16 Käfer im Konvoi nach Luxemburg
Im Jahre 1948 erreichten die ersten Fahrzeuge von VW das Großherzogtum – die Nummer eins existiert noch heute
Luxemburg. Ein Gerücht, das sich hartnäckig hält, ist, dass der VW Käfer das meistverkaufte Auto der Welt ist. Wer dieser Ansicht ist, lag damit auch lange Zeit richtig. Bis zum Jahr 2002 lag der preisgünstige Wagen aus Wolfsburg mit mehr als 21 Millionen verkauften Exemplaren fast ununterbrochen an der Spitze der Rangliste. Mittlerweile wurde der Käfer, der ab Mitte der 1930er-Jahre von Ferdinand Porsche entwickelt worden war, von einigen Modellen in Sachen Verkaufszahlen überholt – etwa vom Toyota Corolla, von den
Der Wagen hat mehr als 600 000 Kilometer auf dem Tacho.
Arbeitstieren der Ford-F-Serie, aber auch von den VW-internen Konkurrenzmodellen Golf und Passat sowie vom Honda Civic.
In der Nachkriegszeit sollte der Käfer aber das Verkehrsbild prägen – nicht nur als Zeichen des Wiederaufbaus in Deutschland. Auch in Luxemburg veränderte der Wolfsburger Wagen das Straßenbild grundlegend. Die ersten Exemplare, genauer gesagt 16 Stück, erreichten am 9. September 1948 das Großherzogtum. Die Automobile wurden von deutschen Fahrern an die Luxemburger Grenze gefahren und in Wasserbilligerbrück von ihren neuen Besitzern in Empfang genommen. Der erste Importeur der Marke Volkswagen in Luxemburg war die Garage St. Lambert aus Limpertsberg, später umbenannt in Garage Martin Losch.
Wieder zurück im Besitz der Firma Losch
„Zum Abschluss dieses besonderen Tages sind die Käufer, Lieferanten und Martin Losch noch zusammen nach Trier gefahren und haben an der Porta Nigra ordentlich gefeiert“, wird André Losch, der das Unternehmen aus Bonneweg nach seinem Onkel Martin 50 Jahre lang führte, im Buch „Losch Luxembourg – eine Unternehmensgeschichte über Gründer Macher und Menschen“zitiert. Einen schriftlichen Kaufvertrag zwischen Losch und den Käufern der 25 PS starken und 100 Stundenkilometer schnellen Autos habe es nicht gegeben, Losch habe im Vorfeld alles mündlich ausgehandelt.
Den ersten Käfer, der nach Luxemburg importiert wurde, kaufte nach Angaben der Garage Losch der Malerbetrieb Robin aus Useldingen. Der Chef des Unternehmens
Ein Blick ins Innere des historischen Exemplars.
sei mit dem Firmengründer Martin Losch befreundet gewesen, da sich beide im Rotary Club engagiert hatten. Und weil das Fahrzeug mit dem Nummernschild „71948“ein bedeutendes Stück der Luxemburger Automobilgeschichte ist, befindet es sich seit geraumer Zeit wieder im Besitz der Firma Losch.
Wie es in der Unternehmensgeschichte heißt, habe der Wagen schon einige Liftings und Motorenwechsel hinter sich. Wie viele Arbeiten genau an dem Auto durchgeführt wurden, lasse sich heute nicht mehr genau angeben. Was sicher ist: Der „Brezelkäfer“– der kuriose Name entstand in Anspielung auf das zweigeteilte Heckfenster des VW Käfer, das entfernt an eine Brezel erinnert – hat mittlerweile mehr als 600 000 Kilometer auf dem Tacho.
Richtig flott gemacht und aufpoliert wurde er übrigens noch einmal zur 50-Jahr-Feier des Unternehmens im Jahr 1998 sowie zu seinem Schaulauf in den Straßen Luxemburgs zum 70. Firmenjubiläum von Losch 20 Jahre später.
Die ersten aus Deutschland angelieferten Fahrzeuge konnten nicht ohne Weiteres an ihre Käufer übergeben werden. Weil im Kaufpreis die Reifen nicht enthalten waren, mussten zunächst die Mechaniker ran und eigene aufziehen.
Der dritte Importeursvertrag weltweit
Maisy Goerens-Pauly von der Garage Pauly-Losch in Strassen erinnert sich: „Wir saßen an dem Tag auf der luxemburgischen Seite der Grenze und aßen Schinkenbrote. Dann kamen die deutschen Fahrer. Wir hatten unsere Reifen für die Autos mitgenommen, denn sie wurden noch an Ort und Stelle montiert. Die Fahrer nahmen ihre Reifen wieder mit nach Wolfsburg. Die meisten Käufer sind mit nach Wasserbillig gefahren, um ihre Autos in Empfang zu nehmen. Sie wollten diesen besonderen Moment um nichts in der Welt verpassen.“
Der Importeursvertrag zwischen Losch und Volkswagen wurde zwei Monate vor der Überführung der ersten Exemplare nach Luxemburg geschlossen – am 14. Juli 1948. „Erst der Dritte weltweit, direkt nach den Niederlanden und Belgien“, wie es von der Garage heißt. Nach Firmenangaben wurden im Großherzogtum nach den ersten 16 Autos im Jahr 1949 schon 195 Käfer und im Jahr 1950 bereits 450 Käfer abgesetzt.
Sie wollten diesen besonderen Moment um nichts in der Welt verpassen. Maisy Goerens-Pauly
Die Fahrer nahmen ihre Reifen wieder mit. Maisy Goerens-Pauly
Es sei für das Unternehmen zunächst schwierig gewesen, die Kundschaft von einem Produkt aus Deutschland zu überzeugen. Zu groß sei das Unbehagen gegenüber allem, was aus Deutschland kam, so kurz nach dem Krieg gewesen. Das handwerkliche Geschick von Martin Losch als Mechaniker habe allerdings als Türöffner gedient und die Luxemburger von den VW-Fahrzeugen überzeugt. Der Preis dürfte ebenfalls zur Entscheidung der Käufer beigetragen haben: 55 000 Franken kostete der Wagen damals. Losch warb seinerzeit mit dem Slogan: „Bei minimalen Anschaffungskosten bietet er ein Maximum an Wirtschaftlichkeit, Betriebssicherheit und Leistung“.
Pro Sendung wurden zunächst bis zu 30 Käfer über die Straße von Wolfsburg nach Wasserbillig geliefert. Dies war Martin Losch zu kostspielig und zeitraubend. Später wurde über die Schiene zum Güterbahnhof Bonneweg geliefert. Im Konvoi ging es von dort zur Werkstatt, wobei am ersten und letzten Käfer ein rotes Nummernschild angebracht wurde. Die Autos dazwischen fuhren ohne.