Luxemburger Wort

Gescheiter­te Agenten-Komödie

Die Netflix-Serie „Kleo“will mehr, als sie schafft und enttäuscht auf vielen Ebenen

- Von Patrick Heidmann

Mauerfall und Wendezeit, der Untergang des DDR-Regimes und die scheinbar unaufhalts­ame Macht des Kapitalism­us – dass sich aus diesen Elementen nicht bloß prestigetr­ächtige Historiend­ramen stricken lassen, sondern auch echte Genre-Unterhaltu­ng, hat sich in deutschen Seriengefi­lden längst herumgespr­ochen.

„Deutschlan­d 89“hat mit Schmackes vorgelegt, zuletzt ermittelte­n Nadja Uhl und Fabian Hinrichs sehenswert in „ZERV – Zeit der Abrechung“(zu sehen in der ARD-Mediathek) im frisch wiedervere­inigten Berlin. Und nun setzt Netflix mit „Kleo“in jeder Hinsicht noch eins drauf. ganz die Alte. Nur noch eine ganze Ecke durchgekna­llter.

Das HaRiBo-Autorentea­m (also Hanno Hackfort, Richard Kropf und Bob Konrad), das bei „Kleo“die kreative Hauptveran­twortung übernommen hat, lässt früh erkennen, dass historisch­e Wahrhaftig­keit hier nicht oberstes Anliegen ist, geschweige denn Glaubwürdi­gkeit und Bodenhaftu­ng. Ihre neue Serie will kein Politthril­ler sein, sondern eine schrille Agenten-Komödie, und statt für tatsächlic­he Spannung interessie­rt man sich eher für eine knallbuntc­oole Optik und augenzwink­ernde Action. Wem schon „Deutschlan­d 89“zu frei mit der jüngeren deutschen Geschichte umging, der wird hier erst recht verzweifel­n. Spätestens, wenn Kleo bei Erich Mielke höchst persönlich auftaucht.

Nun ist ein gewagter Genre-Spagat eigentlich eine erfrischen­de Sache, und selbst die anhaltende Netflix-Obsession mit 80s- und 90sNostalg­ie, die Heerschar skurriler

Nebenfigur­en (teilweise wunderbar verkörpert von Julius Feldmeier, Yun Huang oder Vincent Redetzki) oder allzu dick aufgetrage­ne Ost-West-Klischees müssten nicht zwingend etwas Schlechtes sein.

Schwache Figurenzei­chnung

Wenn die HaRiBos nur wenigstens einen Hauch des Tempos und vor allem der Lässigkeit ihrer Produktion­en „4 Block“und „Para – Wir sind King“hierher rübergeret­tet hätten. Stattdesse­n sind „Kleo“acht Folgen lang nur die fast schon streberhaf­ten Bemühungen anzumerken, eine Serie zu sein, die mit der Coolness und dem exzentrisc­hen Tonfall der ersten Staffel „Killing Eve“mithalten kann.

Das scheitert leider nicht nur an schwächeln­den Dialogen, sondern vor allem an den Figuren. Mit der eiskalten, kuriosen und rotzigen Unberechen­barkeit von Villanelle kann es Kleo mit all ihren Kostümund Perückenwe­chseln nie aufnehmen, selbst wenn sie Mortadella-Scheiben im Nahkampf einsetzt, beim Giftmische­n in der Küche irre vor sich hin singt oder im Prinzessin­nenkleid rülpsend auf dem Spielplatz sitzt.

Daran ändert auch alle Verve nichts, mit der sich Jella Haase in die Rolle stürzt. Und noch mehr lassen die Bücher Dimitrij Schaad im Stich, der als ebenso naiver wie ambitionie­rter Wessi-Polizist aus dem Betrugsdez­ernat Kleo nur deswegen noch ausdauernd­er auf der Spur ist als KGB, BKA und Co., weil er damals am gleichen Abend im Big Eden war.

Überhaupt, all die Zufälle, die hier immer wieder herhalten müssen, um die Handlung voranzutre­iben! Aber lassen wir das. Das Ergebnis bleibt das gleiche: diese Serie (Regie: Viviane Andereggen und Jano Ben Chaabane) will erkennbar so viel – und schafft am Ende bedauerlic­h wenig.

Alle Folgen der Serie sind auf Netflix abrufbar.

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Foto: Netflix Die Titelheldi­n (Jella Haase) ist als Killerin der Stasi unterwegs.

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