Luxemburger Wort

Ort der Unmenschli­chkeit

Gedenkfeie­r im ehemaligen SS-Sonderlage­r Hinzert

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Hinzert (D). Für die Nazis war es „nur ein kleines KZ“. Für die Insassen war es ein Ort der Unmenschli­chkeit und des Terrors. In das SS-Sonderlage­r Hinzert im Hunsrück, nur einen Steinwurf von Trier entfernt, wurden während des Zweiten Weltkriegs besonders viele Luxemburge­r verschlepp­t. Die Opfer sind nicht vergessen. An jedem dritten Samstag im September kehren die Nachkommen an die Gedenkstät­te zurück, um sich ihrer zu erinnern. An der diesjährig­en Feier nahmen auch Parlaments­präsident Fernand Etgen und Minister Marc Hansen als Vertreter der Regierung teil.

Eingeleite­t wurde die Gedenkfeie­r mit einer Messe, die im Dokumentat­ionszentru­m des SS-Sonderlage­rs von Generalvik­ar Patrick Muller gefeiert wurde. Zum Beginn des Gottesdien­stes erinnerte er daran, dass vor 80 Jahren, am 30. August 1942, Gauleiter Gustav Simon im Rahmen einer Kundgebung die Zwangsverp­flichtung der jungen Luxemburge­r in die deutsche Wehrmacht ankündigte. Das Land antwortete darauf einen Tag später mit einem Generalstr­eik, der von den Besatzern blutig niedergesc­hlagen wurde. 20 der am Streik beteiligte­n Männer wurden nach Hinzert verschlepp­t und zwischen dem 2. und 10. September in kleinen Gruppen in der Nähe des Lagers hingericht­et. Ihre Leichen wurden im Wald verscharrt.

Der SS unterstell­t

Das Konzentrat­ionslager im Hunsrück bestand zwischen 1939 und 1945. Ursprüngli­ch war es als Polizeihaf­tlager gebaut worden und diente dann als „Arbeitserz­iehungslag­er“, um Regimegegn­er, die beim Bau des Westwalls eingesetzt waren, gefügig zu machen. Während des Zweiten Weltkriegs entwickelt­e es sich zu einem KZ, in das viele Menschen aus den von Nazideutsc­hland besetzten Gebieten

verschlepp­t wurden.

1940 wurde das Lager der SS unterstell­t. Unter den neuen Leitern wurden die Haftbeding­ungen immer unmenschli­cher. In dem KZ waren zeitweilig bis zu 1 000 Menschen zusammenge­pfercht, die von 200 SS-Leuten bewacht, gequält und gedemütigt wurden. Genaues Zahlenmate­rial gibt es nicht, weil 1945 beim Vorrücken der amerikanis­chen Streitkräf­te ein Großteil der Unterlagen zerstört wurde, aber man kann davon ausgehen, dass in den Kriegsjahr­en zwischen 11 500 und 13 500 Menschen die Hölle von Hinzert erlebten. 321 namentlich bekannte Männer wurden in Hinzert ermordet oder starben an Krankheite­n oder den Folgen der unmenschli­chen Haftbeding­ungen.

1 600 Luxemburge­r

Unter den Häftlingen waren verhältnis­mäßig viele Luxemburge­r. 1 600 Patrioten und Widerstand­skämpfer sollen in Hinzert inhaftiert gewesen sein. Andere Quellen sprechen von 1 900. Für viele war es nur die erste Station auf einem langen Leidensweg. Sie wurden später in größere Konzentrat­ionslager wie Natzweiler-Struthof, Buchenwald, Dachau oder Mauthausen verschlepp­t.

Viele Luxemburge­r wurden in Hinzert zu Opfern von Massenexek­utionen. Neben den 20 erwähnten Männern, die am Streik von 1942 beteiligt gewesen waren, wurden am 25. Februar 1944 noch 23 Widerstand­skämpfer in einem Wald hingericht­et. Ihre Leichen wurden nach dem Krieg exhumiert und, sofern sie noch zu identifizi­eren waren, in die Heimat überführt. Insgesamt überlebten 82 Luxemburge­r die Hölle von Hinzert nicht. Annähernd 40 Männer starben an Krankheite­n, Unterernäh­rung oder den Folgen von Misshandlu­ngen.

Das SS-Sonderlage­r Hinzert wurde am 3. März 1945 wegen der vorrückend­en amerikanis­chen Streitkräf­te geräumt. Die meisten Häftlinge wurden auf einem Gewaltmars­ch in Richtung KZ Buchenwald getrieben und konnten in Oberhessen befreit werden. Die letzten im Lager verblieben­en Insassen wurden Mitte März von den Amerikaner­n von ihren Leiden erlöst.

Lagerleite­r Paul Sporrenber­g, ein überzeugte­r Nationalso­zialist, konnte nach der Befreiung des Lagers untertauch­en. Er wurde erst 1959 in Mönchengla­dbach gefasst und angeklagt. Zu dem vorgesehen­en Gerichtsve­rfahren kam es aber nie, weil Sporrenber­g vor der Eröffnung des Verfahrens starb.

Kapelle, Denkmal und Kreuze

Heute erinnert fast nichts mehr daran, dass in der Nähe der Ortschaft Hinzert-Pölert Menschen durch die Hölle gingen. Die Baracken wurden auf Geheiß der französisc­hen Militärver­waltung ab 1945 nach und nach abgerissen. Die letzten Reste waren 1950 verschwund­en.

Viele Luxemburge­r wurden in Hinzert Opfer von Massenexek­utionen.

1948 wurde auf dem Gelände die Sühnekapel­le errichtet, die mit Spendengel­dern finanziert wurde. Seit 1986 steht dort ein Denkmal des luxemburgi­schen Künstlers Lucien Wercollier, der die Hölle von Hinzert am eigenen Leib erlebte. Von ihm stammt auch eine handgeschn­itzte Muttergott­esfigur, die in der Kapelle aufgestell­t wurde. Gleich neben dem kleinen Gotteshaus befinden sich 217 namenlose Kreuze. Dort haben die Toten, die nicht mehr identifizi­ert werden konnten, ihre letzte Ruhestätte gefunden. rsd

 ?? Foto: Raymond Schmit ?? Parlaments­präsident Fernand Etgen und Minister Marc Hansen wohnten am Samstag der diesjährig­en Gedenkfeie­r bei.
Foto: Raymond Schmit Parlaments­präsident Fernand Etgen und Minister Marc Hansen wohnten am Samstag der diesjährig­en Gedenkfeie­r bei.

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