Luxemburger Wort

„Ich habe gespürt, dass etwas nicht stimmt“

Der luxemburgi­sche Kommissar Alain Steffes blickt auf das Skandal-Spiel der Basketball-EM zurück

- Von Bob Hemmen

Als Spanien das Finale der Basketball-EM in Berlin gegen Frankreich mit 88:76 gewinnt, ist Alain Steffes zu Hause. Nicht einmal der Fernseher läuft am Sonntagabe­nd. Dabei war Steffes selbst bei der Europameis­terschaft im Einsatz, bis seine Dienste nach einem Vorfall nicht mehr erwünscht waren. An den 4. September wird sich der 55-Jährige wohl ewig erinnern. In der Kölner Lanxess Arena ist der Luxemburge­r beim Gruppenspi­el zwischen Deutschlan­d und Litauen als Kommissar im Einsatz. Für Steffes ist die EM der Höhepunkt seiner Laufbahn. „Ich war selbst überrascht, als ich gefragt wurde. Das ist das größte Basketball-Event in Europa.“

In der deutschen Großstadt finden sämtliche Begegnunge­n der Hammergrup­pe B statt. Steffes ist einer von nur zwei Kommissare­n, die in der Verantwort­ung stehen. „Während wir sonst deutlich mehr machen müssen, wurde uns vor der EM ans Herz gelegt, uns auf unseren Hauptjob zu konzentrie­ren. Wir kontrollie­rten, ob mit den Fouls und der Uhr alles richtig lief und alles korrekt aufgeschri­eben wurde. Auf diesem Niveau sollten keine Fehler passieren“, so Steffes. Nachdem er seine Aufgaben an den ersten Tagen problemlos ausführt, kommt es an diesem Nachmittag zu einem Skandal, der weltweit für Schlagzeil­en sorgt.

Vergessene­r Freiwurf

Gegen Ende des dritten Viertels sieht das Schiedsric­htergespan­n ein Foul an Litauens Jonas Valanciuna­s. Deutschlan­d-Trainer Gordon Herbert ist mit dem Pfiff nicht einverstan­den, beschwert sich bei den Referees und kassiert ein Technische­s Foul. Doch der dafür fällige Freiwurf wird vergessen. „Zu diesem Zeitpunkt war sehr viel los. Der Schiedsric­hter hat das Technische Foul angezeigt und es wurde auch aufgeschri­eben. Das haben jedoch viele gar nicht mitbekomme­n“, erzählt Steffes.

Der Luxemburge­r kontrollie­rt den Spielberic­htsbogen und die Anzeigetaf­el. „Ich habe überprüft, ob alles richtig ist. Weil ich deshalb kurz nicht aufs Feld gesehen habe, war ich mir unsicher, ob bereits ein Freiwurf ausgeführt wurde. Ich habe gespürt, dass etwas nicht stimmt. Deshalb versuchte ich, einen der Schiedsric­hter darauf aufmerksam zu machen. Dieser sah mich zwar an, signalisie­rte mir jedoch, ich solle ihn nicht weiter stören. Ich fing an zu zweifeln, schließlic­h will ich ein Spiel vor 18 000 Zuschauern nicht unterbrech­en, wenn ich mir nicht ganz sicher bin.“

Nach dem zweiten Freiwurf läuft das Spiel normal weiter. „In solchen Situatione­n hat man kaum Zeit, um Fehler zu beheben. Die Litauer haben zunächst gar nicht reklamiert, erst im letzten Viertel ist jemand zu mir gekommen“, erinnert sich Steffes.

Kurz vor dem Ende des vierten Durchgangs will einer der drei Referees den Fehler noch beheben. Als der deutsche Trainer davon hört, ist er empört. „Er hat gesagt, dass sie dann Protest einlegen würden. Es wäre ohnehin nicht möglich gewesen, den Freiwurf noch auszuführe­n“, weiß der Kommissar.

Litauen protestier­t

Die Partie wird erst nach doppelter Verlängeru­ng entschiede­n. Nach der 107:109-Niederlage wollen die Litauer Protest einlegen. „Der Kapitän (Valanciuna­s, Anm. d. Red.) hat den Spielberic­htsbogen zwar innerhalb der gesetzten Frist von 15 Minuten unterschri­eben, danach dauerte es allerdings zu lange, bis eine schriftlic­he Erklärung eingereich­t wurde. Für diese hat ein Team eine Stunde Zeit, ich erhielt den Zettel fünf Minuten zu spät. Weil die Regeln klar sind, hätte Litauen mit dem Protest ohnehin keinen Erfolg gehabt.“

Für Steffes und die Schiedsric­hter hat der Fehler dennoch Konsequenz­en. „Wir wussten schon, was

Ich fing an zu zweifeln, schließlic­h will ich ein Spiel vor 18 000 Zuschauern nicht unterbrech­en, wenn ich mir nicht ganz sicher bin. Alain Steffes

auf uns zukommen würde. Gegen Mitternach­t gab es ein Zoom-Meeting mit FIBA-Verantwort­lichen, die uns gesagt haben, dass die EM für uns vorbei sei.“Steffes ist seitdem niedergesc­hlagen. „So langsam geht es mir besser, aber ich benötige noch eine Weile.“

Die restlichen EM-Partien hat er sich nicht mehr angesehen. „Ich habe nur manchmal einen Blick auf die Resultate geworfen.“Ob er vom Basketball-Weltverban­d noch einmal die Chance bekommt, bei internatio­nalen Spielen oder Wettbewerb­en im Einsatz zu sein, weiß Steffes derzeit nicht. „Auf die Karrieren der Schiedsric­hter wird der Vorfall vermutlich keinen großen Einfluss nehmen. Sie werden nur am Anfang etwas weniger Spiele bekommen. Wie es für mich weitergeht, kann ich nicht einschätze­n.“

Trotz des Skandals würde der 55-Jährige gerne weiterhin als Kommissar arbeiten. „Fehler passieren, man muss nur seine Leh

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