatsunternehmen höchst selten vorkommen – ganz zu schweigen bei ausländischen Firmen.
Berlin arbeitet an neuer Strategie Die Botschaft ist klar: Chinas Regierung wirbt verzweifelt um internationale Investoren. Nach drei Jahren „Null Covid“ist nämlich nicht nur die heimische Wirtschaft massiv angeschlagen, sondern auch die Stimmung unter westlichen Konzernen mit Präsenz in China auf einem Tiefstand angelangt.Dementsprechend prominent wurde von den chinesischen Staatsmedien über die Eröffnung des neuen BASF-Standorts berichtet. Dieser stelle laut einem Bericht von „China.org“ein „neues Paradigma für Chinas weitere Öffnung dar“– und zwar ungeachtet der „der komplexen internationalen Situation“. Was im blumigen Sprech der Parteimedien euphemistisch klingt, hat Bundeskanzler Olaf Scholz unlängst als „Zeitenwende“bezeichnet. Seine Außenministerin Annalena Baerbock warnt so offen wie keine ihrer Vorgänger zuvor vor den Gefahren einer wirtschaftlichen Abhängigkeit von China. Tatsächlich arbeitet die Bundesregierung derzeit an einer neuen China-Strategie, die wohl deutlich kritischere Töne als noch zur Merkel-Ära bereithält. Und auch im Bundeswirtschaftsministerium wird längst gefordert, die staatlichen Garantien für Investitionen deutscher Unternehmen in der Volksrepublik deutlich einzudämmen.
Mit dieser Sicht findet die Bundesregierung durchaus Widerhall. Christian Sewing, Vorstandschef der Deutschen Bank, sagte vergangene Woche beim Bankengipfel des Handelsblatts in Frankfurt: „Wenn es um Abhängigkeiten geht, müssen wir uns auch der unbequemen Frage stellen, wie wir mit
China umgehen. Die zunehmende Abschottung des Landes und die wachsenden Spannungen, insbesondere mit den USA, bergen für Deutschland ein erhebliches Risiko“.
Warnsignal am China
Viele US-Unternehmen richten ihre Segel bereits nach Südostasien und kehren China verstärkt den Rücken. Apple etwa setzt bei der Produktion künftiger IPhoneGenerationen zunehmend auf Indien und Vietnam als Standorte. Noch handelt es sich um eher symbolische Verschiebungen, doch sie sollten der Volksrepublik durchaus als Warnsignal dienen. Denn die Umgestaltung von Lieferketten ist ein strategisch langfristiger Prozess, der – einmal getätigt – schwer wieder umkehrbar ist.
Solche Überlegungen gibt es auch innerhalb vieler deutscher Unternehmen, wenn auch eher im Mittelstand. Die Zeitenwende hat zumindest die großen Konzerne wie BASF oder auch die deutsche Automobilbranche nicht erreicht. Dort wird die Präsenz in China – zumindest öffentlich – weiterhin als non plus ultra propagiert: „In den vergangenen zehn Jahren ist das größte Wachstum in China passiert. Dass wir dort jetzt mehr als ein Drittel unseres Absatzes verkaufen ist eine Erfolgsstory“, sagte etwa Daimler-Chef Ola Källenius diese Woche in einem Interview mit der Welt. Auch Stephan Wöllenstein, ehemaliger ChinaChef von Volkswagen, sagte in der Nachrichtenagentur „Bloomberg“: Wer mit den Besonderheiten des chinesischen Marktes nicht umgehen könne, werde wohl kaum „in den nächsten fünf bis zehn Jahren noch ein führender Autohersteller“sein. Manchmal scherze er darüber, sich gar nicht mehr sicher zu sein, „ob wir entweder der internationalste unter den chinesischen Autobauern sind – oder der chinesischste unter den internationalen Autobauern“.