Neustart nach dem Talflug
Der Satellitenbetreiber Intelsat aus Kirchberg stand vor dem Aus – CEO Dave Wajsgras gibt sich optimistisch
Die Technologie von Intelsat brachte einst die Bilder von der ersten Mondlandung in die heimischen Fernseher. Seitdem hat das Unternehmen mit Sitz in Kirchberg schwere Zeiten durchgemacht. Erst in diesem Jahr gelang der Ausstieg aus dem Insolvenzverfahren. Der neue CEO Dave Wajsgras sprach mit dem Luxemburger Wort über den Neuanfang, die Fusionsgerüchte mit SES und einen Satelliten, der nicht mehr macht, was er soll.
Dave Wajsgras, wie steht es um das Geschäft der Satellitenbetreiber? Einige wichtige Bereiche wie Satelliten-TV verlieren seit Jahren an Bedeutung. Ist es schwieriger geworden, profitabel zu arbeiten?
Im letzten Jahrzehnt stand die Branche unter einigem Druck, was die Nachfrage angeht. Das hat sich in letzter Zeit gedreht. Derzeit übersteigt die Nachfrage nach den Diensten der Satellitenbetreiber das verfügbare Angebot. Mit der Zeit wird die gesamte Industrie davon profitieren – manche kurzfristig, andere langfristig. Intelsat wird in diesem Jahr zum ersten Mal in über einem Jahrzehnt seine Umsätze im Vergleich zum Vorjahr steigern. Wir haben die Satellitenkommunikationsbranche mitbegründet und sind für die kommenden Jahre gut aufgestellt, weil wir zum Beispiel über die größte Satellitenflotte und das größte terrestrische Netzwerk verfügen.
In welchen Bereichen wächst denn die Nachfrage?
Ein wichtiges Beispiel ist der Flugverkehr. Es gibt einen immer größeren Bedarf danach, mit dem Internet verbunden zu sein, während man im Flugzeug sitzt. Wir sind der größte Anbieter für diese Form der Konnektivität in der Welt. Wir arbeiten mit 20 Fluggesellschaften und sind mit unserer Technologie in über 3 000 Flugzeugen weltweit vertreten.
Sie sagen, die Nachfrage wächst. Auf der anderen Seite gibt es aber auch zusätzliche Konkurrenz von neuen Wettbewerben. Gerade im Bereich der Konnektivität hat beispielsweise Elon Musks Starlink kürzlich verkündet, dass es einen Deal mit einer großen Kreuzfahrtgesellschaft abgeschlossen hat. Beunruhigt Sie das nicht?
Starlink ist eine gut geführte Firma, und ich denke, dass sie die Branche umkrempeln werden. Ich sehe das als sehr positiv an. Wir arbeiten in manchen Bereichen mit Starlink zusammen, in anderen konkurrieren wir. Genau wie wir sehen sie das enorme Potenzial für die Branche und die stark gewachsene Kundennachfrage. Die Industrie befindet sich in einer Transformationsphase. Wir denken, dass wir gut aufgestellt sind, dieser Konkurrenz zu begegnen. Gerade im Bereich der maritimen Verbindungen sind wir weltweit der größte Anbieter.
Sie sprechen die Veränderungen in der Branche an. Derzeit sind die beiden Konkurrenten Inmarsat and ViaSat in Fusionsgesprächen. Erwarten Sie eine weitere Konsolidierung in der Branche? Benötigen die Unternehmen eine gewisse Größe, um überlebensfähig zu sein?
Wie gesagt, die Branche verändert sich gerade auf vielen verschiedenen Ebenen. Es kommen neue Akteure wie Starlink hinzu. Einige Firmen in der Branche wird es in ein paar Jahre nicht mehr geben. Man weiß noch nicht, welche das sein werden. Aber wenn man sich die Dynamik in der Branche ansieht, ist das nur der natürliche Lauf der Dinge. Weitere Firmen werden fusionieren. ViaSat und Inmarsat befinden sich derzeit in der Endphase und durchlaufen die behördlichen Genehmigungen. Es gibt auch Gespräche zwischen Eutelsat und Oneweb. Auch das ist gut für die Industrie, wenn sich Firmen zusammenschließen und so bestehende Lücken bei ihren technischen Fähigkeiten oder Marktzugängen schließen. Man fusioniert nicht, nur um eine gewisse Größe zu erreichen, es muss zu der Wachstumsstrategie passen. Es gibt zahlreiche Gerüchte zu weiteren Fusionen. Das könnte passieren, vielleicht aber auch nicht. Wir prüfen derzeit den Kauf von Unternehmen, die uns helfen, bestimmte Lücken zu schließen. Aber fürs Erste konzentrieren wir uns darauf, weiterzuwachsen und in unsere Technologien zu investieren.
Sie erwähnen die Gerüchte. Angeblich gibt es Gespräche zu einer Fusion mit dem luxemburgischen Konkurrenten SES. Was ist da dran?
Ich werde keine Gerüchte kommentieren. Und das ist ein Gerücht. SES ist ein gut geführtes Unternehmen und ein großer Konkurrent. Intelsat ist auch ein großartiges Unternehmen mit großartigen Technologien und großartigen Fähigkeiten. Wir haben viele organische Investitionen in Technologie und wir arbeiten viel mehr als zuvor mit Unternehmen aus dem gesamten Ökosystem zusammen.
Ein Dementi sieht aber anders aus. Zumindest sagen Sie nicht, dass an den Gerüchten nichts dran ist.
Ich kann das nicht kommentieren. Ich kommentiere keine Gerüchte.
Intelsat hat eine schwierige Zeit hinter sich. Erst Ende letzten Jahre haben Sie verkündet, dass sie sich mit ihren Gläubigern auf eine Umschuldung geeinigt haben, was Ihnen ermöglichen würde, das Insolvenzverfahren zu beenden. Wo stehen Sie da?
Wir haben die sogenannte Kapitel-11-Reorganisation (Insolvenzverfahren nach amerikanischem Recht, Red.) abgeschlossen. Heute befindet sich das Unternehmen aus finanzieller Sicht in der stärksten Position seit weit über einem Jahrzehnt. Wir haben heute finanzielle Mittel zum Investieren, die wir schon sehr, sehr lange nicht mehr hatten. Ich bin erst seit fünfeinhalb Monaten im Unternehmen, aber ich habe mir die Geschichte angesehen, es gibt viele Gründe, warum das Unternehmen im Laufe der Zeit so viel Schulden hatte. Kein Unternehmen hätte diese Schuldenlast tragen können. Sie können nicht so viele Schulden anhäufen und aus finanzieller Sicht keine Art von Umstrukturierung durchlaufen. Wir sind jetzt in Privatbesitz. Wir haben eine Aktionärsgruppe, die sehr an der langfristigen Zukunft des Unternehmens interessiert ist.
Können Sie mir eine Einschätzung dazu geben, warum das Unternehmen überhaupt in diese Position geraten ist?
Nach der Meinung von Brancheninsidern war ein wichtiger Grund, dass es über einen langen Zeitraum wechselnde Eigentümer gab. Private-Equity-Gesellschaften, die keine Ahnung von der Branche haben und dem Unternehmen viele Schulden aufgebürdet haben.Wer auch immer Ihnen das gesagt hat, hat meiner Einschätzung nach absolut recht. Die wechselnden Eigentümer hatten unterschiedliche Ziele. Sie haben also entschieden, so das Unternehmen zu steuern und ihm zusätzliche Schulden aufzuladen. Daneben gab es die Notwendigkeit, zu investieren, zum Beispiel in neue Satelliten. Die Kombination dieser Faktoren hat dazu geführt, dass nicht genügend Cash-Flow generiert werden konnte, um dieses Level an Verbindlichkeiten zu bedienen. Das ist einfache Mathematik, das ist nicht zu schaffen.
Ein wichtiger Schritt für Intelsat wird die C-Band-Auktion sein, bei der Satellitenbetreiber die Nutzungsrechte an einem Frequenzspektrum an Mobilfunkanbieter verkaufen, das bisher für die Distribution von Fernsehprogrammen genutzt wurde. Wie ist da der Zeitplan?
Wir unternehmen große Anstrengungen, um die Zahlungen zu sichern. Im Moment ist das Zieldatum, auf das sich alle konzentrieren, Anfang 2024. Bis dahin werden wir insgesamt knapp vier Milliarden US-Dollar an beschleunigten Zahlungen erhalten und 1,3 bis 1,4 Milliarden für neue Satelliten erstattet bekommen.
Werden diese Einnahmen in den Schuldendienst fließen müssen oder in neue Investitionen?
Etwa die Hälfte wird für Investitionen in neue Technologien genutzt und die andere, um die Schulden weiter zu reduzieren.
In diesem Zusammenhang läuft derzeit noch ein Gerichtsverfahren.
Wir haben in Luxemburg expandiert und wir werden weiter expandieren. Dave Wasjgras, CEO des Satellitenbetreibers Intelsat
Was macht Sie zuversichtlich, dass die Firma auf einem guten Weg ist?
Wenn ich mir das Finanzprofil des Unternehmens ansehe, ist es einfach eine sehr, sehr starke Kombination aus der Umstrukturierung nach Chapter 11, des aktuellen Cashflows und den eingehenden C-Band-Erlösen. Aus rein finanzieller Sicht stand das Unternehmen seit mindestens über einem Jahrzehnt nicht mehr so gut da. Ungeachtet aller finan-ziellen Zwänge, die das Unter-nehmen hatte, investierte es weiter, nicht in dem Tempo, das es sich gewünscht hätte, aber es investiert weiterhin in modernste Fähigkeiten, sowohl auf der Satellitenseite als auch im terrestrischen Netzwerk. Ebenso in die Entwicklung der 5G- und VirtualisierungsTechnologie. Wir haben jetzt die Möglichkeit, es zu beschleunigen.
Vor einigen Wochen wurde bekannt, dass Sie den Kontakt zu einem Ihrer Satelliten verloren haben. Wie kann das passieren?
Die Satelliten sind dem Weltraumwetter ausgesetzt. Sonneneruptionen wirken sich auf die Technologie aus. Etwa alle zehn Jahre passiert das in großem Umfang. Dieser spezielle Satellit befand sich in einem sogenannten Geo-Slot, der vom Weltraumwetter beeinflusst wurde. Die Strahlung hat einen Teil der Elektronik durcheinander gebracht. So haben wir das Kommando über den Satelliten verloren. Also hat das Team einen Notfallplan aufgestellt, und die Medien der Kunden auf einen anderen Satelliten übertragen. Niemand verlor die Verbindung.
Besteht die Gefahr einer Kollision mit einem anderen Satelliten?
Das Risiko besteht theoretisch, die Wahrscheinlichkeit ist aber verschwindend gering. Wissen
Sie, der Weltraum ist ziemlich weitläufig. Es ist in etwa so, als würde man ein Ruderboot mitten im Atlantik aussetzen. Es könnte gegen ein anderes Ruderboot stoßen, es ist aber nicht sehr wahrscheinlich. Selbst für diesen Fall gibt es Notfallpläne, um Kollisionen zu verhindern. Wichtig war, dass der Satellit aufgehört hat, zu senden, also nicht die Signale anderer Satelliten stört.
Luxemburg ist Ihr Firmensitz. Aber welche Aktivitäten befinden sich hier genau? Was sind die Pläne für den Standort in Ihrer Strategie?
Wie Sie wissen, ist unser globaler Hauptsitz hier. Wir haben in Luxemburg expandiert und wir werden weiter expandieren. Zahlreiche Aktivitäten des Unternehmens wie Satellitenkäufe, Kapazitätsplanung für Satelliten, Engineering oder Vertragsaktivitäten mit Kunden werden über Luxemburg abgewickelt, ebenso befinden sich die Personalabteilung, Teile der Buchhaltung und der Informationstechnologie hier. Aktuell sind wir etwa 50 Mitarbeiter im Luxemburger Büro und wir werden weiter wachsen.
Zur Geschichte Ihres Unternehmens gehört, dass seine Technologie genutzt wurde, um die erste Mondlandung im Fernsehen auszustrahlen. Die Nasa möchte bald wieder Menschen zum Mond bringen. Haben Sie die Hoffnung, dass Intelsat dieses Mal auch wieder mit an Bord sein wird?
Ja, haben wir, aber das ist nichts, worauf ich zum jetzigen Zeitpunkt genauer eingehen könnte. Es sind mehrere Artemis-Missionen geplant. Ich kann keine Details nennen, aber in das meiste, was in Bezug dabei auf Satellitenkommunikation geschieht, sind wir entweder direkt oder indirekt involviert.