Krise als Chance nutzen
021 war ein Rekordjahr für Start-ups in Europa: sie erhielten mehr als 88 Milliarden Euro Risikokapital – ein Plus von satten 141 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, laut Start-up-Barometer der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY. Die Anleger waren während der Corona-Pandemie extrem optimistisch, vor allem was Tech-Start-ups angeht. Tech-Aktien erreichten historische Höchststände und Start-ups kamen mit Rekordbewertungen an die Börse. Risikokapitalgeber investierten in Rekordhöhe in den Sektor, weil sie darauf setzten, dass die Pandemie die Einführung neuer Technologien im Arbeits- und Alltagsleben beschleunigen würde.
Mittlerweile sitzt das Geld aber nicht mehr so locker. Weltweit nimmt die Risikokapitalfinanzierung ab. Sequoia Capital, eine der bekanntesten Risikokapitalgesellschaften des Silicon Valley, prophezeit, dass die weltweite Risikokapitalfinanzierung für Start-ups im zweiten Quartal 2022 gegenüber dem Vorquartal um 19 Prozent zurückgehen wird, da die Liquidität knapper wird und viele Technologieaktien weltweit einbrechen. Hinzu kommt: Start-ups haben in den ersten neun Monaten des Jahres weltweit fast 77 000 Mitarbeiter entlassen. In 71 großen Tech-Unternehmen wurden alleine im Mai rund 17 000 Jobs abgebaut – das ist der höchste Wert seit Beginn der Pandemie im Februar 2020. Der Krieg in der Ukraine, die Energiekrise und die Lieferkettenprobleme haben erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen. Hinzu kommen die Inflation und die weltweit steigenden Zinsen. Die Geldgeber sind vorsichtig geworden.
In der aktuell angespannten Wirtschaftslage stehen auch die Start-ups in Luxemburg unter Druck. Einige Jungunternehmen, die große Finanzierungsrunden in der Vergangenheit abgeschlossen haben, um möglichst schnell zu wachsen, könnten aktuell Schwierigkeiten haben, zumindest zur gleichen Bewertung wieder Kapital zu finden. Nichtsdestotrotz bleiben die Gründer optimistisch. Sie sehen in der aktuellen Krise eine Chance. Während die großen Unternehmen derzeit viel mit sich selbst beschäftigt sind, konzentrieren sich die Start-ups auf ihre Stärken und setzen auf Innovation und Flexibilität. Hinzu kommt, dass der Markt in Luxemburg doch relativ „abgeschirmt“ist.
Die Strukturen sind meist klein, 80 Prozent haben bis zu fünf Mitarbeiter. Viele stecken noch in den Kinderschuhen und brauchen nicht so viel Kapital, um in einer ersten Phase über die Runden zu kommen. Die Projekte, die sich durchsetzen, weisen ein geringes Risiko auf. Und: Bei den Investoren handelt es sich meistens um Privatpersonen, die gerade auch in Zeiten von Inflation und Nullzinsen bereit sind, ihr Geld in Start-ups anzulegen. Dennoch ist Luxemburg weit davon entfernt, ein Start-up-Paradies zu sein. Obwohl sich in der Gründer-Szene in den vergangenen Jahren so einiges getan hat, hakt es weiter bei den bürokratischen und regulatorischen Hürden. Beklagt wird auch weiterhin, dass es keine guten fiskalischen Bedingungen für Investoren gibt. In anderen Ländern werden gerade auf diesem Gebiet vielversprechende Möglichkeiten angeboten. Statt Fördermittelchen wäre es an der Zeit, dass der Staat die Start-ups ernst nimmt.