Luxemburger Wort

Die Vergessene­n

Hat ein Staat das Recht, gewisse Patienten ihrem fatalen Schicksal zu überlassen?

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„Meine Verordnung­en werde ich treffen zu Nutz und Frommen der Kranken, nach bestem Vermögen und Urteil; ich werde sie bewahren vor Schaden und willkürlic­hem Unrecht.“(Auszug aus dem Eid des Hippokrate­s)

Eigentlich auch ein Must einer gerechten Gesundheit­spolitik. Der kranke Mensch, die absolute Priorität der medizinisc­hen Behandlung, unabhängig vom jeweiligen Krankheits­bild. Ist dem allerdings so?

Beispiel ALS, die CharcotKra­nkheit. Wie werden diese Menschen – die absolut im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte sind – jedoch „behandelt“? Hat ein Staat das Recht, eine Vogel-Strauß-Politik zu betreiben und gewisse Patienten einfach ihrem fatalen Schicksal zu überlassen? Wie steht es um die qua Verfassung garantiert­e Gleichheit der Luxemburge­r vor dem Gesetz?

Jede Krankheit ist als gleichwert­ig anzusehen, der Staat muss – auch im Krankheits­fall – ethischer Garant dieser Gleichheit sein, was im Falle von ALS-Kranken (so direkt Betroffene) leider nicht der Fall zu sein scheint. Sind diese Menschen „die Vergessene­n“unseres Gesundheit­ssystems und werden auch nicht mehr würdig „behandelt“?

Wissend, dass diese Patienten unter spezifisch­en Voraussetz­ungen absolut leben können! Hat ein Gesundheit­ssystem das Recht, Prioritäte­n der Behandlung nach Krankheits­bildern zu setzen? Wessen Wille geschehe? Derjenige einer Pharmaindu­strie, die definiert, was für diese „interessan­t“ist und was nicht?

Eine nach neoliberal­en Vorgaben funktionie­rende „Gesundheit­spolitik“, faktisch jedoch eine unmenschli­che „Krankheits-Geschäftsp­olitik“– Zitat des VKD*Präsidente­n Dr Josef Düllings: „Ich glaube, wir sind so weit, dass wir das Ende des Kapitalism­us im Gesundheit­swesen fordern müssen.“Eine richtungsw­eisende Aussage …

Alle kranken Menschen müssen als gleichwert­ig angesehen und behandelt werden. Es ist ethisch total unverantwo­rtlich, eine Krankheit gegen eine andere „auszuspiel­en“, die Kranken und ihre Angehörige­n, die mitleiden, im Regen stehen zu lassen. Ist es nicht schlimm, dass man so etwas überhaupt thematisie­ren muss? Das in leider zurückgeke­hrten Kriegszeit­en, wo der Mensch seine Armseligke­it wieder einmal unter Beweis stellt und die finanziell­en Mittel für Waffenkäuf­e problemlos fließen? Ist das eine verantwort­ungsvolle Politik?

Besonders bedauerlic­h im vorliegend­en Falle von ALS-Kranken ist die Tatsache, dass ein bestehende­s Modell der ALS-Krankenver­sorgung in der eigenen Wohnung (cf. asbl „Wäertvollt Liewen“) eingericht­et und sämtlichen politische­n Parteien, sowie vielen Organisati­onen im Detail vorgestell­t wurde, einfach nicht allgemein umgesetzt wird. Zusammenge­fasst gefragt: Was konkret tun, wenn einem Menschen eine derartige Diagnose mitgeteilt wird?

„Zu einem vollkommen­en Menschen gehört die Kraft des Denkens, die Kraft des Willens, die Kraft des Herzens.“(Ludwig Feuerbach) Die Kraft des Herzens …

Wo schlägt das Herz der Politik?

Frank Bertemes, Kruuchten

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Foto: Chris Karaba/Luxemburge­r Wort Alle kranken Menschen müssen als gleichwert­ig angesehen und behandelt werden, fordert der Autor.

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