Die Rentrée anno dazumal
Viel hat sich verändert am ersten Schultag, vieles aber auch nicht – ein Blick ins Archiv
Die Tage werden kürzer und womöglich auch kühler, und dann kommt Mitte September ein fixer Termin für das ganze Land: Die großen Ferien enden, die Schule beginnt, die Rentrée ist da.
Sie ist auch ein fixer Termin im Redaktionskalender, denn wenn das Land aus dem Sommerurlaub zurück ist, gibt es insgesamt mehr zu berichten. Und traditionell wird auch die Rentrée selbst mit einigen Artikeln bedacht.
Ein Blick ins Archiv zeigt: Allzu viel verändert hat sich an dem großen Tag des Ferienendes nicht. In diesem Jahr gibt es zwar einige Neuerungen zu vermelden, nicht zuletzt die Rekordzahl der angemeldeten Schüler im Land. Und in den beiden Jahren zuvor klangen die organisatorischen Corona-Sorgen (2020) bzw. die Aufräumarbeiten nach der Flut (2021) durch. Insgesamt dominiert aber gerade bei den Berichten über die Schulanfänger über die Jahrzehnte die Idee vom neuen Lebensabschnitt, der mit einiger Aufregung, aber auch Vorfreude begonnen wird – sowohl von den Erstklässlern als auch von deren Eltern, an die sich zahlreiche Ratgeberartikel richten.
Familienbuch und Pockenimpfung
Vor 50 Jahren, so stand es im Wort vom 26. August 1972, begann der Ernst des Lebens um 9 Uhr. Denn: „Das Lehrpersonal versammelt sich um 8 Uhr zwecks Regelung organisatorischer Fragen. Die Kinder sollen sich erst um 9 Uhr einstellen.“Mitzubringen waren: „das Familienbuch sowie die Bescheinigung über die Pockenimpfung.“
Am 17. September 1974 lief die Rentrée zumindest in einer Einrichtung wohl nicht ganz so reibungslos, weiß das „Wort“vom Tag darauf: „Etwa 150 Schülerinnen der 'Ecole Professionnelle et Ménagère' auf Verlorenkost hatten sich gestern vormittag zum Schulbeginn eingefunden, der um 8.00 Uhr mit dem Abhalten der Heilig-Geist-Messe stattfinden sollte. Der größte Teil der jungen Mädchen allerdings fehlte – diese Studentinnen hatten am Vorabend über Radio Luxemburg erfahren, daß der Verwaltungsrat der 'Ecole Professionnelle' am Vortag kurzfristig beschlossen hatte, den Schulbeginn aufzuschieben.“
Ein nicht rechtzeitig beigelegter Streit zwischen Schulleitung und Unterrichtsministerium war offenbar der Auslöser für diesen Schritt des Verwaltungsrats gewesen – „im Bewußtsein seiner Verantwortung gegenüber den Schülerinnen und ihren Eltern.“
Das Ministerium seinerseits „bedauert das einseitige Vorgehen des Verwaltungsrates“.
Zurück zum Vorkriegspersonal
Apropos Verantwortung: In den Jahren 1944 und auch 1945 stand die Rentrée natürlich unter komplett anderen Vorzeichen. Im Oktober 1944 fand sich im Wort neben den Terminen und Uhrzeiten für die Rentrée – kriegsbedingt erst am 30. Oktober – der nicht ganz unwichtige Hinweis: „Die Kinder werden von den Lehrpersonen empfangen, die am 10. Mai 1940 in den betreffenden Schulgebäuden amtierten.“
Und am 15. September 1945 dann der flammende Appell: „Es wurde in den vergangenen Jahren unsagbar viel an unsrer Jugend gesündigt. Alle Erziehungsfaktoren Elternhaus, Schule u. Kirche, werden mehr denn je ihre Kräfte vereinigen müssen, um den angerichteten Schaden wiedergutzumachen und ein neues Fundament für unsre nationale Zukunft zu legen.“
Wer frühstückt 1977 mit den Kindern?
Als der Schulanfang nach dem Krieg in geordneteren Bahnen lief, war in der Zeitung dann Platz für gutgemeinte Ratschläge an die Eltern der ABC-Schützen. In all diesen „Service-Texten“, wie man sie heute nennen würde, werden ausreichender Schlaf (zehn bis zwölf
Stunden), eine „geregelte Lebensweise“und gute Ernährung in den Vordergrund gestellt. Die Kinder sollen zu Fleiß, Sauberkeit und Pünktlichkeit angehalten, der Schulweg vorher abgeklärt werden.
Über die Jahre ist allerdings eine Veränderung im Ton festzustellen. 1960 wird noch ganz klar die Mutter in die Verantwortung genommen: „Nimm dir, Mutter, vor Schulbeginn so viel Zeit, daß dein Kind in Ruhe essen kann! Verweile in Stille bei deinem Kind, bevor es aus dem Hause geht“, heißt es im „Wort“vom 24. September 1960.
Zum Schulanfang 1977 hatten sich die Zeiten dann offenbar zumindest ansatzweise geändert: „Starthilfe für das Kind können El
tern und Erzieher geben. Wenn es bisher nicht geübt worden ist, sollte spätestens jetzt der Anfang gemacht werden mit einem vernünftigen, ruhigen Frühstück, das wenigstens ein Familienmitglied mit dem Schulanfänger einnehmen sollte“– auch wenn der Vater nicht ausdrücklich genannt ist, ist er hier doch wahrscheinlich „mitgemeint“.
„Nach einer ersten Kontaktnahme am Montag, begann gestern ernstlich der Schulbetrieb in den Primärschulen der Hauptstadt.“Das war am 9. September 1964