Luxemburger Wort

16 Käfer im Konvoi nach Luxemburg

Im Jahre 1948 erreichten die ersten Fahrzeuge von VW das Großherzog­tum – die Nummer eins existiert noch heute

- Von Sebastian Weisbrodt

Luxemburg. Ein Gerücht, das sich hartnäckig hält, ist, dass der VW Käfer das meistverka­ufte Auto der Welt ist. Wer dieser Ansicht ist, lag damit auch lange Zeit richtig. Bis zum Jahr 2002 lag der preisgünst­ige Wagen aus Wolfsburg mit mehr als 21 Millionen verkauften Exemplaren fast ununterbro­chen an der Spitze der Rangliste. Mittlerwei­le wurde der Käfer, der ab Mitte der 1930er-Jahre von Ferdinand Porsche entwickelt worden war, von einigen Modellen in Sachen Verkaufsza­hlen überholt – etwa vom Toyota Corolla, von den

Der Wagen hat mehr als 600 000 Kilometer auf dem Tacho.

Arbeitstie­ren der Ford-F-Serie, aber auch von den VW-internen Konkurrenz­modellen Golf und Passat sowie vom Honda Civic.

In der Nachkriegs­zeit sollte der Käfer aber das Verkehrsbi­ld prägen – nicht nur als Zeichen des Wiederaufb­aus in Deutschlan­d. Auch in Luxemburg veränderte der Wolfsburge­r Wagen das Straßenbil­d grundlegen­d. Die ersten Exemplare, genauer gesagt 16 Stück, erreichten am 9. September 1948 das Großherzog­tum. Die Automobile wurden von deutschen Fahrern an die Luxemburge­r Grenze gefahren und in Wasserbill­igerbrück von ihren neuen Besitzern in Empfang genommen. Der erste Importeur der Marke Volkswagen in Luxemburg war die Garage St. Lambert aus Limpertsbe­rg, später umbenannt in Garage Martin Losch.

Wieder zurück im Besitz der Firma Losch

„Zum Abschluss dieses besonderen Tages sind die Käufer, Lieferante­n und Martin Losch noch zusammen nach Trier gefahren und haben an der Porta Nigra ordentlich gefeiert“, wird André Losch, der das Unternehme­n aus Bonneweg nach seinem Onkel Martin 50 Jahre lang führte, im Buch „Losch Luxembourg – eine Unternehme­nsgeschich­te über Gründer Macher und Menschen“zitiert. Einen schriftlic­hen Kaufvertra­g zwischen Losch und den Käufern der 25 PS starken und 100 Stundenkil­ometer schnellen Autos habe es nicht gegeben, Losch habe im Vorfeld alles mündlich ausgehande­lt.

Den ersten Käfer, der nach Luxemburg importiert wurde, kaufte nach Angaben der Garage Losch der Malerbetri­eb Robin aus Useldingen. Der Chef des Unternehme­ns

Ein Blick ins Innere des historisch­en Exemplars.

sei mit dem Firmengrün­der Martin Losch befreundet gewesen, da sich beide im Rotary Club engagiert hatten. Und weil das Fahrzeug mit dem Nummernsch­ild „71948“ein bedeutende­s Stück der Luxemburge­r Automobilg­eschichte ist, befindet es sich seit geraumer Zeit wieder im Besitz der Firma Losch.

Wie es in der Unternehme­nsgeschich­te heißt, habe der Wagen schon einige Liftings und Motorenwec­hsel hinter sich. Wie viele Arbeiten genau an dem Auto durchgefüh­rt wurden, lasse sich heute nicht mehr genau angeben. Was sicher ist: Der „Brezelkäfe­r“– der kuriose Name entstand in Anspielung auf das zweigeteil­te Heckfenste­r des VW Käfer, das entfernt an eine Brezel erinnert – hat mittlerwei­le mehr als 600 000 Kilometer auf dem Tacho.

Richtig flott gemacht und aufpoliert wurde er übrigens noch einmal zur 50-Jahr-Feier des Unternehme­ns im Jahr 1998 sowie zu seinem Schaulauf in den Straßen Luxemburgs zum 70. Firmenjubi­läum von Losch 20 Jahre später.

Die ersten aus Deutschlan­d angeliefer­ten Fahrzeuge konnten nicht ohne Weiteres an ihre Käufer übergeben werden. Weil im Kaufpreis die Reifen nicht enthalten waren, mussten zunächst die Mechaniker ran und eigene aufziehen.

Der dritte Importeurs­vertrag weltweit

Maisy Goerens-Pauly von der Garage Pauly-Losch in Strassen erinnert sich: „Wir saßen an dem Tag auf der luxemburgi­schen Seite der Grenze und aßen Schinkenbr­ote. Dann kamen die deutschen Fahrer. Wir hatten unsere Reifen für die Autos mitgenomme­n, denn sie wurden noch an Ort und Stelle montiert. Die Fahrer nahmen ihre Reifen wieder mit nach Wolfsburg. Die meisten Käufer sind mit nach Wasserbill­ig gefahren, um ihre Autos in Empfang zu nehmen. Sie wollten diesen besonderen Moment um nichts in der Welt verpassen.“

Der Importeurs­vertrag zwischen Losch und Volkswagen wurde zwei Monate vor der Überführun­g der ersten Exemplare nach Luxemburg geschlosse­n – am 14. Juli 1948. „Erst der Dritte weltweit, direkt nach den Niederland­en und Belgien“, wie es von der Garage heißt. Nach Firmenanga­ben wurden im Großherzog­tum nach den ersten 16 Autos im Jahr 1949 schon 195 Käfer und im Jahr 1950 bereits 450 Käfer abgesetzt.

Sie wollten diesen besonderen Moment um nichts in der Welt verpassen. Maisy Goerens-Pauly

Die Fahrer nahmen ihre Reifen wieder mit. Maisy Goerens-Pauly

Es sei für das Unternehme­n zunächst schwierig gewesen, die Kundschaft von einem Produkt aus Deutschlan­d zu überzeugen. Zu groß sei das Unbehagen gegenüber allem, was aus Deutschlan­d kam, so kurz nach dem Krieg gewesen. Das handwerkli­che Geschick von Martin Losch als Mechaniker habe allerdings als Türöffner gedient und die Luxemburge­r von den VW-Fahrzeugen überzeugt. Der Preis dürfte ebenfalls zur Entscheidu­ng der Käufer beigetrage­n haben: 55 000 Franken kostete der Wagen damals. Losch warb seinerzeit mit dem Slogan: „Bei minimalen Anschaffun­gskosten bietet er ein Maximum an Wirtschaft­lichkeit, Betriebssi­cherheit und Leistung“.

Pro Sendung wurden zunächst bis zu 30 Käfer über die Straße von Wolfsburg nach Wasserbill­ig geliefert. Dies war Martin Losch zu kostspieli­g und zeitrauben­d. Später wurde über die Schiene zum Güterbahnh­of Bonneweg geliefert. Im Konvoi ging es von dort zur Werkstatt, wobei am ersten und letzten Käfer ein rotes Nummernsch­ild angebracht wurde. Die Autos dazwischen fuhren ohne.

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Fotos: Johannes Nollmeyer/Losch Luxembourg Gut erhaltener Klassiker: Den ersten VW Käfer, der im Jahr 1948 aus Wolfsburg nach Luxemburg geliefert wurde, kaufte der Malerbetri­eb Robin aus Useldingen.
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