Jeanne d’Arc der Emanzipation
Die Bundeskunsthalle in Bonn präsentiert Simone de Beauvoirs bedeutendstes Werk
schließlich, die den Feminismus nach Deutschland brachte, gewährt Einblick in das Leben dieser ebenso revolutionären wie bürgerlichen Frau.
Noch viel zu tun
Mit dem Beginn der Frauenbewegung in den späten 1960er-Jahren wurde die Inhalte von „Le deuxième sexe“in Westeuropa rezipiert. Laut Wikipedia gilt das Buch „als entscheidendes Grundlagenwerk der sogenannten zweiten Welle des Feminismus, da es erstmals die Kategorie Geschlecht ins Zentrum einer sozialwissenschaftlichen Untersuchung stellte und dabei konsequent zwischen biologischem Geschlecht und kultureller bzw. sozialer Prägung von Geschlecht unterschied“.
Im Fokus der Auseinandersetzung damals standen Themen der sexuellen und körperlichen Selbstbestimmung der Frau, die auch innerhalb der neuen Frauenbewegung und Geschlechterforschung eine Rolle spielen. Denn auch wenn sich Vieles zugunsten der Frau gewandelt hat, sind zahlreiche Fragen, die Simone de Beauvoir vor 73 Jahren gestellt hat, immer noch ungelöst und präsent. Man denke nur an das jüngst verhängte Inkrafttreten bereits weitgehender Abtreibungsverbote in den USA, fortbestehende Gehaltsunterschiede oder zu geringe Präsenz von Frauen in den von Männern dominierten Vorstandsetagen. Auch Influencerinnen, die die Rückkehr zu alten Körperbildern mit allen Mitteln propagieren, tun der Bewegung keinen Gefallen. Und schließlich zeigt die MeToo-Debatte der letzten Jahre, dass noch viel zu tun ist auf dem Weg zu einer gleichberechtigen Gesellschaft.
Im Fazit kann man in Bonn eine kleine feine Schau ansehen, die lehrreichen Aufschluss über das wegweisende Werk von Simone de Beauvoir gibt. Einziger Wermutstropfen: Die Ausstellungsräume sind nüchtern in dunklem Grau gehalten. Da fällt es schwer, sich den Charme eines Pariser Intellektuellen-Cafés jener Zeit vorzustellen, auch wenn dieser mit Bistro-Tischen und -stühlen zumindest angedeutet ist. Wer jetzt noch nicht depressiv ist, könnte Gefahr laufen, es hier zu werden.
Simone de Beauvoir und „Das andere Geschlecht“, noch bis 16. Oktober in der Bundekunsthalle Bonn. Gut mit dem Zug bis DB-Haltestelle UN-Campus, zu erreichen. www.bundeskunsthalle.de
Der aus Deutschland stammende und meist in Paris wirkende Wilhelm Uhde (1874–1947) war nicht nur ein bedeutender Kunsthändler und Sammler, er avancierte in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zu einem wichtigen Vermittler zwischen der deutschen und französischen Kunstszene. Zugleich trat er als Autor in Erscheinung, warb mit wechselndem Erfolg aber unermüdlich in Aufsätzen und Büchern für die Kunst der Avantgarde. Überliefert wird, dass er dem Maler Georges Braques 1907 eine Visitenkarte mit der Berufsbezeichnung „écrivain d’art allemand“überreicht hat. Kriegsbedingt kehrte Uhde 1914 zurück nach Deutschland, doch zog es ihn bereits 1924 erneut nach Paris, wo er an bewährte Kontakte zu Künstlern und Galeristen anknüpfen konnte und sich mit sicherem Spürsinn zum Förderer neuer Talente entwickelte. So kam es 1928 zu der historischen Pariser Ausstellung mit der erstmalig publizierten Bezeichnung „Maler des Heiligen Herzens“, die Werke von künstlerischen Autodidakten – also von nicht ausgebildeten „Freizeitmalern“zeigte. Uhde war begeistert von der ungebrochenen Authentizität dieser Bilder, er sah darin die Ausstrahlung einer „nicht verbildeten Malerei“, sie waren sein Maßstab für „die wahre Kunst“. Die beeindruckenden Werke von André Bauchant, Camille Bombois, Séraphine Louis, Henri Rousseau und Louis Vivin werden nun vom Museum Frieder Burda in Baden-Baden präsentiert.
Dabei ist der Hintergrund der französischen Benennung „Les Peintres du Coeur Sacré“durchaus doppeldeutig. Einmal spielt sie auf den realen Ort an: Auf die am Montmartre gelegene Basilika Sacré Coeur, in deren Umgebung einige der Künstler zeitweise lebten. Zum anderen soll damit unterstrichen werden, dass diese Malerei „einem frommen und starken Herzen“entspringt, wie Uhde es beschrieb. Aus heutiger Sicht könnte man dieses Etikett auch als genialen „Marketing-Einfall“bezeichnen, denn weder kannten sich die Künstler untereinander, noch gab es eine gemeinsame Proklamation oder gar eine ähnliche Maltechnik. Einzig und allein eint sie eine soziale Herkunft aus der damaligen Arbeiterklasse bzw. dem Kleinbürgertum, die verkannte Begabung und der Tatbestand, dass Uhde sie entdeckt hat. Treffsicher schreibt Kurator Udo Kittelmann in seinem Beitrag im Ausstellungskatalog: „Die ‚Maler des Heiligen Herzens‘ repräsentierten für den liebenden Sammler Uhde das reiche Herz, das er in Frankreich als Quell seines persönlichen Glücks fand und von dem er hoffte, seine versöhnende Botschaft würde über die Bereiche der Kunst hinaus in die Welt getragen.“
Von Wilhelm Uhde entdeckt
Emotionaler Umgang mit Form und Farbe
André Bauchant war von Beruf Gärtner, als Soldat der französischen Armee wurde er in Griechenland zum Geländezeichner ausgebildet und trat nach Kriegsende als Maler antiker Szenen und Landschaften hervor. Camille Bombois war Knecht auf einem Bauernhof, verdingte sich zeitweise als Ringkämpfer im Zirkus und arbeitete später in der Nachtschicht einer Druckerei, um tagsüber malen zu können. Séraphine Louis betätigte sich als Putzhilfe, begann „ihre“Möbel und Töpfe mit Früchten und Pflanzen zu dekorieren und gelangte so zur Malerei.
Henri Rousseau übte den Beruf eines Zöllners aus und erwarb eine Kopistenkarte, um in Pariser Museen zeichnen zu dürfen. 1908 organisierte Uhde die erste Einzelausstellung des Malers und Picasso erwarb ein Frauenbildnis von ihm. Louis Vivin war Postangestellter und beteiligte sich bereits 1889 an einer Ausstellung von sogenannten „Sonntagsmalern“. Bei der Wahl seiner Motive war Vivin ausgesprochen vielseitig, schuf Stillleben, Dorf- und Jagdszenen, malte Pariser Stadtansichten. Alle genannten Maler und Malerinnen werden zuweilen bis heute der „naiven Kunst“oder der „Outsider Art“zugeordnet, eine Klassifizierung, die einen negativen Beigeschmack beinhaltet. So als hätten diese Künstler außerhalb der etablierten Kunstszene gearbeitet und ihren Werken würden einen Mangel an Können oder Genialität anhaften. Wer die Ausstellung besucht, wird nachdrücklich eines Besseren belehrt, man muss dieser Etikettierung widersprechen. Diese Maler ragen durch eine besonders emotionale Weise heraus, wie sie sich durch Formen und Farben ausdrücken. Dass dieser intuitive Umgang mit Figur, Hintergrund und Raum künstlerisch zur Moderne gehört, untermauern auch zurückliegende Ausstellungen dieser Werke bei der Kasseler documenta und im Museum of Modern Art in New York.
Wer den ersten Ausstellungsraum auf den drei Etagen des Burda-Museums betritt, wird angestrahlt von einer ganzen Serie Frauenportraits, gemalt von Camille Bombois. Dralle Körper, intensive Farben, klare Konturen. Bilder aus der Welt des Zirkus: Schausteller, Tänzerinnen, weibliche Akte, Bombois inszenierte die Kör
André Bauchant, Le triomphe de Neptune, 1929. Sammlung Zander © VG Bild-Kunst, Bonn 2022.
Authentisch und eigenwillig