Luxemburger Wort

„Mit der Einfachhei­t ist es komplizier­t“

Sternekoch Daniel Galmiche über althergebr­achte Techniken, sein neues Buch und die Küche seiner Kindheit

- Interview: Sarah Schött

Daniel Galmiche (64) ist Koch aus Leidenscha­ft und hat in seiner Karriere bereits viele Sterneadre­ssen geführt. Neben der Arbeit in der Küche fasziniert ihn auch das Schreiben – er hat bereits einige Kochbücher veröffentl­icht. In seinem neuesten Werk widmet sich der gebürtige Franzose, der seit 38 Jahren in Großbritan­nien lebt, der Französisc­hen Landküche.

Daniel Galmiche, was bedeutet französisc­he Landküche für Sie?

Es ist das, was man sieht, wenn man spazieren geht. Auf den Feldern, in den Wäldern, was man in der Saison findet: Nüsse, wilde Äpfel, Pilze, Moos – denn es gibt auch essbares Moos. Es ist einfach die Küche, die uns umgibt, die Küche der Felder, der Scheunenhö­fe, der Obstplanta­gen.

Wieso war es jetzt an der Zeit, dieser Art des Kochens ein Buch zu widmen?

Wir neigen dazu, in den Supermarkt zu gehen und die Sachen fertig zu kaufen. Es gibt alles, alles ist verpackt, alles ist bereits zubereitet, man muss gar nicht mehr richtig hinschauen. Manchmal vergisst man die Saison, man vergisst, wo man die Produkte überhaupt findet. Das Buch soll die Leute daran erinnern.

Ist der Zeitpunkt auch der CoronaPand­emie geschuldet? Während des Lockdowns haben viele das Kochen wieder für sich entdeckt …

Durchaus. Während der Pandemie, als es sehr ruhig war und man Zeit zu beobachten hatte, hat mich das an vieles erinnert. In Schottland etwa gibt es eine ganz kurze Saison mit wirklich außergewöh­nlichen Himbeeren. Die besten Europas. Die Saison hängt vom Wetter ab, sie kann drei oder sechs Wochen dauern. Man sollte sie aber nicht verpassen. Das

Buch ist natürlich nicht nur wegen Corona entstanden, aber ich hatte schon Zeit, mich auf Dinge zu konzentrie­ren, die auch ich ein bisschen vergessen hatte. Manchmal gehen die Sachen an uns vorbei, es passiert so vieles. Jeder ist auf sein Handy konzentrie­rt und oft zieht die Welt vorbei, ohne dass man sie sieht.

Die Kapitel – mit Namen wie „Aus Wald & Forst“oder „Aus Scheune & Bauernhof“– orientiere­n sich an verschiede­nen Orten. Welcher Gedanke steckt dahinter?

Als wir die Titel gemacht haben, wollten wir, dass man sich automatisc­h an diese Plätze versetzt fühlt. Die Leute sollen sich erinnern, wie sie durch Wald und

Fühlt sich in der Natur äußerst Wohl: Spitzenkoc­h Daniel Galmiche.

Feld gegangen sind und wilden Spargel oder Kresse gesammelt haben. Ich bin sehr glücklich mit dem Buch, weil es mit den Titeln und Geschichte­n auch ein bisschen romantisch geworden ist. (lacht)

Sie haben mehrere Sterneadre­ssen geführt. Wie passt die Sterneküch­e mit der eher als einfach wahrgenomm­enen Landküche zusammen?

Mit der Einfachhei­t ist es immer komplizier­t. (lacht) Wenn man sich die Basis der Sterneküch­e anschaut, so ist das die klassische französisc­he Küche. Nehmen

Daniel Galmiche: „Französisc­he Landküche“, ars vivendi, 240 Seiten, ISBN 978-3-7472-0411-5, 32€. wir beispielsw­eise etwas sehr Einfaches wie eine Tarte. Wenn man sie zubereitet hat, steht sie danach auf dem Tisch auf einem kleinen Gitter, der Teig ist von Hand gemacht, es gibt kleine Unregelmäß­igkeiten am Rand, sie ist nicht perfekt. Wenn man Fine Dining möchte, nimmt man diese Tarte, aber reduziert ihren Umfang. Man gestaltet sie ebenmäßige­r und sie wird von zwei oder drei Kleinigkei­ten begleitet. Aber die Basis und die Produkte sind die gleichen, die wir finden, wenn wir in die Küche und den Garten unserer Großmutter gehen.

Sie stellen neben Rezepten auch Techniken wie etwa das Räuchern oder das Trocknen vor. Haben Sie einen Tipp für Hobbyköche, die mit diesen Verfahren starten wollen?

Früher waren Räuchern, Trocknen und Pökeln natürliche Methoden, um die Dinge haltbar zu machen, denn es gab noch keinen Kühl- oder Gefriersch­rank. Die Leute entdecken die früheren Zeiten wieder. Räuchern ist für mich super, wenn es richtig dosiert wird. Man kann mit kleinen Geräten zu Hause beginnen, es geht aber auch noch einfacher. Wenn man etwa einen Wok hat, kann man diesen dazu nutzen. Abgedeckt mit etwas Alufolie gibt man Zucker, Reis und grünen Tee hinein und erhitzt den Wok langsam. Wenn der Zucker beginnt zu schmelzen und sich Rauch entwickelt, dann steigt auch das Aroma des Tees auf und man kann Lebensmitt­el damit räuchern. In Japan und China nutzt man diese Technik bereits seit Jahrhunder­ten.

Sie leben in Großbritan­nien. Gibt es auch dort eine eigene Landküche?

Es gibt Spezialitä­ten. Aber die Küche, die Techniken, basieren auf der französisc­hen Küche. Die

Welt ist so ein bisschen dreigeteil­t. In Europa ist die Basis die französisc­he Küche. In Südostasie­n dient die chinesisch­e Küche als Basis. Und Japan hat seine eigene Küche, schon immer. Aber es gibt überall Spezialitä­ten. Was Großbritan­nien aber hat und was manche Leute nicht wahrnehmen, ist die außergewöh­nliche Qualität der Produkte.

Wie hat Sie ihre eigene Kindheit in Frankreich beim Zusammenst­ellen des Buchs begleitet?

Ich habe fast nur glückliche Erinnerung­en an meine Kindheit.

Ich durfte an einem Ort aufwachsen, wo die Natur noch neutral und sauber war. Es gab nicht viele

Jeder ist auf sein Handy konzentrie­rt und oft zieht die Welt vorbei, ohne dass man sie sieht.

Ich habe fast nur glückliche Erinnerung­en an meine Kindheit.

Einwohner, keine Industrie. Die Traditione­n waren sehr präsent, aber nicht altbacken, sondern an den Moment angepasst. Man schaute sich die Natur noch an. Und das habe ich meine ganze Kindheit lang getan. Mein Vater war Jäger, ich ging oft mit ihm, er hat mir viel darüber beigebrach­t, was man essen kann und was nicht. Wir gingen auf die Jagd, wir gingen fischen, wir waren auf dem Markt. Ich glaube, das hat mich mein ganzes Leben lang begleitet. Dazu kommt meine Ausbildung. Ich hatte viel Glück und ich liebe, was ich tue.

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Die Quiche mit Ziegenkäse wird mit Gemüse wie Artischock­en, Karotten und Mangold verfeinert.
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Fotos: Watkins Media Limited
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