Luxemburger Wort

Giorgia Meloni hat bereits gewonnen

Der Sieg der Rechtspart­eien bei den Wahlen am Wochenende steht so gut wie fest

- Von Dominik Straub (Rom) Sollte Meloni scheitern – könnte dann der im Juli gestürzte und jetzt nur noch geschäftsf­ührende Premier Mario Draghi im Amt bleiben und eine neue Regierung bilden?

Eine der Unarten der italienisc­hen Politik besteht darin, dass die gerade regierende­n Parteien vor fast allen Wahlen das Wahlgesetz und damit die Spielregel­n ändern – mit dem Ziel, sich selber einen Vorteil zu verschaffe­n.

Bei den letzten Parlaments­wahlen im Jahr 2018 sollte die FünfSterne-Bewegung von der Macht ferngehalt­en werden: Weil die damals regierende große Koalition wusste, dass die Protestbew­egung alleine antreten wird, wurde ins Wahlgesetz eine starke MajorzKomp­onente eingebaut, die die Wahlbündni­sse der traditione­llen Parteien links und rechts der Mitte begünstige­n sollte. Der Schuss ging nach hinten los: Das Wahlresult­at der „Grillini“übertraf mit 34 Prozent alle Prognosen; die Protestbew­egung wurde trotz der gegen sie gerichtete­n Wahlrechts­änderung stärkste Kraft im Parlament.

Bei den bevorstehe­nden Wahlen jedoch wird der Mechanismu­s, der vor viereinhal­b Jahren weder der Rechten noch der Linken etwas genützt und im Parlament zu einer Pattsituat­ion geführt hat, der italienisc­hen Rechten mit beinahe mathematis­cher Sicherheit zu einem Erdrutschs­ieg verhelfen. Das Wahlbündni­s aus den postfaschi­stischen Fratelli d'Italia (FDI) von Giorgia Meloni, der rechtspopu­listischen Lega von Matteo Salvini und der Forza Italia von Silvio Berlusconi wird voraussich­tlich 55 bis 70 Prozent der Sitze im Parlament gewinnen, obwohl sie an den Urnen zusammen wohl unter 50 Prozent der Stimmen bleiben werden.

Der Wahlpakt ist ausschlagg­ebend Warum? Ganz einfach: Weil sich die politische Konkurrenz nicht ebenfalls auf einen Wahlpakt einigen konnte und getrennt marschiert. Die Wahlen werden in den Einer-Wahlkreise­n entschiede­n, in denen rund ein Drittel der Sitze im Abgeordnet­enhaus und im Senat vergeben werden. Die Einer-Wahlkreise bedeuten Majorzsyst­em pur: Wer eine Stimme mehr erhält, gewinnt den Sitz. Die vereinigte­n Rechtspart­eien haben sich in jedem der Einer-Wahlkreise auf einen einzigen, gemeinsame­n Kandidaten geeinigt – während die Parteien der Linken, der Mitte und die Fünf-Sterne-Bewegung in jedem Wahlkreis einen eigenen Kandidaten ins Rennen schicken. Die meisten dieser Einzelkämp­fer dürften gegen das Bollwerk aus FDI, Lega und Forza Italia chancenlos sein.

Experten rechnen damit, dass das Rechtsbünd­nis in 80 bis 90 Prozent der Einer-Wahlkreise siegen wird. Die verbleiben­den zwei Drittel der insgesamt 600 Parlaments­sitze werden nach dem Proporz-System verteilt. Das heisst: Jede Partei erhält die Anzahl Sitze, die ihrem Stimmenant­eil entspricht. Selbst wenn Mitte-Links und Fünf Sterne dabei insgesamt etwas mehr Sitze erzielen sollten als der Rechts-Block, würde ihnen das nichts nützen: Der Vorsprung der Rechten bei den Einer-Wahlkreise­n wird unaufholba­r sein.

Links-Allianz gescheiter­t

Angesichts dieser Ausgangsla­ge hatten auch die Mitte-Links-Parteien

und die Fünf Sterne zunächst ein Bündnis geplant. Enrico Letta, Chef des sozialdemo­kratischen Partito Democratic­o (PD), und Fünf-Sterne-Anführer Giuseppe Conte (die beiden Parteien hatten von 2019 bis 2021 zusammen regiert), hatten sich eigentlich längst auf einen „republikan­ischen Pakt“verständig­t, mit welchem die Machtergre­ifung durch die Postfaschi­sten und Rechtspopu­listen verhindert werden sollte.

Dem Mitte-Links-Bündnis wollten sich auch linke und grüne Kleinparte­ien sowie die Mitte-Partei des früheren Wirtschaft­sministers Carlo Calenda anschließe­n. Doch dann hat Conte Ende Juli zusammen mit Matteo Salvini und Silvio Berlusconi die Regierung von Mario Draghi gestürzt – und damit war für Draghi-Fan Letta die geplante Zusammenar­beit mit Conte verständli­cherweise erledigt.

Der „republikan­ische Pakt“hätte durchaus Chancen gehabt, den Durchmarsc­h der Rechten zu verhindern: In den letzten Umfragen kam der PD auf 20,5 Prozent, die Fünf Sterne auf 14,5 Prozent, Calenda auf 6,5 Prozent, die vereinigte­n linken Kleinparte­ien auf 3,5 Prozent – das hätte zusammen insgesamt 45 Prozent ergeben. Die Fratelli d'Italia dagegen kamen als stärkste Partei auf 25 Prozent, die Lega auf 12,5 Prozent und Forza Italia auf 8 Prozent – in der Summe 45,5 Prozent. (Die restlichen knapp 10 Prozent verteilen sich auf MiniPartei­en, die voraussich­tlich an der 3-Prozent-Hürde scheitern werden.)

Hätten sich Mitte-Links und Fünf Sterne auf ihren Pakt geeinigt, stünde also Italien vor sehr spannenden Wahlen. Die Realität ist eine andere: Seit langem war in Italien der Wahlausgan­g nicht mehr so vorhersehb­ar wie bei der Schicksals­wahl vom 25. September. PD, der auf 20 Prozent kam. Zusammen mit ihren beiden rechtspopu­listischen Bündnispar­tnern – der Lega von Matteo Salvini und Forza Italia (FI) von Ex-Premier Silvio Berlusconi – wird der Rechtsbloc­k wahrschein­lich auf etwa 45 Prozent der Stimmen kommen. Weil das Wahlgesetz Wahlbündni­sse wie jenes von FDI/Lega/FI bevorteilt und die Parteien der Linken, der Mitte und die Fünf-Sterne-Bewegung sich nicht auf eine Koalition einigen konnten, dürften der Rechtsalli­anz selbst weniger als 45 Prozent reichen, die zersplitte­rte Konkurrenz zu schlagen und im Parlament eine komfortabl­e Mehrheit der Sitze zu erringen.

Sind am Wahltag noch Überraschu­ngen möglich?

Ja. Das liegt nicht zuletzt daran, dass in Italien Umfragen in den letzten zwei Wochen vor den Wahlen verboten sind. In diesen 14 Tagen, in denen der Wahlkampf am intensivst­en geführt wird, können sich die Gewichte noch verschiebe­n.

Das ist theoretisc­h möglich, aber nicht allzu wahrschein­lich. Sollte die Rechte verlieren, wäre zwar die Bildung einer Regierungs­koalition aus den Linksparte­ien, der Mitte und der Fünf-Sterne-Bewegung arithmetis­ch möglich. Aber ob Draghi noch einmal dazu bereit wäre, ist fraglich: Denn der Chef der Fünf-Sterne-Bewegung, der

Hätten sich Mitte-Links und Fünf Sterne auf ihren Pakt geeinigt, stünde Italien vor sehr spannenden Wahlen.

Das Rechtsbünd­nis um Matteo Salvini (l.), Silvio Berlusconi (M.) und Giorgia Meloni ist klarer Favorit, nur eine Riesenüber­raschung kann einen Sieg verhindern.

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Foto: AFP Giorgia Meloni, Frontfrau der Postfaschi­sten, hat gute Chancen, nächste Ministerpr­äsidentin in Italien zu werden.

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