„Je m'en-foutisme“
Als Bildungsminister Claude Meisch (DP) am Dienstag die Schulrentrée einläutete, hatte er viele Neuerungen auf Lager, schön präsentiert in einem 22 Seiten langen Pressedossier. Politiker tendieren generell dazu, ihre Ideen und Botschaften mediengerecht zu vermarkten. Das gilt im Besonderen für Claude Meisch, der viel Zeit und Geld in Kommunikationskampagnen steckt, um nach außen gut dazustehen. Nun kann man dem Minister nicht vorwerfen, untätig zu sein. Aber man darf sich von der medienwirksamen Darstellung seiner Politik nicht täuschen lassen. Je schöner die Dinge klingen, desto genauer sollte man hinschauen.
In der Unterstufe des allgemeinen Sekundarunterrichts werden die Schüler in den Hauptfächern je nach Leistungsstärke im Niveau de base oder Niveau avancé unterrichtet. Die Idee ist gut, funktioniert aber nicht. Lehrer beobachten einen generellen „Je m'en-foutisme“, da die Schüler selbst mit miserablen Noten und ohne Anstrengung in die nächste Klasse versetzt werden.
Erst auf 5e gehen ihnen die Augen auf, wenn sie erfahren, dass die Leistungen zu schlecht sind, um die gewünschte Laufbahn zu verfolgen. Die Folge: Viele Schüler wiederholen die 5e, um ihre Leistungen zu verbessern. Viele aber haben nicht die Stärke und nicht den Ehrgeiz, ihre über drei Jahre angehäuften Defizite aufzuarbeiten. Sie sind frustriert, landen in einer Ausbildung, die sie nicht wollen, oder drehen der Schule den Rücken zu. Für diese Schüler möchte Claude Meisch nun die Schulpflicht verlängern und teure Strukturen schaffen, die von privaten Akteuren betrieben werden.
Einen anderen Ausweg bieten die internationalen Schulen und Klassen. Das Lycée technique Michel Lucius bietet das sogenannte Cambridge-International-System an, in dem Noten, die im Luxemburger Schulsystem als ungenügend gelten, zu einem Diplom führen. Zwar handelt es sich um ein minderwertiges „Grade“, aber es ist dank großzügiger Äquivalenzen einem „Première-Diplom“gleichgestellt.
Ein weiteres Beispiel ist das große Interesse der ESGSchüler (früheres Technique) an der vor einigen Jahren eingeführten SO-Sektion (Sozialwissenschaften) zum Nachteil naturwissenschaftlich orientierter Sektionen wie die GIG, die GSN oder die GPS, in die seit der Einführung der SO-Sektion weniger Schüler orientiert werden. Dabei werden Fachkräfte dringend gebraucht. Die SO ist beliebt, weil sie leichter zu schaffen ist als andere Sektionen. Allerdings haben SO-Abiturienten Probleme, an Universitäten angenommen zu werden, selbst in Luxemburg. Für sie hat der Minister nun die einjährige Erzieherausbildung eingeführt, die wiederum die reguläre dreijährige Ausbildung am LTPES zu untergraben droht. Ähnlich verhält es sich mit der neuen einjährigen Ausbildung für Bachelor-Absolventen zum Grundschullehrer, die den regulären anspruchsvolleren Ausbildungsweg zunehmend uninteressant macht.
Statt das traditionelle Schulsystem zu verbessern und Probleme, für die er verantwortlich oder mitverantwortlich ist, zu beheben, schafft Claude Meisch ein paralleles Schulsystem mit teuren privaten Strukturen und steht für Qualitätsverlust. Das muss man zur Kenntnis nehmen.
Je schöner die Dinge klingen, desto genauer sollte man hinschauen.
Kontakt: michele.gantenbein@wort.lu