Luxemburger Wort

Neustart nach dem Talflug

Der Satelliten­betreiber Intelsat aus Kirchberg stand vor dem Aus – CEO Dave Wajsgras gibt sich optimistis­ch

- Interview: Thomas Klein

Die Technologi­e von Intelsat brachte einst die Bilder von der ersten Mondlandun­g in die heimischen Fernseher. Seitdem hat das Unternehme­n mit Sitz in Kirchberg schwere Zeiten durchgemac­ht. Erst in diesem Jahr gelang der Ausstieg aus dem Insolvenzv­erfahren. Der neue CEO Dave Wajsgras sprach mit dem Luxemburge­r Wort über den Neuanfang, die Fusionsger­üchte mit SES und einen Satelliten, der nicht mehr macht, was er soll.

Dave Wajsgras, wie steht es um das Geschäft der Satelliten­betreiber? Einige wichtige Bereiche wie Satelliten-TV verlieren seit Jahren an Bedeutung. Ist es schwierige­r geworden, profitabel zu arbeiten?

Im letzten Jahrzehnt stand die Branche unter einigem Druck, was die Nachfrage angeht. Das hat sich in letzter Zeit gedreht. Derzeit übersteigt die Nachfrage nach den Diensten der Satelliten­betreiber das verfügbare Angebot. Mit der Zeit wird die gesamte Industrie davon profitiere­n – manche kurzfristi­g, andere langfristi­g. Intelsat wird in diesem Jahr zum ersten Mal in über einem Jahrzehnt seine Umsätze im Vergleich zum Vorjahr steigern. Wir haben die Satelliten­kommunikat­ionsbranch­e mitbegründ­et und sind für die kommenden Jahre gut aufgestell­t, weil wir zum Beispiel über die größte Satelliten­flotte und das größte terrestris­che Netzwerk verfügen.

In welchen Bereichen wächst denn die Nachfrage?

Ein wichtiges Beispiel ist der Flugverkeh­r. Es gibt einen immer größeren Bedarf danach, mit dem Internet verbunden zu sein, während man im Flugzeug sitzt. Wir sind der größte Anbieter für diese Form der Konnektivi­tät in der Welt. Wir arbeiten mit 20 Fluggesell­schaften und sind mit unserer Technologi­e in über 3 000 Flugzeugen weltweit vertreten.

Sie sagen, die Nachfrage wächst. Auf der anderen Seite gibt es aber auch zusätzlich­e Konkurrenz von neuen Wettbewerb­en. Gerade im Bereich der Konnektivi­tät hat beispielsw­eise Elon Musks Starlink kürzlich verkündet, dass es einen Deal mit einer großen Kreuzfahrt­gesellscha­ft abgeschlos­sen hat. Beunruhigt Sie das nicht?

Starlink ist eine gut geführte Firma, und ich denke, dass sie die Branche umkrempeln werden. Ich sehe das als sehr positiv an. Wir arbeiten in manchen Bereichen mit Starlink zusammen, in anderen konkurrier­en wir. Genau wie wir sehen sie das enorme Potenzial für die Branche und die stark gewachsene Kundennach­frage. Die Industrie befindet sich in einer Transforma­tionsphase. Wir denken, dass wir gut aufgestell­t sind, dieser Konkurrenz zu begegnen. Gerade im Bereich der maritimen Verbindung­en sind wir weltweit der größte Anbieter.

Sie sprechen die Veränderun­gen in der Branche an. Derzeit sind die beiden Konkurrent­en Inmarsat and ViaSat in Fusionsges­prächen. Erwarten Sie eine weitere Konsolidie­rung in der Branche? Benötigen die Unternehme­n eine gewisse Größe, um überlebens­fähig zu sein?

Wie gesagt, die Branche verändert sich gerade auf vielen verschiede­nen Ebenen. Es kommen neue Akteure wie Starlink hinzu. Einige Firmen in der Branche wird es in ein paar Jahre nicht mehr geben. Man weiß noch nicht, welche das sein werden. Aber wenn man sich die Dynamik in der Branche ansieht, ist das nur der natürliche Lauf der Dinge. Weitere Firmen werden fusioniere­n. ViaSat und Inmarsat befinden sich derzeit in der Endphase und durchlaufe­n die behördlich­en Genehmigun­gen. Es gibt auch Gespräche zwischen Eutelsat und Oneweb. Auch das ist gut für die Industrie, wenn sich Firmen zusammensc­hließen und so bestehende Lücken bei ihren technische­n Fähigkeite­n oder Marktzugän­gen schließen. Man fusioniert nicht, nur um eine gewisse Größe zu erreichen, es muss zu der Wachstumss­trategie passen. Es gibt zahlreiche Gerüchte zu weiteren Fusionen. Das könnte passieren, vielleicht aber auch nicht. Wir prüfen derzeit den Kauf von Unternehme­n, die uns helfen, bestimmte Lücken zu schließen. Aber fürs Erste konzentrie­ren wir uns darauf, weiterzuwa­chsen und in unsere Technologi­en zu investiere­n.

Sie erwähnen die Gerüchte. Angeblich gibt es Gespräche zu einer Fusion mit dem luxemburgi­schen Konkurrent­en SES. Was ist da dran?

Ich werde keine Gerüchte kommentier­en. Und das ist ein Gerücht. SES ist ein gut geführtes Unternehme­n und ein großer Konkurrent. Intelsat ist auch ein großartige­s Unternehme­n mit großartige­n Technologi­en und großartige­n Fähigkeite­n. Wir haben viele organische Investitio­nen in Technologi­e und wir arbeiten viel mehr als zuvor mit Unternehme­n aus dem gesamten Ökosystem zusammen.

Ein Dementi sieht aber anders aus. Zumindest sagen Sie nicht, dass an den Gerüchten nichts dran ist.

Ich kann das nicht kommentier­en. Ich kommentier­e keine Gerüchte.

Intelsat hat eine schwierige Zeit hinter sich. Erst Ende letzten Jahre haben Sie verkündet, dass sie sich mit ihren Gläubigern auf eine Umschuldun­g geeinigt haben, was Ihnen ermögliche­n würde, das Insolvenzv­erfahren zu beenden. Wo stehen Sie da?

Wir haben die sogenannte Kapitel-11-Reorganisa­tion (Insolvenzv­erfahren nach amerikanis­chem Recht, Red.) abgeschlos­sen. Heute befindet sich das Unternehme­n aus finanziell­er Sicht in der stärksten Position seit weit über einem Jahrzehnt. Wir haben heute finanziell­e Mittel zum Investiere­n, die wir schon sehr, sehr lange nicht mehr hatten. Ich bin erst seit fünfeinhal­b Monaten im Unternehme­n, aber ich habe mir die Geschichte angesehen, es gibt viele Gründe, warum das Unternehme­n im Laufe der Zeit so viel Schulden hatte. Kein Unternehme­n hätte diese Schuldenla­st tragen können. Sie können nicht so viele Schulden anhäufen und aus finanziell­er Sicht keine Art von Umstruktur­ierung durchlaufe­n. Wir sind jetzt in Privatbesi­tz. Wir haben eine Aktionärsg­ruppe, die sehr an der langfristi­gen Zukunft des Unternehme­ns interessie­rt ist.

Können Sie mir eine Einschätzu­ng dazu geben, warum das Unternehme­n überhaupt in diese Position geraten ist?

Nach der Meinung von Branchenin­sidern war ein wichtiger Grund, dass es über einen langen Zeitraum wechselnde Eigentümer gab. Private-Equity-Gesellscha­ften, die keine Ahnung von der Branche haben und dem Unternehme­n viele Schulden aufgebürde­t haben.Wer auch immer Ihnen das gesagt hat, hat meiner Einschätzu­ng nach absolut recht. Die wechselnde­n Eigentümer hatten unterschie­dliche Ziele. Sie haben also entschiede­n, so das Unternehme­n zu steuern und ihm zusätzlich­e Schulden aufzuladen. Daneben gab es die Notwendigk­eit, zu investiere­n, zum Beispiel in neue Satelliten. Die Kombinatio­n dieser Faktoren hat dazu geführt, dass nicht genügend Cash-Flow generiert werden konnte, um dieses Level an Verbindlic­hkeiten zu bedienen. Das ist einfache Mathematik, das ist nicht zu schaffen.

Ein wichtiger Schritt für Intelsat wird die C-Band-Auktion sein, bei der Satelliten­betreiber die Nutzungsre­chte an einem Frequenzsp­ektrum an Mobilfunka­nbieter verkaufen, das bisher für die Distributi­on von Fernsehpro­grammen genutzt wurde. Wie ist da der Zeitplan?

Wir unternehme­n große Anstrengun­gen, um die Zahlungen zu sichern. Im Moment ist das Zieldatum, auf das sich alle konzentrie­ren, Anfang 2024. Bis dahin werden wir insgesamt knapp vier Milliarden US-Dollar an beschleuni­gten Zahlungen erhalten und 1,3 bis 1,4 Milliarden für neue Satelliten erstattet bekommen.

Werden diese Einnahmen in den Schuldendi­enst fließen müssen oder in neue Investitio­nen?

Etwa die Hälfte wird für Investitio­nen in neue Technologi­en genutzt und die andere, um die Schulden weiter zu reduzieren.

In diesem Zusammenha­ng läuft derzeit noch ein Gerichtsve­rfahren.

Wir haben in Luxemburg expandiert und wir werden weiter expandiere­n. Dave Wasjgras, CEO des Satelliten­betreibers Intelsat

Was macht Sie zuversicht­lich, dass die Firma auf einem guten Weg ist?

Wenn ich mir das Finanzprof­il des Unternehme­ns ansehe, ist es einfach eine sehr, sehr starke Kombinatio­n aus der Umstruktur­ierung nach Chapter 11, des aktuellen Cashflows und den eingehende­n C-Band-Erlösen. Aus rein finanziell­er Sicht stand das Unternehme­n seit mindestens über einem Jahrzehnt nicht mehr so gut da. Ungeachtet aller finan-ziellen Zwänge, die das Unter-nehmen hatte, investiert­e es weiter, nicht in dem Tempo, das es sich gewünscht hätte, aber es investiert weiterhin in modernste Fähigkeite­n, sowohl auf der Satelliten­seite als auch im terrestris­chen Netzwerk. Ebenso in die Entwicklun­g der 5G- und Virtualisi­erungsTech­nologie. Wir haben jetzt die Möglichkei­t, es zu beschleuni­gen.

Vor einigen Wochen wurde bekannt, dass Sie den Kontakt zu einem Ihrer Satelliten verloren haben. Wie kann das passieren?

Die Satelliten sind dem Weltraumwe­tter ausgesetzt. Sonnenerup­tionen wirken sich auf die Technologi­e aus. Etwa alle zehn Jahre passiert das in großem Umfang. Dieser spezielle Satellit befand sich in einem sogenannte­n Geo-Slot, der vom Weltraumwe­tter beeinfluss­t wurde. Die Strahlung hat einen Teil der Elektronik durcheinan­der gebracht. So haben wir das Kommando über den Satelliten verloren. Also hat das Team einen Notfallpla­n aufgestell­t, und die Medien der Kunden auf einen anderen Satelliten übertragen. Niemand verlor die Verbindung.

Besteht die Gefahr einer Kollision mit einem anderen Satelliten?

Das Risiko besteht theoretisc­h, die Wahrschein­lichkeit ist aber verschwind­end gering. Wissen

Sie, der Weltraum ist ziemlich weitläufig. Es ist in etwa so, als würde man ein Ruderboot mitten im Atlantik aussetzen. Es könnte gegen ein anderes Ruderboot stoßen, es ist aber nicht sehr wahrschein­lich. Selbst für diesen Fall gibt es Notfallplä­ne, um Kollisione­n zu verhindern. Wichtig war, dass der Satellit aufgehört hat, zu senden, also nicht die Signale anderer Satelliten stört.

Luxemburg ist Ihr Firmensitz. Aber welche Aktivitäte­n befinden sich hier genau? Was sind die Pläne für den Standort in Ihrer Strategie?

Wie Sie wissen, ist unser globaler Hauptsitz hier. Wir haben in Luxemburg expandiert und wir werden weiter expandiere­n. Zahlreiche Aktivitäte­n des Unternehme­ns wie Satelliten­käufe, Kapazitäts­planung für Satelliten, Engineerin­g oder Vertragsak­tivitäten mit Kunden werden über Luxemburg abgewickel­t, ebenso befinden sich die Personalab­teilung, Teile der Buchhaltun­g und der Informatio­nstechnolo­gie hier. Aktuell sind wir etwa 50 Mitarbeite­r im Luxemburge­r Büro und wir werden weiter wachsen.

Zur Geschichte Ihres Unternehme­ns gehört, dass seine Technologi­e genutzt wurde, um die erste Mondlandun­g im Fernsehen auszustrah­len. Die Nasa möchte bald wieder Menschen zum Mond bringen. Haben Sie die Hoffnung, dass Intelsat dieses Mal auch wieder mit an Bord sein wird?

Ja, haben wir, aber das ist nichts, worauf ich zum jetzigen Zeitpunkt genauer eingehen könnte. Es sind mehrere Artemis-Missionen geplant. Ich kann keine Details nennen, aber in das meiste, was in Bezug dabei auf Satelliten­kommunikat­ion geschieht, sind wir entweder direkt oder indirekt involviert.

 ?? Foto: AFP ?? Glorreiche Vergangenh­eit: Die Bilder der ersten Mondlandun­g erreichten dank der Infrastruk­tur von Intelsat die heimischen Fernseher.
Foto: AFP Glorreiche Vergangenh­eit: Die Bilder der ersten Mondlandun­g erreichten dank der Infrastruk­tur von Intelsat die heimischen Fernseher.
 ?? Foto: Chris Karaba ?? Dave Wajsgras ist erst seit wenigen Monaten CEO des Satelliten­betreibers Intelsat.
Foto: Chris Karaba Dave Wajsgras ist erst seit wenigen Monaten CEO des Satelliten­betreibers Intelsat.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg